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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Auf dem N?ege zum Frieden

Der Krieg wird auf der See entschieden werden. Der Ausgang der bevor¬
stehenden Auseinandersetzung über die Seeherrschaft wird die bis dahin getätigten
Grenzverschiebungen und Friedensschlüsse bestätigen oder rückgängig machen.
Alles was bis dahin geschieht zu Wasser und zu Lande, ist nur die Vorbereitung
für die Entscheidung zur See. Wer für die Niederwerfung Britanniens wirkt und
wie wir einzig von dieser den Weltfrieden erhoffen kann, muß sich dessen bewußt
sein. Solcher Alternative mit Ruhe entgegensehen, ist eine Nervensache. Sollte
England vor dem letzten Wassergange die Flagge streichen und sich zu einer Ver¬
ständigung mit uns bereit finden, um so besser.

Wir glauben indessen nicht, daß die eben eingeleitete Offensive schon eine
genügend starke Belastung der englischen Nerven darstellt, um es den Weg zum
Vergleich suchen zu lassen. Die Hoffnungen auf das Eingreifen Amerikas, auf die
unserer harrenden Schwierigkeiten in Rußland, auf die eignen Siege in Syrien
und Palästina, auf Japans Hilfe und auf die Haltung der skandinavischen Reiche
enthalten noch zuviel Stärkungsmittel, um damit die öffentliche Meinung irrezu¬
führen. Die an Landesverrat grenzende Veröffentlichung des Fürsten
Lichnowski stärkt sie überdies in ihrem Rechtsbewußtsein. Vom Standpunkt
der Briten aus gesehen, hat sich die Weltlage trotz der vier Friedens¬
schlüsse doch nicht so sichtbar zu unsern Gunsten verschoben, wie es notwendig
wäre, um die britische Regierung zur Vernunft zu bringen. Außerdem ist die
Tatsache nicht zu unterschätzen, daß Großbritannien noch immer in der Lage
ist, die überseeischen Verbindungen nach Osten, Afrika und Amerika aufrecht zu
erhalten und durch den Zusammenbruch Rußlands in seinen vorderasiatischen
Plänen politisch mindestens ebenso entlastet ist, wie wir militärisch an der Ostfront.
So scheint es sich zunächst um das Schicksal Persiens nicht bekümmern zu brauchen.
Dort ist der russische Rivale ausgeschieden und der mitteleuropäische hat noch
manche Schwierigkeiten zu überwinden, ehe er daselbst wirksam auftreten kann.
Für Englands Interessen in der Ostsee arbeitet Herr Branting mit wachsendem
Erfolge in Schweden. Die U-Bootgefahr ist zwar ein sehr ernster Faktor für die
Kriegführung der Entente geworden, doch wirkt sie solange nicht laeues, wie auf
Schiffsraumreserven aus neutralen Beständen zurückgegriffen werden kann, ohne sich
die aktive Feindschaft bisher neutraler Staaten zuzuziehen. Der Schiffsraub in
Holland, der Vertrag mit Schweden wegen llbtrlassung von 400 000 Tonnen
Schiffsraum stellen sich als Inangriffnahme der letzten dieser Reserven dar. Ehe
sie nicht verbraucht sein werden und ehe die Entente nicht ausschließlich auf Neu¬
bauten angewiesen sein wird, um die durch unsere U-Boote gerissenen Lücken
auszufüllen, wird die U-Bootgefahr für England noch zu ertragen sein. Sie
bedeuten eine Kriegsverlängerung zur See von rund drei Monaten, wenn man
in Anrechnung bringt, daß sich der verfügbare Schiffsraum der Entente monatlich
um rund 200 000 Tons verringert. Selbst der Verlust der flandrischen Küste
wäre noch kein Grund das Spiel verloren zu geben, einfach, weil das englische,
seit Jahrhunderten für den Uberseegedanken erzogene Volk den Verlust auf dem
Festlande nicht so drückend empfinden würde, daß er ihm auf die Nerven fiele.
Die endgültige Sperrung der Straße von Gibraltar durch die Mittemächie würde
moralisch weit schwerer wirken.

Wir haben alle diese Faktoren etwas schärfer in den Vordergrund gestellt,
als eS sonst in unserer Kriegspublizistik üblich ist. um damit die Linien aufzu¬
zeigen, in denen sich die Ideen der englischen Staatsmänner bei Aufrechterhaltung
ihrer Kriegspolitik bewegen. Sehen wir klar bezüglich der englischen Gedanken¬
gänge, so bleiben wir am ehesten vor Überraschungen bewahrt, wie sie jüngst erst
die Entente-Genossen erlebten, als unsere Bundesgenossen von der Donau plötzlich
an unserer Seite auf den Schlachtfeldern des Westens erschienen. Bleiben wir
uns bewußt, daß zur Erschütterung der britischen Oberherrschaft über die Erde
Zeit gehört und darum auch geduldige Festigkeit des Wollens, so brauchen wir
einen Sieg der Briten nicht mehr zu fürchten. Denn ihrer bereits bedrohten
Weltstellung steht unsere im Kriege fester und geschlossner gewordene Kontinental-


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Auf dem N?ege zum Frieden

Der Krieg wird auf der See entschieden werden. Der Ausgang der bevor¬
stehenden Auseinandersetzung über die Seeherrschaft wird die bis dahin getätigten
Grenzverschiebungen und Friedensschlüsse bestätigen oder rückgängig machen.
Alles was bis dahin geschieht zu Wasser und zu Lande, ist nur die Vorbereitung
für die Entscheidung zur See. Wer für die Niederwerfung Britanniens wirkt und
wie wir einzig von dieser den Weltfrieden erhoffen kann, muß sich dessen bewußt
sein. Solcher Alternative mit Ruhe entgegensehen, ist eine Nervensache. Sollte
England vor dem letzten Wassergange die Flagge streichen und sich zu einer Ver¬
ständigung mit uns bereit finden, um so besser.

Wir glauben indessen nicht, daß die eben eingeleitete Offensive schon eine
genügend starke Belastung der englischen Nerven darstellt, um es den Weg zum
Vergleich suchen zu lassen. Die Hoffnungen auf das Eingreifen Amerikas, auf die
unserer harrenden Schwierigkeiten in Rußland, auf die eignen Siege in Syrien
und Palästina, auf Japans Hilfe und auf die Haltung der skandinavischen Reiche
enthalten noch zuviel Stärkungsmittel, um damit die öffentliche Meinung irrezu¬
führen. Die an Landesverrat grenzende Veröffentlichung des Fürsten
Lichnowski stärkt sie überdies in ihrem Rechtsbewußtsein. Vom Standpunkt
der Briten aus gesehen, hat sich die Weltlage trotz der vier Friedens¬
schlüsse doch nicht so sichtbar zu unsern Gunsten verschoben, wie es notwendig
wäre, um die britische Regierung zur Vernunft zu bringen. Außerdem ist die
Tatsache nicht zu unterschätzen, daß Großbritannien noch immer in der Lage
ist, die überseeischen Verbindungen nach Osten, Afrika und Amerika aufrecht zu
erhalten und durch den Zusammenbruch Rußlands in seinen vorderasiatischen
Plänen politisch mindestens ebenso entlastet ist, wie wir militärisch an der Ostfront.
So scheint es sich zunächst um das Schicksal Persiens nicht bekümmern zu brauchen.
Dort ist der russische Rivale ausgeschieden und der mitteleuropäische hat noch
manche Schwierigkeiten zu überwinden, ehe er daselbst wirksam auftreten kann.
Für Englands Interessen in der Ostsee arbeitet Herr Branting mit wachsendem
Erfolge in Schweden. Die U-Bootgefahr ist zwar ein sehr ernster Faktor für die
Kriegführung der Entente geworden, doch wirkt sie solange nicht laeues, wie auf
Schiffsraumreserven aus neutralen Beständen zurückgegriffen werden kann, ohne sich
die aktive Feindschaft bisher neutraler Staaten zuzuziehen. Der Schiffsraub in
Holland, der Vertrag mit Schweden wegen llbtrlassung von 400 000 Tonnen
Schiffsraum stellen sich als Inangriffnahme der letzten dieser Reserven dar. Ehe
sie nicht verbraucht sein werden und ehe die Entente nicht ausschließlich auf Neu¬
bauten angewiesen sein wird, um die durch unsere U-Boote gerissenen Lücken
auszufüllen, wird die U-Bootgefahr für England noch zu ertragen sein. Sie
bedeuten eine Kriegsverlängerung zur See von rund drei Monaten, wenn man
in Anrechnung bringt, daß sich der verfügbare Schiffsraum der Entente monatlich
um rund 200 000 Tons verringert. Selbst der Verlust der flandrischen Küste
wäre noch kein Grund das Spiel verloren zu geben, einfach, weil das englische,
seit Jahrhunderten für den Uberseegedanken erzogene Volk den Verlust auf dem
Festlande nicht so drückend empfinden würde, daß er ihm auf die Nerven fiele.
Die endgültige Sperrung der Straße von Gibraltar durch die Mittemächie würde
moralisch weit schwerer wirken.

Wir haben alle diese Faktoren etwas schärfer in den Vordergrund gestellt,
als eS sonst in unserer Kriegspublizistik üblich ist. um damit die Linien aufzu¬
zeigen, in denen sich die Ideen der englischen Staatsmänner bei Aufrechterhaltung
ihrer Kriegspolitik bewegen. Sehen wir klar bezüglich der englischen Gedanken¬
gänge, so bleiben wir am ehesten vor Überraschungen bewahrt, wie sie jüngst erst
die Entente-Genossen erlebten, als unsere Bundesgenossen von der Donau plötzlich
an unserer Seite auf den Schlachtfeldern des Westens erschienen. Bleiben wir
uns bewußt, daß zur Erschütterung der britischen Oberherrschaft über die Erde
Zeit gehört und darum auch geduldige Festigkeit des Wollens, so brauchen wir
einen Sieg der Briten nicht mehr zu fürchten. Denn ihrer bereits bedrohten
Weltstellung steht unsere im Kriege fester und geschlossner gewordene Kontinental-


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[0015] Auf dem N?ege zum Frieden Der Krieg wird auf der See entschieden werden. Der Ausgang der bevor¬ stehenden Auseinandersetzung über die Seeherrschaft wird die bis dahin getätigten Grenzverschiebungen und Friedensschlüsse bestätigen oder rückgängig machen. Alles was bis dahin geschieht zu Wasser und zu Lande, ist nur die Vorbereitung für die Entscheidung zur See. Wer für die Niederwerfung Britanniens wirkt und wie wir einzig von dieser den Weltfrieden erhoffen kann, muß sich dessen bewußt sein. Solcher Alternative mit Ruhe entgegensehen, ist eine Nervensache. Sollte England vor dem letzten Wassergange die Flagge streichen und sich zu einer Ver¬ ständigung mit uns bereit finden, um so besser. Wir glauben indessen nicht, daß die eben eingeleitete Offensive schon eine genügend starke Belastung der englischen Nerven darstellt, um es den Weg zum Vergleich suchen zu lassen. Die Hoffnungen auf das Eingreifen Amerikas, auf die unserer harrenden Schwierigkeiten in Rußland, auf die eignen Siege in Syrien und Palästina, auf Japans Hilfe und auf die Haltung der skandinavischen Reiche enthalten noch zuviel Stärkungsmittel, um damit die öffentliche Meinung irrezu¬ führen. Die an Landesverrat grenzende Veröffentlichung des Fürsten Lichnowski stärkt sie überdies in ihrem Rechtsbewußtsein. Vom Standpunkt der Briten aus gesehen, hat sich die Weltlage trotz der vier Friedens¬ schlüsse doch nicht so sichtbar zu unsern Gunsten verschoben, wie es notwendig wäre, um die britische Regierung zur Vernunft zu bringen. Außerdem ist die Tatsache nicht zu unterschätzen, daß Großbritannien noch immer in der Lage ist, die überseeischen Verbindungen nach Osten, Afrika und Amerika aufrecht zu erhalten und durch den Zusammenbruch Rußlands in seinen vorderasiatischen Plänen politisch mindestens ebenso entlastet ist, wie wir militärisch an der Ostfront. So scheint es sich zunächst um das Schicksal Persiens nicht bekümmern zu brauchen. Dort ist der russische Rivale ausgeschieden und der mitteleuropäische hat noch manche Schwierigkeiten zu überwinden, ehe er daselbst wirksam auftreten kann. Für Englands Interessen in der Ostsee arbeitet Herr Branting mit wachsendem Erfolge in Schweden. Die U-Bootgefahr ist zwar ein sehr ernster Faktor für die Kriegführung der Entente geworden, doch wirkt sie solange nicht laeues, wie auf Schiffsraumreserven aus neutralen Beständen zurückgegriffen werden kann, ohne sich die aktive Feindschaft bisher neutraler Staaten zuzuziehen. Der Schiffsraub in Holland, der Vertrag mit Schweden wegen llbtrlassung von 400 000 Tonnen Schiffsraum stellen sich als Inangriffnahme der letzten dieser Reserven dar. Ehe sie nicht verbraucht sein werden und ehe die Entente nicht ausschließlich auf Neu¬ bauten angewiesen sein wird, um die durch unsere U-Boote gerissenen Lücken auszufüllen, wird die U-Bootgefahr für England noch zu ertragen sein. Sie bedeuten eine Kriegsverlängerung zur See von rund drei Monaten, wenn man in Anrechnung bringt, daß sich der verfügbare Schiffsraum der Entente monatlich um rund 200 000 Tons verringert. Selbst der Verlust der flandrischen Küste wäre noch kein Grund das Spiel verloren zu geben, einfach, weil das englische, seit Jahrhunderten für den Uberseegedanken erzogene Volk den Verlust auf dem Festlande nicht so drückend empfinden würde, daß er ihm auf die Nerven fiele. Die endgültige Sperrung der Straße von Gibraltar durch die Mittemächie würde moralisch weit schwerer wirken. Wir haben alle diese Faktoren etwas schärfer in den Vordergrund gestellt, als eS sonst in unserer Kriegspublizistik üblich ist. um damit die Linien aufzu¬ zeigen, in denen sich die Ideen der englischen Staatsmänner bei Aufrechterhaltung ihrer Kriegspolitik bewegen. Sehen wir klar bezüglich der englischen Gedanken¬ gänge, so bleiben wir am ehesten vor Überraschungen bewahrt, wie sie jüngst erst die Entente-Genossen erlebten, als unsere Bundesgenossen von der Donau plötzlich an unserer Seite auf den Schlachtfeldern des Westens erschienen. Bleiben wir uns bewußt, daß zur Erschütterung der britischen Oberherrschaft über die Erde Zeit gehört und darum auch geduldige Festigkeit des Wollens, so brauchen wir einen Sieg der Briten nicht mehr zu fürchten. Denn ihrer bereits bedrohten Weltstellung steht unsere im Kriege fester und geschlossner gewordene Kontinental- 1*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/15>, abgerufen am 03.07.2024.