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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Demobilisierung der weiblichen industriellen Armee

Demobilisierung der weiblichen industriellen Armee
Dr. Agnes Blühen von

abriefe necesse est; vivers neceZZe non est. Fabrizieren ist
notwendig; leben ist nickt notwendig. Diese Umwandlung erfuhr
das berühmte Wort des Pompeius vor Jahren durch einen Bericht¬
erstatter auf dem 14. Kongreß der Zentralstelle für Arbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen in Hagen i. W, Man sollte meinen, daß der
Krieg, d.er mit so mancher irrigen Vorstellung gründlich aufgeräumt
hat, uns auch den Weg hätte zurückfinden lassen zu der alten, durch die Geschichte
erhärteten Wahrheit, daß Dasein und Macht der Völker nicht in erster Linie von
ihren wirtschaftlichen Gütern, sondern von dem organischen Gut abhängig sind,
das in den einzelnen Volksgenossen verkörpert ist. Dem ist aber leider nicht so.
In dem vom Ausschuß für Kleinkinderfürsorge im Oktober 1917 in Frankfurt a. M.
abgehaltenen Lehrgang warnte ein Diskussionsredner im Interesse der Industrie
davor, die vorgeschlagenen Erziehungsbeiyilfen für kinderreiche Familien so hoch
zu bemessen, daß die Mütter zahlreicher Kinder es nicht nötig hätten auf Arbeit
zu gehen. Zwar heißt es in dem soeben erschienenen Bericht: "Der größte Teil
der Anwesenden stand aber auf den: Standpunkt, daß die Vertreter der Kinder¬
fürsorge iir diesem Punkt den Forderungen der Industrie uicht allzuweit entgegen¬
kommen dürfen". Es ist indessen zu fürchten, daß der betreffende Redner außer¬
halb der Frankfurter Versammlung viele Gesinnungsgenossen hat, die ihren nicht
zu unterschätzenden Einfluß bei der Gestaltung der Frauenarbeit in der Übergangs¬
zeit von den Kriegs- zu Friedensverhällmssen in seinem Sinne geltend machen
werden.

Den kinderreichen Müttern darf es nicht zu gut gehen' sie müssen auch in
Zukunft unter dem Zwange zu außerhäuslichem Verdienst verbleibenl Ein solcher
Ausspruch fällt in einer Zeit, in der das Wort "Bevölkerungspolitik" in jedermanns
Munde ist. Eng'beieinander wohnen die Gedanken; doch hart im Raume stoßen
sich die Sachen.

Ich kann es getrost dem Leser überlassen, sich ein Bild von der körperlichen,
sittlichen und seelischen Not kinderreicher Familien zu machen, in denen die Mutter
von früh bis spät außer dem Hause ist und die Kleinen der Pflege meist noch
schulpflichtiger älterer Geschwister überlassen muß. Wer Augen zu sehen hat, hat
es oft genug mitangesehen. Ich beschränke mich deshalb darauf, vom Standpunkt
des Nassenbiologen und Sozialhygienikers Einspruch zu erheben gegen einen der¬
artigen Raubbau am höchsten Gute der Nation.

Man hört des öfteren, daß die Bedeutung der Kriegsverluste für die Zukunft
unseres Volkes nicht zu hoch eingeschätzt werden dürfe, da die Erfahrung gezeigt
habe, daß die Geburtenziffer nach einem Kriege erheblich zu steigen pflegt; und
matt beruft sich im besonderen auf den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.
Man übersieht dabei, daß der damalige Krieg in eine Periode wachsender Ge-
burtenziffcru fiel, der heutige in eine solche mit absteigender Tendenz. Zwischen
beiden Kriegen liegt die Einbürgerung der willkürlichen Beschränkung der Kinder¬
zahl. Die wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriege werden diese trotz des
neuen Gesetzes zur Bekämpfung des Geburtenrückganges beträchtlich fördern. Auch der
Trost, durch weitere Herabminderung der Sterblichkeit einen Bevölkerungszuwachs
herbeiführen zu können, ist heute nur noch in sehr geringem Maße am Platze. Gegen
den Tod ist kein Kraut gewachsen. Dem Sinken der Sterblichkeitsziffer ist eine
natürliche Grenze gesteckt, der wir uns mit 15,8 vom Tausend der Einwohner im
Jahr 1V13 schon beträchtlich genähert haben. Setzt doch nach Otterberg bei einer
wachsenden Bevölkerung eine Sterbeziffer von 12 vom Tausend die "phantastische
Annahme einer durchschnittlich siebzigjährigen Lebensdauer" voraus. Eine ver¬
nünftige Bevölkerungspolitik muß deshalb' in erster Linie die Kindererzeugung,
wenn auch durchaus nicht wahllos, sondern unter Begünstigung der erblichen


Demobilisierung der weiblichen industriellen Armee

Demobilisierung der weiblichen industriellen Armee
Dr. Agnes Blühen von

abriefe necesse est; vivers neceZZe non est. Fabrizieren ist
notwendig; leben ist nickt notwendig. Diese Umwandlung erfuhr
das berühmte Wort des Pompeius vor Jahren durch einen Bericht¬
erstatter auf dem 14. Kongreß der Zentralstelle für Arbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen in Hagen i. W, Man sollte meinen, daß der
Krieg, d.er mit so mancher irrigen Vorstellung gründlich aufgeräumt
hat, uns auch den Weg hätte zurückfinden lassen zu der alten, durch die Geschichte
erhärteten Wahrheit, daß Dasein und Macht der Völker nicht in erster Linie von
ihren wirtschaftlichen Gütern, sondern von dem organischen Gut abhängig sind,
das in den einzelnen Volksgenossen verkörpert ist. Dem ist aber leider nicht so.
In dem vom Ausschuß für Kleinkinderfürsorge im Oktober 1917 in Frankfurt a. M.
abgehaltenen Lehrgang warnte ein Diskussionsredner im Interesse der Industrie
davor, die vorgeschlagenen Erziehungsbeiyilfen für kinderreiche Familien so hoch
zu bemessen, daß die Mütter zahlreicher Kinder es nicht nötig hätten auf Arbeit
zu gehen. Zwar heißt es in dem soeben erschienenen Bericht: „Der größte Teil
der Anwesenden stand aber auf den: Standpunkt, daß die Vertreter der Kinder¬
fürsorge iir diesem Punkt den Forderungen der Industrie uicht allzuweit entgegen¬
kommen dürfen". Es ist indessen zu fürchten, daß der betreffende Redner außer¬
halb der Frankfurter Versammlung viele Gesinnungsgenossen hat, die ihren nicht
zu unterschätzenden Einfluß bei der Gestaltung der Frauenarbeit in der Übergangs¬
zeit von den Kriegs- zu Friedensverhällmssen in seinem Sinne geltend machen
werden.

Den kinderreichen Müttern darf es nicht zu gut gehen' sie müssen auch in
Zukunft unter dem Zwange zu außerhäuslichem Verdienst verbleibenl Ein solcher
Ausspruch fällt in einer Zeit, in der das Wort „Bevölkerungspolitik" in jedermanns
Munde ist. Eng'beieinander wohnen die Gedanken; doch hart im Raume stoßen
sich die Sachen.

Ich kann es getrost dem Leser überlassen, sich ein Bild von der körperlichen,
sittlichen und seelischen Not kinderreicher Familien zu machen, in denen die Mutter
von früh bis spät außer dem Hause ist und die Kleinen der Pflege meist noch
schulpflichtiger älterer Geschwister überlassen muß. Wer Augen zu sehen hat, hat
es oft genug mitangesehen. Ich beschränke mich deshalb darauf, vom Standpunkt
des Nassenbiologen und Sozialhygienikers Einspruch zu erheben gegen einen der¬
artigen Raubbau am höchsten Gute der Nation.

Man hört des öfteren, daß die Bedeutung der Kriegsverluste für die Zukunft
unseres Volkes nicht zu hoch eingeschätzt werden dürfe, da die Erfahrung gezeigt
habe, daß die Geburtenziffer nach einem Kriege erheblich zu steigen pflegt; und
matt beruft sich im besonderen auf den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.
Man übersieht dabei, daß der damalige Krieg in eine Periode wachsender Ge-
burtenziffcru fiel, der heutige in eine solche mit absteigender Tendenz. Zwischen
beiden Kriegen liegt die Einbürgerung der willkürlichen Beschränkung der Kinder¬
zahl. Die wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriege werden diese trotz des
neuen Gesetzes zur Bekämpfung des Geburtenrückganges beträchtlich fördern. Auch der
Trost, durch weitere Herabminderung der Sterblichkeit einen Bevölkerungszuwachs
herbeiführen zu können, ist heute nur noch in sehr geringem Maße am Platze. Gegen
den Tod ist kein Kraut gewachsen. Dem Sinken der Sterblichkeitsziffer ist eine
natürliche Grenze gesteckt, der wir uns mit 15,8 vom Tausend der Einwohner im
Jahr 1V13 schon beträchtlich genähert haben. Setzt doch nach Otterberg bei einer
wachsenden Bevölkerung eine Sterbeziffer von 12 vom Tausend die „phantastische
Annahme einer durchschnittlich siebzigjährigen Lebensdauer" voraus. Eine ver¬
nünftige Bevölkerungspolitik muß deshalb' in erster Linie die Kindererzeugung,
wenn auch durchaus nicht wahllos, sondern unter Begünstigung der erblichen


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[0139] Demobilisierung der weiblichen industriellen Armee Demobilisierung der weiblichen industriellen Armee Dr. Agnes Blühen von abriefe necesse est; vivers neceZZe non est. Fabrizieren ist notwendig; leben ist nickt notwendig. Diese Umwandlung erfuhr das berühmte Wort des Pompeius vor Jahren durch einen Bericht¬ erstatter auf dem 14. Kongreß der Zentralstelle für Arbeiterwohl- fahrtseinrichtungen in Hagen i. W, Man sollte meinen, daß der Krieg, d.er mit so mancher irrigen Vorstellung gründlich aufgeräumt hat, uns auch den Weg hätte zurückfinden lassen zu der alten, durch die Geschichte erhärteten Wahrheit, daß Dasein und Macht der Völker nicht in erster Linie von ihren wirtschaftlichen Gütern, sondern von dem organischen Gut abhängig sind, das in den einzelnen Volksgenossen verkörpert ist. Dem ist aber leider nicht so. In dem vom Ausschuß für Kleinkinderfürsorge im Oktober 1917 in Frankfurt a. M. abgehaltenen Lehrgang warnte ein Diskussionsredner im Interesse der Industrie davor, die vorgeschlagenen Erziehungsbeiyilfen für kinderreiche Familien so hoch zu bemessen, daß die Mütter zahlreicher Kinder es nicht nötig hätten auf Arbeit zu gehen. Zwar heißt es in dem soeben erschienenen Bericht: „Der größte Teil der Anwesenden stand aber auf den: Standpunkt, daß die Vertreter der Kinder¬ fürsorge iir diesem Punkt den Forderungen der Industrie uicht allzuweit entgegen¬ kommen dürfen". Es ist indessen zu fürchten, daß der betreffende Redner außer¬ halb der Frankfurter Versammlung viele Gesinnungsgenossen hat, die ihren nicht zu unterschätzenden Einfluß bei der Gestaltung der Frauenarbeit in der Übergangs¬ zeit von den Kriegs- zu Friedensverhällmssen in seinem Sinne geltend machen werden. Den kinderreichen Müttern darf es nicht zu gut gehen' sie müssen auch in Zukunft unter dem Zwange zu außerhäuslichem Verdienst verbleibenl Ein solcher Ausspruch fällt in einer Zeit, in der das Wort „Bevölkerungspolitik" in jedermanns Munde ist. Eng'beieinander wohnen die Gedanken; doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Ich kann es getrost dem Leser überlassen, sich ein Bild von der körperlichen, sittlichen und seelischen Not kinderreicher Familien zu machen, in denen die Mutter von früh bis spät außer dem Hause ist und die Kleinen der Pflege meist noch schulpflichtiger älterer Geschwister überlassen muß. Wer Augen zu sehen hat, hat es oft genug mitangesehen. Ich beschränke mich deshalb darauf, vom Standpunkt des Nassenbiologen und Sozialhygienikers Einspruch zu erheben gegen einen der¬ artigen Raubbau am höchsten Gute der Nation. Man hört des öfteren, daß die Bedeutung der Kriegsverluste für die Zukunft unseres Volkes nicht zu hoch eingeschätzt werden dürfe, da die Erfahrung gezeigt habe, daß die Geburtenziffer nach einem Kriege erheblich zu steigen pflegt; und matt beruft sich im besonderen auf den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Man übersieht dabei, daß der damalige Krieg in eine Periode wachsender Ge- burtenziffcru fiel, der heutige in eine solche mit absteigender Tendenz. Zwischen beiden Kriegen liegt die Einbürgerung der willkürlichen Beschränkung der Kinder¬ zahl. Die wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriege werden diese trotz des neuen Gesetzes zur Bekämpfung des Geburtenrückganges beträchtlich fördern. Auch der Trost, durch weitere Herabminderung der Sterblichkeit einen Bevölkerungszuwachs herbeiführen zu können, ist heute nur noch in sehr geringem Maße am Platze. Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen. Dem Sinken der Sterblichkeitsziffer ist eine natürliche Grenze gesteckt, der wir uns mit 15,8 vom Tausend der Einwohner im Jahr 1V13 schon beträchtlich genähert haben. Setzt doch nach Otterberg bei einer wachsenden Bevölkerung eine Sterbeziffer von 12 vom Tausend die „phantastische Annahme einer durchschnittlich siebzigjährigen Lebensdauer" voraus. Eine ver¬ nünftige Bevölkerungspolitik muß deshalb' in erster Linie die Kindererzeugung, wenn auch durchaus nicht wahllos, sondern unter Begünstigung der erblichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/139>, abgerufen am 29.06.2024.