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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Uriegsgewinne

In: Jahre 1916 hatte die Gesellschaft einen Fabrikationsgewinn von 12.38 Mil¬
lionen Mark, also das anderthalbfache des Aktienkapitals erzielt, gegen 3,34 Mil¬
lionen im Jahre 1913. Die Betriebsgewinne der beiden letzten Jahre waren aber
bei den Daimler-Werken derart, daß die überschüssigen Millionen auch noch zu
anderen finanziellen Zwecken zugunsten des Unternehmens verwendet werden
konnten. Die Gesellschaft hatte nicht nur ihren offenen Betriebsfonds von 5'/a
auf 8 Millionen Mark erhöht, sondern sie ging auch über das übliche Maß der
Kriegsabschreibungen hinaus und konnte ihre gesamten Anlagen, sämtliche Häuser,
Maschinen und sogar Grundstücke, die im Vorjahre noch mit 5,34 Millionen Mark
gebucht waren, bis aus eine Mark abschreiben. Obgleich die letzte Dividende schon
35 Prozent betrug, hätte man in Wirklichkeit weit über 10V Prozent verteilen
können, da der Börsenkurs bereits auf 1350 Prozent gestiegen war. Um indessen
die Dividende und den Kurs zu drücken, wurde im Sommer vorigen Jahres das
Aktienkapital von 8 auf 32 Millionen Mark erhöht und den alten Aktionären der
Bezug der neuen Aktien zum Kurse von 107 Prozent -- mit ausdrücklicher Be-
WÜligung der Neichsbank -- eingeräumt, was bei dem erwähnten Kurse von
1350 Prozent ein Geschenk von enormem Werte bedeutete. Wenn auch infolge
dieser Transaktion der Kurs nach Ausübung des Bezugsrechtes um etwa 800 Prozent
zurückging, so war doch dem Aktionär auf Grund einer einmaligen Hingabe von
107 Prozent eine dauernde Dividende auf den vierfachen Betrag von Aktien, also
insgesamt jährlich 1-10 Prozent (!) gewährt' äußerlich verblieb die Dividende auf
dem alten Satze von 35 Prozent.

Nicht allein die Daimler-Werke, sondern auch die gesamten Automobil¬
fabriken haben während des Krieges riesige Gewinne erzielt, was sie aber nicht
hinderte, im November v. I. eine weitere Preiserhöhung von 25 Prozent zu
fordern. Der Fall Daimler, der in seiner Kraßheit hoffentlich vereinzelt dasteht,
ist dennoch in seinem Kern ein Typus. Wir sehen, wie die Gesellschaften, um die
Dividenden nicht ins Phantastische wachsen zu lassen, enorme Rückstellungen
machen, Gratisaktien ausgeben und durch die schwierigsten Transaktionen das
Aktienkapital bei niedrigsten Emissionskursen in unerhörter Weise verwässern. Der
gewaltige Bedarf des Heeres und die Zwangslage, in welche die deutsche Be¬
völkerung durch die englische Blockade gelangt ist, wird rücksichtslos ausgenützt.
Daß aber auch Unternehmungen, die nicht oder doch nur indirekt an Kriegs¬
lieferungen beteiligt sind, in derselben Weise enorme Gewinne aus der Konjunktur
ziehen, zeigt uns das Beispiel der Bremer Wollkämmerei, die in diesen Tagen
48.5 Prozent Dividende erklärte, obwohl es in Deutschland kaum noch Wolle gibt;
ferner die deutsche Jutespinnerei in Meißen, die -- obwohl seit vier Jahren von
ihrem Rohmaterial, der indischen Jute, abgeschnitten -- dennoch eine Dividende
von 36^ Prozent erklärte und außerdem ihren Aktionären ein außerordentlich
hoch zu bewertendes Bezugsrecht auf Gratisaktien einräumte. Dabei stellen diese
Gewinne nur einen Bruchteil dessen dar, was wirklich verdient wurde.

Welche zweifellos nach Milliarden zählenden Beträge an die Nutznießer
der Kriegskonjunktur verschleudert und auch durch die Kriegssteuer nur sehr unvoll¬
kommen zurückgezahlt werden, beweist die Miiteilnng in der Reichstagskommission,
daß die Nachprüfung der Kriegslieferungspreise durch das Waffen- und Munitions¬
beschaffungsamt (Wumba), schätzungsweise monatlich 50 Millionen Mark einbringe!

Bei uns sollte die Auffassung durchdringen, daß niemand das Recht hat,
im Kriege und am Kriege sich zu bereichern, während Millionen draußen bluten
und daheim darben, um die Existenz des Reiches, den Besitz und die Erwerbs¬
möglichkeit seiner Bürger zu verteidigen! Die Milliarden, die das Reich selbst
durch Gewährung verschwenderischer Preise verschenkt hat. können nachträglich
durch Steuern nur in äußerst geringem Maße wieder eingebracht werden. Zweck-
mäßiger ist es, geeignete Vorsorge zu treffen, daß solche unberechtigten Gewinne
überhaupt nicht entstehen können.

Rund fünf Milliarden hat die Kriegssteuer des Reiches für die Jahre 1914,
1915 und 1916 eingebracht. Und dieses Ergebnis ist beinahe gering zu nennen.


Uriegsgewinne

In: Jahre 1916 hatte die Gesellschaft einen Fabrikationsgewinn von 12.38 Mil¬
lionen Mark, also das anderthalbfache des Aktienkapitals erzielt, gegen 3,34 Mil¬
lionen im Jahre 1913. Die Betriebsgewinne der beiden letzten Jahre waren aber
bei den Daimler-Werken derart, daß die überschüssigen Millionen auch noch zu
anderen finanziellen Zwecken zugunsten des Unternehmens verwendet werden
konnten. Die Gesellschaft hatte nicht nur ihren offenen Betriebsfonds von 5'/a
auf 8 Millionen Mark erhöht, sondern sie ging auch über das übliche Maß der
Kriegsabschreibungen hinaus und konnte ihre gesamten Anlagen, sämtliche Häuser,
Maschinen und sogar Grundstücke, die im Vorjahre noch mit 5,34 Millionen Mark
gebucht waren, bis aus eine Mark abschreiben. Obgleich die letzte Dividende schon
35 Prozent betrug, hätte man in Wirklichkeit weit über 10V Prozent verteilen
können, da der Börsenkurs bereits auf 1350 Prozent gestiegen war. Um indessen
die Dividende und den Kurs zu drücken, wurde im Sommer vorigen Jahres das
Aktienkapital von 8 auf 32 Millionen Mark erhöht und den alten Aktionären der
Bezug der neuen Aktien zum Kurse von 107 Prozent — mit ausdrücklicher Be-
WÜligung der Neichsbank — eingeräumt, was bei dem erwähnten Kurse von
1350 Prozent ein Geschenk von enormem Werte bedeutete. Wenn auch infolge
dieser Transaktion der Kurs nach Ausübung des Bezugsrechtes um etwa 800 Prozent
zurückging, so war doch dem Aktionär auf Grund einer einmaligen Hingabe von
107 Prozent eine dauernde Dividende auf den vierfachen Betrag von Aktien, also
insgesamt jährlich 1-10 Prozent (!) gewährt' äußerlich verblieb die Dividende auf
dem alten Satze von 35 Prozent.

Nicht allein die Daimler-Werke, sondern auch die gesamten Automobil¬
fabriken haben während des Krieges riesige Gewinne erzielt, was sie aber nicht
hinderte, im November v. I. eine weitere Preiserhöhung von 25 Prozent zu
fordern. Der Fall Daimler, der in seiner Kraßheit hoffentlich vereinzelt dasteht,
ist dennoch in seinem Kern ein Typus. Wir sehen, wie die Gesellschaften, um die
Dividenden nicht ins Phantastische wachsen zu lassen, enorme Rückstellungen
machen, Gratisaktien ausgeben und durch die schwierigsten Transaktionen das
Aktienkapital bei niedrigsten Emissionskursen in unerhörter Weise verwässern. Der
gewaltige Bedarf des Heeres und die Zwangslage, in welche die deutsche Be¬
völkerung durch die englische Blockade gelangt ist, wird rücksichtslos ausgenützt.
Daß aber auch Unternehmungen, die nicht oder doch nur indirekt an Kriegs¬
lieferungen beteiligt sind, in derselben Weise enorme Gewinne aus der Konjunktur
ziehen, zeigt uns das Beispiel der Bremer Wollkämmerei, die in diesen Tagen
48.5 Prozent Dividende erklärte, obwohl es in Deutschland kaum noch Wolle gibt;
ferner die deutsche Jutespinnerei in Meißen, die — obwohl seit vier Jahren von
ihrem Rohmaterial, der indischen Jute, abgeschnitten — dennoch eine Dividende
von 36^ Prozent erklärte und außerdem ihren Aktionären ein außerordentlich
hoch zu bewertendes Bezugsrecht auf Gratisaktien einräumte. Dabei stellen diese
Gewinne nur einen Bruchteil dessen dar, was wirklich verdient wurde.

Welche zweifellos nach Milliarden zählenden Beträge an die Nutznießer
der Kriegskonjunktur verschleudert und auch durch die Kriegssteuer nur sehr unvoll¬
kommen zurückgezahlt werden, beweist die Miiteilnng in der Reichstagskommission,
daß die Nachprüfung der Kriegslieferungspreise durch das Waffen- und Munitions¬
beschaffungsamt (Wumba), schätzungsweise monatlich 50 Millionen Mark einbringe!

Bei uns sollte die Auffassung durchdringen, daß niemand das Recht hat,
im Kriege und am Kriege sich zu bereichern, während Millionen draußen bluten
und daheim darben, um die Existenz des Reiches, den Besitz und die Erwerbs¬
möglichkeit seiner Bürger zu verteidigen! Die Milliarden, die das Reich selbst
durch Gewährung verschwenderischer Preise verschenkt hat. können nachträglich
durch Steuern nur in äußerst geringem Maße wieder eingebracht werden. Zweck-
mäßiger ist es, geeignete Vorsorge zu treffen, daß solche unberechtigten Gewinne
überhaupt nicht entstehen können.

Rund fünf Milliarden hat die Kriegssteuer des Reiches für die Jahre 1914,
1915 und 1916 eingebracht. Und dieses Ergebnis ist beinahe gering zu nennen.


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[0017] Uriegsgewinne In: Jahre 1916 hatte die Gesellschaft einen Fabrikationsgewinn von 12.38 Mil¬ lionen Mark, also das anderthalbfache des Aktienkapitals erzielt, gegen 3,34 Mil¬ lionen im Jahre 1913. Die Betriebsgewinne der beiden letzten Jahre waren aber bei den Daimler-Werken derart, daß die überschüssigen Millionen auch noch zu anderen finanziellen Zwecken zugunsten des Unternehmens verwendet werden konnten. Die Gesellschaft hatte nicht nur ihren offenen Betriebsfonds von 5'/a auf 8 Millionen Mark erhöht, sondern sie ging auch über das übliche Maß der Kriegsabschreibungen hinaus und konnte ihre gesamten Anlagen, sämtliche Häuser, Maschinen und sogar Grundstücke, die im Vorjahre noch mit 5,34 Millionen Mark gebucht waren, bis aus eine Mark abschreiben. Obgleich die letzte Dividende schon 35 Prozent betrug, hätte man in Wirklichkeit weit über 10V Prozent verteilen können, da der Börsenkurs bereits auf 1350 Prozent gestiegen war. Um indessen die Dividende und den Kurs zu drücken, wurde im Sommer vorigen Jahres das Aktienkapital von 8 auf 32 Millionen Mark erhöht und den alten Aktionären der Bezug der neuen Aktien zum Kurse von 107 Prozent — mit ausdrücklicher Be- WÜligung der Neichsbank — eingeräumt, was bei dem erwähnten Kurse von 1350 Prozent ein Geschenk von enormem Werte bedeutete. Wenn auch infolge dieser Transaktion der Kurs nach Ausübung des Bezugsrechtes um etwa 800 Prozent zurückging, so war doch dem Aktionär auf Grund einer einmaligen Hingabe von 107 Prozent eine dauernde Dividende auf den vierfachen Betrag von Aktien, also insgesamt jährlich 1-10 Prozent (!) gewährt' äußerlich verblieb die Dividende auf dem alten Satze von 35 Prozent. Nicht allein die Daimler-Werke, sondern auch die gesamten Automobil¬ fabriken haben während des Krieges riesige Gewinne erzielt, was sie aber nicht hinderte, im November v. I. eine weitere Preiserhöhung von 25 Prozent zu fordern. Der Fall Daimler, der in seiner Kraßheit hoffentlich vereinzelt dasteht, ist dennoch in seinem Kern ein Typus. Wir sehen, wie die Gesellschaften, um die Dividenden nicht ins Phantastische wachsen zu lassen, enorme Rückstellungen machen, Gratisaktien ausgeben und durch die schwierigsten Transaktionen das Aktienkapital bei niedrigsten Emissionskursen in unerhörter Weise verwässern. Der gewaltige Bedarf des Heeres und die Zwangslage, in welche die deutsche Be¬ völkerung durch die englische Blockade gelangt ist, wird rücksichtslos ausgenützt. Daß aber auch Unternehmungen, die nicht oder doch nur indirekt an Kriegs¬ lieferungen beteiligt sind, in derselben Weise enorme Gewinne aus der Konjunktur ziehen, zeigt uns das Beispiel der Bremer Wollkämmerei, die in diesen Tagen 48.5 Prozent Dividende erklärte, obwohl es in Deutschland kaum noch Wolle gibt; ferner die deutsche Jutespinnerei in Meißen, die — obwohl seit vier Jahren von ihrem Rohmaterial, der indischen Jute, abgeschnitten — dennoch eine Dividende von 36^ Prozent erklärte und außerdem ihren Aktionären ein außerordentlich hoch zu bewertendes Bezugsrecht auf Gratisaktien einräumte. Dabei stellen diese Gewinne nur einen Bruchteil dessen dar, was wirklich verdient wurde. Welche zweifellos nach Milliarden zählenden Beträge an die Nutznießer der Kriegskonjunktur verschleudert und auch durch die Kriegssteuer nur sehr unvoll¬ kommen zurückgezahlt werden, beweist die Miiteilnng in der Reichstagskommission, daß die Nachprüfung der Kriegslieferungspreise durch das Waffen- und Munitions¬ beschaffungsamt (Wumba), schätzungsweise monatlich 50 Millionen Mark einbringe! Bei uns sollte die Auffassung durchdringen, daß niemand das Recht hat, im Kriege und am Kriege sich zu bereichern, während Millionen draußen bluten und daheim darben, um die Existenz des Reiches, den Besitz und die Erwerbs¬ möglichkeit seiner Bürger zu verteidigen! Die Milliarden, die das Reich selbst durch Gewährung verschwenderischer Preise verschenkt hat. können nachträglich durch Steuern nur in äußerst geringem Maße wieder eingebracht werden. Zweck- mäßiger ist es, geeignete Vorsorge zu treffen, daß solche unberechtigten Gewinne überhaupt nicht entstehen können. Rund fünf Milliarden hat die Kriegssteuer des Reiches für die Jahre 1914, 1915 und 1916 eingebracht. Und dieses Ergebnis ist beinahe gering zu nennen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/17>, abgerufen am 29.06.2024.