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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Ariegsgewinne

Stellung gegenüber. Das deutsch-österreichisch-ungarische Bündnis ist trotz aller
verwandtschaftlichen Häkeleien inniger geworden. Bulgarien und die Türkei halten
die Wacht im Südosten. Aus einer belagerten Festung ist Mitteleuropa durch
deu Frieden mit der Ukraine zu einem völlig unabhängigen Wirtschaftsgebiet ge-
worden, das je länger auf sich selbst angewiesen, um so mehr wird auf Übersee-
zufuhr verzichten können. Das mögliche Eintreten Japans in den Kampf dürfte
die Entente früher berühren wie uns. Den Höhepunkt unserer Schwierigkeiten mit
der Verpflegung dürften wir in einiger Zeit für immer überschritten haben.

Zieht man alles in Betracht, so wird man zu den: Schluß kommen, daß
unsere Oberste Heeresleitung in dem Durchbruch zwischen Scarpe und Oise eine
Entscheidung nicht suchen konnte, die dem Krieg ein Ende zu bereiten imstande
wäre. Dieser Durchbruch hat vielmehr nur den Charakter vorbereitender Unter¬
nehmungen, aus denen sich die für eine militärische Vorentscheidung günstigsten
Verhältnisse entwickeln sollen. Der große Erfolg der Durchbruchsschlacht liegt
darin, daß Franzosen und Engländer gezwungen sind, einen erheblichen Teil ihrer
Reserven an der Stelle zusammenzuziehen, wo es ihnen das überlegene Feldherrn¬
genie Hindenburgs und Ludenoorffs vorgeschrieben hat, während die deutschen
Reserven frcigeblieben sind, dort eingesetzt zu werden, wo der strategisch für die
politische Entscheidung wichtige Schlag geführt werden soll. Damit ist im wesent¬
lichen die augenblickliche Weltlage gekennzeichnet: sie steht im Banne des Willens
unserer Heerführer. Sie ist militärisch bedingt. Monate können vergehen, ehe
wieder politische Faktoren bestimmend in den Vordergrund treten.




Ariegsgewinne
Professor Dr. F. Zadow von

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^j e kaum in einem anderen Lande blüht bei,, uns das Kriegs-
gewinnlertum, und wenn auch nicht alles an die Öffentlichkeit kommt,
so lassen doch die Abschlüsse der Aktiengesellschaften die riesigen Ge¬
winne erkennen, die von der Rüstungsindustrie erzielt werden. Er¬
regter schon im Kriege von 1870 die Gewinne der Heereslieferanten
die öffentliche Meinung, so hat doch der Weltkrieg auch in dieser
Beziehung jeden Matzstab früherer Kriege weit übertroffen.

Die letzten Verhandlungen im Hauptausschusse des Deutschen Reichstages
über gewisse Mißstände der deutschen Rüstungsindustrie ließen offenkundig werden,
daß die Preisentwicklung bis zu einer Grenze gediehen ist, die schwere volkswirt¬
schaftliche Gefahren in sich birgt. Die Militärbehörden sind bei ihren Bestellungen
in hohem Maße übervorteilt worden (und daß eine solche Benachteiligung bei der
Daimler-Motoren-Gesellschaft systematisch durchgeführt wurde, darf heute schon als
erwiesen gelten). Die von der mit einem Aktienkapital von 8 Millionen Mark
arbeitenden Daimler-Gesellschaft verteilten Dividenden betrugen:

1909 . . . L Prozent 1913 . . . 14 Prozent
1910 ... 10 " 1914 ... 16 "
1911 ... 10 " 19es ... 28 "
Z912 ... 12 " 191" . . . 3S "

Ariegsgewinne

Stellung gegenüber. Das deutsch-österreichisch-ungarische Bündnis ist trotz aller
verwandtschaftlichen Häkeleien inniger geworden. Bulgarien und die Türkei halten
die Wacht im Südosten. Aus einer belagerten Festung ist Mitteleuropa durch
deu Frieden mit der Ukraine zu einem völlig unabhängigen Wirtschaftsgebiet ge-
worden, das je länger auf sich selbst angewiesen, um so mehr wird auf Übersee-
zufuhr verzichten können. Das mögliche Eintreten Japans in den Kampf dürfte
die Entente früher berühren wie uns. Den Höhepunkt unserer Schwierigkeiten mit
der Verpflegung dürften wir in einiger Zeit für immer überschritten haben.

Zieht man alles in Betracht, so wird man zu den: Schluß kommen, daß
unsere Oberste Heeresleitung in dem Durchbruch zwischen Scarpe und Oise eine
Entscheidung nicht suchen konnte, die dem Krieg ein Ende zu bereiten imstande
wäre. Dieser Durchbruch hat vielmehr nur den Charakter vorbereitender Unter¬
nehmungen, aus denen sich die für eine militärische Vorentscheidung günstigsten
Verhältnisse entwickeln sollen. Der große Erfolg der Durchbruchsschlacht liegt
darin, daß Franzosen und Engländer gezwungen sind, einen erheblichen Teil ihrer
Reserven an der Stelle zusammenzuziehen, wo es ihnen das überlegene Feldherrn¬
genie Hindenburgs und Ludenoorffs vorgeschrieben hat, während die deutschen
Reserven frcigeblieben sind, dort eingesetzt zu werden, wo der strategisch für die
politische Entscheidung wichtige Schlag geführt werden soll. Damit ist im wesent¬
lichen die augenblickliche Weltlage gekennzeichnet: sie steht im Banne des Willens
unserer Heerführer. Sie ist militärisch bedingt. Monate können vergehen, ehe
wieder politische Faktoren bestimmend in den Vordergrund treten.




Ariegsgewinne
Professor Dr. F. Zadow von

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^j e kaum in einem anderen Lande blüht bei,, uns das Kriegs-
gewinnlertum, und wenn auch nicht alles an die Öffentlichkeit kommt,
so lassen doch die Abschlüsse der Aktiengesellschaften die riesigen Ge¬
winne erkennen, die von der Rüstungsindustrie erzielt werden. Er¬
regter schon im Kriege von 1870 die Gewinne der Heereslieferanten
die öffentliche Meinung, so hat doch der Weltkrieg auch in dieser
Beziehung jeden Matzstab früherer Kriege weit übertroffen.

Die letzten Verhandlungen im Hauptausschusse des Deutschen Reichstages
über gewisse Mißstände der deutschen Rüstungsindustrie ließen offenkundig werden,
daß die Preisentwicklung bis zu einer Grenze gediehen ist, die schwere volkswirt¬
schaftliche Gefahren in sich birgt. Die Militärbehörden sind bei ihren Bestellungen
in hohem Maße übervorteilt worden (und daß eine solche Benachteiligung bei der
Daimler-Motoren-Gesellschaft systematisch durchgeführt wurde, darf heute schon als
erwiesen gelten). Die von der mit einem Aktienkapital von 8 Millionen Mark
arbeitenden Daimler-Gesellschaft verteilten Dividenden betrugen:

1909 . . . L Prozent 1913 . . . 14 Prozent
1910 ... 10 „ 1914 ... 16 „
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/16>, abgerufen am 01.07.2024.