Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.Die Beratungen der Wahlrechtsrommission recht anzunehmen bereit sind, vor allem auch in der Provinz; sie kommen Mit diesen Worten schlägt Professor Kaufmann eine Saite an, die gerade in In der Tat, das Übergewicht, das, so wie die Dinge in der entscheidenden Phase Die Beratungen der Wahlrechtsrommission recht anzunehmen bereit sind, vor allem auch in der Provinz; sie kommen Mit diesen Worten schlägt Professor Kaufmann eine Saite an, die gerade in In der Tat, das Übergewicht, das, so wie die Dinge in der entscheidenden Phase <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333191"/> <fw type="header" place="top"> Die Beratungen der Wahlrechtsrommission</fw><lb/> <p xml:id="ID_309" prev="#ID_308"> recht anzunehmen bereit sind, vor allem auch in der Provinz; sie kommen<lb/> besonders wirkungsvoll in der „Kölnischen Zeitung" zu Wort. Daß selbst in den<lb/> rechtsstehenden Kreisen die Einsicht in die Unabwendbarkeit des gleichen Wahl<lb/> rechtes zu wachsen beginnt, darf man vielleicht aus einem Aufsatz des Berliner<lb/> Staatsrechtslehrers Erich Kaufmann, der sich durch sein Buch „Bismarcks Erbe<lb/> in der Reichsverfassung" ein starkes Ansehen in der konservativen Partei errungen<lb/> hat, in Ur. 1/2 der „Deutschen Juristenzeitung" schließen. Professor Kaufmann<lb/> gibt rückhaltlos zu, die Bewilligung des gleichen Wahlrechtes sei notwendig<lb/> gewesen, um den Daseinskampf, in dem wir uns befinden, siegreich durchführen<lb/> zu können. „Dies Wahlrecht ist heute für viele, auf deren weiteren Kriegswillen<lb/> und Opferbereitschaft wir angewiesen sind, eine Idee von ungeheuerer Suggestion,<lb/> ein Glaubensdogma und darum eine reale Macht, mit der in der augenblicklichen<lb/> Situation gerechnet werden muß. Alle innerpolitischen Werte sind gegenüber dem<lb/> Werte der staatlichen Selbstbehauptung relative Werte, die diesem unter Umständen,<lb/> wenn auch mit sorgenvollem Herzen geopfert werden müssen. Man wird die<lb/> theoretischen und ethischen Begründungen für das allgemeine gleiche Wahlrecht,<lb/> die die Regierung unternimmt, ablehnen und mit theoretischen und ethischen<lb/> Gegengründen abtun zu können glauben, und wird doch dies Wahlrecht augen¬<lb/> blicklich aus politischen Gründen rechtfertigen müssen; waren es doch auch nicht<lb/> theoretische und ethische, sondern lediglich politische Gründe, aus denen Bismarck<lb/> das Reichstagswahlrecht vorgeschlagen hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_310"> Mit diesen Worten schlägt Professor Kaufmann eine Saite an, die gerade in<lb/> der konservativen Partei einen starken Widerklang finden müßte. Man darf auch<lb/> hoffen, daß in den konservativen Herzen der starke Appell, den der stellvertretende<lb/> Ministerpräsident Dr. Friedberg in seiner Rede vom 6. Dezember an das konser¬<lb/> vative Gewissen gerichtet hat, mehr und mehr nachgewirkt hat: ebenso wichtig wie<lb/> der Schutz der Kronrechte, wie die Tatsache, daß man sich in Gefahr vor seinen<lb/> König stelle, ebenso wichtig sei es auch, daß man der Krone dazu verhelfe, ein<lb/> Wort, das sie gegeben hat, einzulösen.</p><lb/> <p xml:id="ID_311" next="#ID_312"> In der Tat, das Übergewicht, das, so wie die Dinge in der entscheidenden Phase<lb/> des Weltkrieges, nach dem feierlich gegebenen Worte des Trägers der Krone liegen,<lb/> zugunsten des gleichen Wahlrechtes in die Wagschale fällt, ist ein so entschiedenes,<lb/> daß jede neue Betrachtung immer wieder zu der Überzeugung von seiner Unver¬<lb/> meidlichkeit führt. Wünschen muß man, daß die noch immer aufstehende Ent¬<lb/> scheidung der Wahlrechtskommission über die Grundfrage, der doch weite Kreise<lb/> des preußischen Volkes, darunter die gesamte Arbeiterschaft, mit großer Un¬<lb/> geduld und Erregung entgegensehen, nicht zu lange hinausgeschoben wird; je<lb/> eher sie fällt — in einem Sinne fällt, der der Sehnsucht des Volkes nach<lb/> eigener voller Verantwortung für die Sache des Staates genug tut —, desto<lb/> besser wird es für den Willen des Volkes zum siegreichen Durchhalten sein.<lb/> Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß nicht eine sorgfältige Prüfung der<lb/> Regierungsvorlagen in der Wahlrechtskommission stattfinden könne und solle; eine<lb/> solche ist bei Vorlagen von so grundlegender oder wie sich der nationalliberale<lb/> Sprecher Dr. Lohmann ausdrückte, grundstürzender Bedeutung selbstverständlich.<lb/> Aber man sollte sich in der Kommission, nachdem schon mit allgemeinen Erör¬<lb/> terungen viel Zeit verloren ist, doch nicht erst lange mit Dingen befassen, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
Die Beratungen der Wahlrechtsrommission
recht anzunehmen bereit sind, vor allem auch in der Provinz; sie kommen
besonders wirkungsvoll in der „Kölnischen Zeitung" zu Wort. Daß selbst in den
rechtsstehenden Kreisen die Einsicht in die Unabwendbarkeit des gleichen Wahl
rechtes zu wachsen beginnt, darf man vielleicht aus einem Aufsatz des Berliner
Staatsrechtslehrers Erich Kaufmann, der sich durch sein Buch „Bismarcks Erbe
in der Reichsverfassung" ein starkes Ansehen in der konservativen Partei errungen
hat, in Ur. 1/2 der „Deutschen Juristenzeitung" schließen. Professor Kaufmann
gibt rückhaltlos zu, die Bewilligung des gleichen Wahlrechtes sei notwendig
gewesen, um den Daseinskampf, in dem wir uns befinden, siegreich durchführen
zu können. „Dies Wahlrecht ist heute für viele, auf deren weiteren Kriegswillen
und Opferbereitschaft wir angewiesen sind, eine Idee von ungeheuerer Suggestion,
ein Glaubensdogma und darum eine reale Macht, mit der in der augenblicklichen
Situation gerechnet werden muß. Alle innerpolitischen Werte sind gegenüber dem
Werte der staatlichen Selbstbehauptung relative Werte, die diesem unter Umständen,
wenn auch mit sorgenvollem Herzen geopfert werden müssen. Man wird die
theoretischen und ethischen Begründungen für das allgemeine gleiche Wahlrecht,
die die Regierung unternimmt, ablehnen und mit theoretischen und ethischen
Gegengründen abtun zu können glauben, und wird doch dies Wahlrecht augen¬
blicklich aus politischen Gründen rechtfertigen müssen; waren es doch auch nicht
theoretische und ethische, sondern lediglich politische Gründe, aus denen Bismarck
das Reichstagswahlrecht vorgeschlagen hat."
Mit diesen Worten schlägt Professor Kaufmann eine Saite an, die gerade in
der konservativen Partei einen starken Widerklang finden müßte. Man darf auch
hoffen, daß in den konservativen Herzen der starke Appell, den der stellvertretende
Ministerpräsident Dr. Friedberg in seiner Rede vom 6. Dezember an das konser¬
vative Gewissen gerichtet hat, mehr und mehr nachgewirkt hat: ebenso wichtig wie
der Schutz der Kronrechte, wie die Tatsache, daß man sich in Gefahr vor seinen
König stelle, ebenso wichtig sei es auch, daß man der Krone dazu verhelfe, ein
Wort, das sie gegeben hat, einzulösen.
In der Tat, das Übergewicht, das, so wie die Dinge in der entscheidenden Phase
des Weltkrieges, nach dem feierlich gegebenen Worte des Trägers der Krone liegen,
zugunsten des gleichen Wahlrechtes in die Wagschale fällt, ist ein so entschiedenes,
daß jede neue Betrachtung immer wieder zu der Überzeugung von seiner Unver¬
meidlichkeit führt. Wünschen muß man, daß die noch immer aufstehende Ent¬
scheidung der Wahlrechtskommission über die Grundfrage, der doch weite Kreise
des preußischen Volkes, darunter die gesamte Arbeiterschaft, mit großer Un¬
geduld und Erregung entgegensehen, nicht zu lange hinausgeschoben wird; je
eher sie fällt — in einem Sinne fällt, der der Sehnsucht des Volkes nach
eigener voller Verantwortung für die Sache des Staates genug tut —, desto
besser wird es für den Willen des Volkes zum siegreichen Durchhalten sein.
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß nicht eine sorgfältige Prüfung der
Regierungsvorlagen in der Wahlrechtskommission stattfinden könne und solle; eine
solche ist bei Vorlagen von so grundlegender oder wie sich der nationalliberale
Sprecher Dr. Lohmann ausdrückte, grundstürzender Bedeutung selbstverständlich.
Aber man sollte sich in der Kommission, nachdem schon mit allgemeinen Erör¬
terungen viel Zeit verloren ist, doch nicht erst lange mit Dingen befassen, die
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