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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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auf Frankreich. England und die Vereinigten Staaten werfend. Die objektive
Art, wie hier Werte und Schwächen der beiden Verwaltungssysteme erörtert werden,
sticht angenehm ab von der einseitig-tendenziösen Behandlung, die dem Gegen¬
stande unter Vorantritt von Preuß in einem Teile der Literatur zuteil wird und
bei der auf den (hier bezeichnenderweise "Obrigkeitsstaat" genannten) Beamten¬
staat aller Schatten fällt. Mit Recht betont Fleiner, daß seine Verwaltung "nach
sehr vielen Richtungen der des Volksstaates überlegen" ist. "Denn Planmäßigkeit,
methodisches Vorgehen, Sachkenntnis und Beherrschung der Verwaltungstechnik --,
diese Vorzüge muß das Beamtentum des Volksstaates sich erst im Amte unter
Überwindung von mancherlei Reibungen und ungünstigen Einflüssen von außen
aneignen und gelangt dabei häufig nicht über ein mittleres Matz der Fertigkeit
hinaus."

Innerlich verwandt mit der eben berührten Frage ist das anschließende
Thema Hermann Redens, des anderen leider früh verstorbenen Staatsrechtlers
der Rheinlands neben Laband, der allgemein "Das politische Wesen der deutschen
Monarchie" erörtert. Neben versucht unseres Wissens zum ersten Male eine
möglichst restlose Systematisierung des verfassungsrechtlichen Hauptproblems der
Gegenwart: parlamentarische oder monarchisch-konstitutionelle Regierung. Wenn
er formal zuweilen die allerdings verwirrende Fülle der Erscheinungen etwas
reichlich subsumiert und gliedert, sowie die souveräne Kürze der Gesetzcssprache
auf Kosten glatter Lesbarkeit kopiert, so wird doch inhaltlich den Dingen mit er¬
frischender Deutlichkeit ins Gesicht geschaut und zwar nach beiden Seiten. Es ist
noch nicht lange her, da mußte eine Lehre, die das Dogma vom monarchischen
Prinzip in seiner irrigen Auslegung (Vereinigung der gesamten Staatsgewalt im >
Herrscher, das Parlament nur an ihrer Ausübung beteiligt) bekämpfte, auf erheb¬
liche Widerstände auch in der wissenschaftlichen Theorie gefaßt sein (vgl. Meisner,
"Lehre vom monarchischen Prinzip", 1913), heute kann Neben rubi>z aussprechen,
daß "parlamentarische Nebenregierung, Muherrschaft auch in der Verwaltung, also
Teilung der Staatsgewalt zwischen den Staatsorganen, Herrscher und Parlament
bei uns miaute vorliegt". Aber auch der andere Teil darf ehrlicherweise nicht über
Zurücksetzung klagen, denn Neben zeigt, daß die deutschen Parlamente "heute mehr
Gewalt besitzen, als ihnen von Rechts wegen zukommt". Denn, obwohl ihnen
die Verfassung nur Teilnahme an der sogenannten Legislative zusichert, "besitzen
sie auch Einfluß auf die dem Staatsoberhaupt vorbehaltene Exekutive", die "weit¬
gehend im Sinne der Parteien geführt wird" (vgl. hierzu auch Delbnick "Bismarcks
Erbe", S. 97). Wenn Neben dann sagt, die deutscheu Verfassungen hätten "das
Problem, der Vereinigung von monarchischer Ordnung und völkischer Freiheit"
versucht, ein "Nebeneinander von Fürsten- und Volkssouveränität" gewollt, so ist
diese Forderung allerdings politisch-tatsächlich, wie man weiß, nicht erfüllt worden.
Die Entwicklung aber drängte dorthin und hat zurzeit wohl schon diesen Puukt
erreicht. Alles kommt darauf an. das Verhältnis der beiden Staatsorgane,
Herrscher und Volksvertretung, das ja durchaus dynamischer Natur ist. in jenem
Gleichgewichtszustände zu erhalten und eine extreme Löning der fortgesetzten
Spannung zu verhindern. Die Möglichkeit eines statischen Verfassungsrewtes im
monarchisch-konstitutionellen Staate, die man bisher gewöhnlich als praktisch un¬
durchführbar ablehnte, scheint doch zu bestehen. Wieder wiese dann die Linie der
Zukunft auf einen Mittelweg, auf die Synthese von Autorität und Freiheit, wie
sie Friedrich Julius Stahl -- der allerdings noch befangen in den Anschauungen
der konstitutionellen Kampf-und Werdezeit und darum im Grunde doch nicht ehr¬
lich -- lehrte. Oder wie Neben es ausdrückt: "Weder allein Monarchie, noch
allein Demokratie, sondern EinHerrschaft gemäßigt durch Demokratie und Volks¬
herrschaft gemäßigt durch Monarchie... Versassungs- und Königtum " Diese
"dauerhafteste Staatsform" besitzen die Deutschen uach Neben nicht nur in den
Einzelstaaten, sondern auch im Reich, wo "der Reichstag mit dem preußischen
Könige die Herrschaft teile", indem der Bundesrat "kein leitendes, sondern ein
verwaltendes Exekutivorgcm" darstellt und "der hündische Machtfaktor überhaupt


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auf Frankreich. England und die Vereinigten Staaten werfend. Die objektive
Art, wie hier Werte und Schwächen der beiden Verwaltungssysteme erörtert werden,
sticht angenehm ab von der einseitig-tendenziösen Behandlung, die dem Gegen¬
stande unter Vorantritt von Preuß in einem Teile der Literatur zuteil wird und
bei der auf den (hier bezeichnenderweise „Obrigkeitsstaat" genannten) Beamten¬
staat aller Schatten fällt. Mit Recht betont Fleiner, daß seine Verwaltung „nach
sehr vielen Richtungen der des Volksstaates überlegen" ist. „Denn Planmäßigkeit,
methodisches Vorgehen, Sachkenntnis und Beherrschung der Verwaltungstechnik —,
diese Vorzüge muß das Beamtentum des Volksstaates sich erst im Amte unter
Überwindung von mancherlei Reibungen und ungünstigen Einflüssen von außen
aneignen und gelangt dabei häufig nicht über ein mittleres Matz der Fertigkeit
hinaus."

Innerlich verwandt mit der eben berührten Frage ist das anschließende
Thema Hermann Redens, des anderen leider früh verstorbenen Staatsrechtlers
der Rheinlands neben Laband, der allgemein „Das politische Wesen der deutschen
Monarchie" erörtert. Neben versucht unseres Wissens zum ersten Male eine
möglichst restlose Systematisierung des verfassungsrechtlichen Hauptproblems der
Gegenwart: parlamentarische oder monarchisch-konstitutionelle Regierung. Wenn
er formal zuweilen die allerdings verwirrende Fülle der Erscheinungen etwas
reichlich subsumiert und gliedert, sowie die souveräne Kürze der Gesetzcssprache
auf Kosten glatter Lesbarkeit kopiert, so wird doch inhaltlich den Dingen mit er¬
frischender Deutlichkeit ins Gesicht geschaut und zwar nach beiden Seiten. Es ist
noch nicht lange her, da mußte eine Lehre, die das Dogma vom monarchischen
Prinzip in seiner irrigen Auslegung (Vereinigung der gesamten Staatsgewalt im >
Herrscher, das Parlament nur an ihrer Ausübung beteiligt) bekämpfte, auf erheb¬
liche Widerstände auch in der wissenschaftlichen Theorie gefaßt sein (vgl. Meisner,
„Lehre vom monarchischen Prinzip", 1913), heute kann Neben rubi>z aussprechen,
daß „parlamentarische Nebenregierung, Muherrschaft auch in der Verwaltung, also
Teilung der Staatsgewalt zwischen den Staatsorganen, Herrscher und Parlament
bei uns miaute vorliegt". Aber auch der andere Teil darf ehrlicherweise nicht über
Zurücksetzung klagen, denn Neben zeigt, daß die deutschen Parlamente „heute mehr
Gewalt besitzen, als ihnen von Rechts wegen zukommt". Denn, obwohl ihnen
die Verfassung nur Teilnahme an der sogenannten Legislative zusichert, „besitzen
sie auch Einfluß auf die dem Staatsoberhaupt vorbehaltene Exekutive", die „weit¬
gehend im Sinne der Parteien geführt wird" (vgl. hierzu auch Delbnick „Bismarcks
Erbe", S. 97). Wenn Neben dann sagt, die deutscheu Verfassungen hätten „das
Problem, der Vereinigung von monarchischer Ordnung und völkischer Freiheit"
versucht, ein „Nebeneinander von Fürsten- und Volkssouveränität" gewollt, so ist
diese Forderung allerdings politisch-tatsächlich, wie man weiß, nicht erfüllt worden.
Die Entwicklung aber drängte dorthin und hat zurzeit wohl schon diesen Puukt
erreicht. Alles kommt darauf an. das Verhältnis der beiden Staatsorgane,
Herrscher und Volksvertretung, das ja durchaus dynamischer Natur ist. in jenem
Gleichgewichtszustände zu erhalten und eine extreme Löning der fortgesetzten
Spannung zu verhindern. Die Möglichkeit eines statischen Verfassungsrewtes im
monarchisch-konstitutionellen Staate, die man bisher gewöhnlich als praktisch un¬
durchführbar ablehnte, scheint doch zu bestehen. Wieder wiese dann die Linie der
Zukunft auf einen Mittelweg, auf die Synthese von Autorität und Freiheit, wie
sie Friedrich Julius Stahl — der allerdings noch befangen in den Anschauungen
der konstitutionellen Kampf-und Werdezeit und darum im Grunde doch nicht ehr¬
lich — lehrte. Oder wie Neben es ausdrückt: „Weder allein Monarchie, noch
allein Demokratie, sondern EinHerrschaft gemäßigt durch Demokratie und Volks¬
herrschaft gemäßigt durch Monarchie... Versassungs- und Königtum " Diese
„dauerhafteste Staatsform" besitzen die Deutschen uach Neben nicht nur in den
Einzelstaaten, sondern auch im Reich, wo „der Reichstag mit dem preußischen
Könige die Herrschaft teile", indem der Bundesrat „kein leitendes, sondern ein
verwaltendes Exekutivorgcm" darstellt und „der hündische Machtfaktor überhaupt


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[0354] Neue Bücher auf Frankreich. England und die Vereinigten Staaten werfend. Die objektive Art, wie hier Werte und Schwächen der beiden Verwaltungssysteme erörtert werden, sticht angenehm ab von der einseitig-tendenziösen Behandlung, die dem Gegen¬ stande unter Vorantritt von Preuß in einem Teile der Literatur zuteil wird und bei der auf den (hier bezeichnenderweise „Obrigkeitsstaat" genannten) Beamten¬ staat aller Schatten fällt. Mit Recht betont Fleiner, daß seine Verwaltung „nach sehr vielen Richtungen der des Volksstaates überlegen" ist. „Denn Planmäßigkeit, methodisches Vorgehen, Sachkenntnis und Beherrschung der Verwaltungstechnik —, diese Vorzüge muß das Beamtentum des Volksstaates sich erst im Amte unter Überwindung von mancherlei Reibungen und ungünstigen Einflüssen von außen aneignen und gelangt dabei häufig nicht über ein mittleres Matz der Fertigkeit hinaus." Innerlich verwandt mit der eben berührten Frage ist das anschließende Thema Hermann Redens, des anderen leider früh verstorbenen Staatsrechtlers der Rheinlands neben Laband, der allgemein „Das politische Wesen der deutschen Monarchie" erörtert. Neben versucht unseres Wissens zum ersten Male eine möglichst restlose Systematisierung des verfassungsrechtlichen Hauptproblems der Gegenwart: parlamentarische oder monarchisch-konstitutionelle Regierung. Wenn er formal zuweilen die allerdings verwirrende Fülle der Erscheinungen etwas reichlich subsumiert und gliedert, sowie die souveräne Kürze der Gesetzcssprache auf Kosten glatter Lesbarkeit kopiert, so wird doch inhaltlich den Dingen mit er¬ frischender Deutlichkeit ins Gesicht geschaut und zwar nach beiden Seiten. Es ist noch nicht lange her, da mußte eine Lehre, die das Dogma vom monarchischen Prinzip in seiner irrigen Auslegung (Vereinigung der gesamten Staatsgewalt im > Herrscher, das Parlament nur an ihrer Ausübung beteiligt) bekämpfte, auf erheb¬ liche Widerstände auch in der wissenschaftlichen Theorie gefaßt sein (vgl. Meisner, „Lehre vom monarchischen Prinzip", 1913), heute kann Neben rubi>z aussprechen, daß „parlamentarische Nebenregierung, Muherrschaft auch in der Verwaltung, also Teilung der Staatsgewalt zwischen den Staatsorganen, Herrscher und Parlament bei uns miaute vorliegt". Aber auch der andere Teil darf ehrlicherweise nicht über Zurücksetzung klagen, denn Neben zeigt, daß die deutschen Parlamente „heute mehr Gewalt besitzen, als ihnen von Rechts wegen zukommt". Denn, obwohl ihnen die Verfassung nur Teilnahme an der sogenannten Legislative zusichert, „besitzen sie auch Einfluß auf die dem Staatsoberhaupt vorbehaltene Exekutive", die „weit¬ gehend im Sinne der Parteien geführt wird" (vgl. hierzu auch Delbnick „Bismarcks Erbe", S. 97). Wenn Neben dann sagt, die deutscheu Verfassungen hätten „das Problem, der Vereinigung von monarchischer Ordnung und völkischer Freiheit" versucht, ein „Nebeneinander von Fürsten- und Volkssouveränität" gewollt, so ist diese Forderung allerdings politisch-tatsächlich, wie man weiß, nicht erfüllt worden. Die Entwicklung aber drängte dorthin und hat zurzeit wohl schon diesen Puukt erreicht. Alles kommt darauf an. das Verhältnis der beiden Staatsorgane, Herrscher und Volksvertretung, das ja durchaus dynamischer Natur ist. in jenem Gleichgewichtszustände zu erhalten und eine extreme Löning der fortgesetzten Spannung zu verhindern. Die Möglichkeit eines statischen Verfassungsrewtes im monarchisch-konstitutionellen Staate, die man bisher gewöhnlich als praktisch un¬ durchführbar ablehnte, scheint doch zu bestehen. Wieder wiese dann die Linie der Zukunft auf einen Mittelweg, auf die Synthese von Autorität und Freiheit, wie sie Friedrich Julius Stahl — der allerdings noch befangen in den Anschauungen der konstitutionellen Kampf-und Werdezeit und darum im Grunde doch nicht ehr¬ lich — lehrte. Oder wie Neben es ausdrückt: „Weder allein Monarchie, noch allein Demokratie, sondern EinHerrschaft gemäßigt durch Demokratie und Volks¬ herrschaft gemäßigt durch Monarchie... Versassungs- und Königtum " Diese „dauerhafteste Staatsform" besitzen die Deutschen uach Neben nicht nur in den Einzelstaaten, sondern auch im Reich, wo „der Reichstag mit dem preußischen Könige die Herrschaft teile", indem der Bundesrat „kein leitendes, sondern ein verwaltendes Exekutivorgcm" darstellt und „der hündische Machtfaktor überhaupt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/354>, abgerufen am 01.10.2024.