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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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hätte seine Aufgabe erfüllt, wenn aus ihm, dem Zentrum des äußersten Drucks, der Friede
käme. Auch Kerenski war Sozialist; er wollte bewahren und zusammenhalten, darum ver"
sagte er. Äußerstes kommt nur aus Äußersten. Das gibt nach so vielen Seiten zu denken."

Was hier verherrlicht wird, ist ein Phantom. Die russischen Sozialisten
haben noch nichts geleistet, was die aufbauende Kraft des Sozialismus nachwiese.
Sie haben nur mit liberal-anarchischen Mitteln zerstört: nichts aufgebaut. Jetzt
sollen unsere Diplomaten ihnen überhaupt erst die Daseinsberechtigung schaffen.
Mögen unsere Unterhändler niemals auch nicht auf Sekunden vergessen, dasz
wir Deutsche der Beglückung durch den anarchischen Sozialismus der Russen gar
nicht bedürfen und daß unser Volk ihn auch nicht will. Wir haben ja selbst eine
Macht hervorgebracht, moralisch und physisch stark genug, breit im Bewußtsein
des Volkes gelagert, um unsere Zukunft sicherzustellen. Diese Macht ist unser
eigenartiges deutsches Staats- und Pflichtbewußtsein mit seinen starken konservativ¬
demokratischen, aber beileibe nicht anarchischen Elementen. Fiale nennt uns "unrein"
mit den Engländern und Franzosen auf einer Stufe, weil wir "von unserer
Gesellschaftsordnung retten wollen, was noch zu retten ist". Eine Gesellschafts¬
ordnung, die diesen Krieg überdauern konnte, ist doch noch nicht so morsch, daß
sie "gerettet" zu werden braucht. Ein Volk, das so für seinen Staat und seine
Nationalität eingetreten ist mit seinen besten Kräften, wird auch bereit sein, hinter
seine Unterhändler zu treten, die seine Interessen kraftvoll und zielbewußt vertreten.


G. Li.


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Die Frage, ob und wie das deutsche Volk durchhalten und die ganz außer¬
ordentlichen Aufgaben jeder Art nach dem Kriege meistern wird, ist nicht nur eine
Magen- und Wirtschaftsfrage, sondern weit mehr, als dem oberflächlichen Be¬
urteiler scheinen mag, eine Bildungs-, eine Erziehungsfrage im tiefsten Sinne.
Trotz der erstaunlichen Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes auf fast allen Ge-
bieten dürfen wir doch die Augen nicht davor verschließen, daß der Krieg Mi߬
stände und Gefahren in'den deutschen Lebensverhältnissen aufgedeckt hat. .die nur
durch eine zielbewußte, ganz umfassende Erziehungs- und Bildungsarbeit beseitigt
werden können. Ich erinnere nur an die unser ganzes Wirtschaftsleben -- trotz
der Herrschaft des sozialen Gedankens -- verunstaltende Selbstsucht weiter Volks¬
kreise, an den Wucher, an den politischen Zwiespalt, den Mangel an einheitlichem
Zielbewußtsein, kurz an den Mangel an staatsbürgerlicher Erkenntnis und an
staatsbürgerlichen Pflichtbewußtsein.


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hätte seine Aufgabe erfüllt, wenn aus ihm, dem Zentrum des äußersten Drucks, der Friede
käme. Auch Kerenski war Sozialist; er wollte bewahren und zusammenhalten, darum ver»
sagte er. Äußerstes kommt nur aus Äußersten. Das gibt nach so vielen Seiten zu denken."

Was hier verherrlicht wird, ist ein Phantom. Die russischen Sozialisten
haben noch nichts geleistet, was die aufbauende Kraft des Sozialismus nachwiese.
Sie haben nur mit liberal-anarchischen Mitteln zerstört: nichts aufgebaut. Jetzt
sollen unsere Diplomaten ihnen überhaupt erst die Daseinsberechtigung schaffen.
Mögen unsere Unterhändler niemals auch nicht auf Sekunden vergessen, dasz
wir Deutsche der Beglückung durch den anarchischen Sozialismus der Russen gar
nicht bedürfen und daß unser Volk ihn auch nicht will. Wir haben ja selbst eine
Macht hervorgebracht, moralisch und physisch stark genug, breit im Bewußtsein
des Volkes gelagert, um unsere Zukunft sicherzustellen. Diese Macht ist unser
eigenartiges deutsches Staats- und Pflichtbewußtsein mit seinen starken konservativ¬
demokratischen, aber beileibe nicht anarchischen Elementen. Fiale nennt uns „unrein"
mit den Engländern und Franzosen auf einer Stufe, weil wir „von unserer
Gesellschaftsordnung retten wollen, was noch zu retten ist". Eine Gesellschafts¬
ordnung, die diesen Krieg überdauern konnte, ist doch noch nicht so morsch, daß
sie „gerettet" zu werden braucht. Ein Volk, das so für seinen Staat und seine
Nationalität eingetreten ist mit seinen besten Kräften, wird auch bereit sein, hinter
seine Unterhändler zu treten, die seine Interessen kraftvoll und zielbewußt vertreten.


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Die Frage, ob und wie das deutsche Volk durchhalten und die ganz außer¬
ordentlichen Aufgaben jeder Art nach dem Kriege meistern wird, ist nicht nur eine
Magen- und Wirtschaftsfrage, sondern weit mehr, als dem oberflächlichen Be¬
urteiler scheinen mag, eine Bildungs-, eine Erziehungsfrage im tiefsten Sinne.
Trotz der erstaunlichen Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes auf fast allen Ge-
bieten dürfen wir doch die Augen nicht davor verschließen, daß der Krieg Mi߬
stände und Gefahren in'den deutschen Lebensverhältnissen aufgedeckt hat. .die nur
durch eine zielbewußte, ganz umfassende Erziehungs- und Bildungsarbeit beseitigt
werden können. Ich erinnere nur an die unser ganzes Wirtschaftsleben — trotz
der Herrschaft des sozialen Gedankens — verunstaltende Selbstsucht weiter Volks¬
kreise, an den Wucher, an den politischen Zwiespalt, den Mangel an einheitlichem
Zielbewußtsein, kurz an den Mangel an staatsbürgerlicher Erkenntnis und an
staatsbürgerlichen Pflichtbewußtsein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/41>, abgerufen am 22.07.2024.