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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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"Deutsche Zeitung" gegen den Abgeordneten Stresemann richtete, die "National¬
liberale Korrespondenz" festgestellt hatte, daß die altdeutsche Politik jede Fühlung
mit der nationalliberalen Partei verloren hat, und daß sie nichts weiter mehr ist
als ein reaktionär-konservatives Filialunternehmen, haben eine Reihe von national-
liberalen Abgeordneten (darunter auch Stresemann) formell ihren Austritt aus
dem Altdeutschen Verbände erklärt.*)

Auf konservativer Seite bedauert man, daß es zu einem engeren Zusammen¬
arbeiten mit den Nationalliberalen nicht gekommen ist und bekundet unverhohlene
Abneigung vor der Machtvermehrung des Zentrums, das durch das gleiche
Wahlrecht im Reiche und Preußen zur "ausschlaggebenden und stärksten Partei"
(Kreuzzeitung) werde; die "treuen Sekundanten" (s. oben) denken also über die
parlamentarische Mensur etwas anders.

Die augenblickliche Lage kennzeichnet sich also durch die "konservative Ein¬
samkeit" (o. Graefe), die durch das vor einer Woche besprochene Verhalten des
Vizekanzlers von Payer eine grelle Beleuchtung erfuhr. Die innerpolitische
Gewichtsverteilung ist jedoch eine labile; wie die "Mehrheit" auf Kompromissen
beruht, die mannigfache Gegensätze überbrücken sollen, so sind Überraschungen
und .Huhhändel". z. B. zwischen Zentrum (Kulturpolitik) und Konservativen
(Fideikommißgesetz), denkbar und vielleicht von der Regierung in Rechnung
W zu stellen. .




Neue Bücher

Festgabe für Otto Mayer. Zum siebzigsten Geburtstag dargebracht von
Freun, en, Verehrern und Schülern. M. März 1916. Tübingen, Mohr, 1916.

In den Jubiläumsschriften, die unsere Wissenschaft ihren großen Bahnbrechern
und Förderern zu widmen pflegt, sind durch die besondere Bestimmung oft Ab¬
handlungen dem äußeren Blicke entzogen, die wertvolles Gedankengut der je¬
weiligen Disziplin bergen. So auch hier bei der Ehrung Otto Mayers, dem die
junge Lehre des deutschen Verwaltungsrechtes ihre systematische Grundlegung und
Zusammenfassung dankt. Auch weitere Kreise dürfen auf diese wissenschaftliche.
Arbeit aufmerksam gemacht werden.

Die Reihe der Beiträge eröffnet Paul Lab and. selbst ein schon in dieser
Form geehrter Meister des Rechtes, mit einem knappen Abriß der "Verwaltung
Belgiens während der kriegerischen Besetzung", so wie sie sich bis zum Ende des
Jahres 1916 herausgebildet hat, ein auch der Praxis sehr zustatten kommendes
Orientierungsmittel für das zurzeit so akute Problem.

Sodann spricht ein Schweizer Jurist, Fritz Fleiner in Zürich, über das
Thema: "Beamtenstaat und Volksstaat", für jenen Deutschland, für diesen seine
eigene Heimat (genauer die Verwaltung der Einzelkcmtone, nicht die des Bundes,
die eine Mischform zeigt) als Paradigma hinstellend, daneben vergleichende Blicke



*) Nestlos vollzogen ist die Scheidung jedoch nicht, da andere No.ttonallioero.le
(z. B. Fuhrmann) dem Verbände nach wie vor angehören.
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„Deutsche Zeitung" gegen den Abgeordneten Stresemann richtete, die „National¬
liberale Korrespondenz" festgestellt hatte, daß die altdeutsche Politik jede Fühlung
mit der nationalliberalen Partei verloren hat, und daß sie nichts weiter mehr ist
als ein reaktionär-konservatives Filialunternehmen, haben eine Reihe von national-
liberalen Abgeordneten (darunter auch Stresemann) formell ihren Austritt aus
dem Altdeutschen Verbände erklärt.*)

Auf konservativer Seite bedauert man, daß es zu einem engeren Zusammen¬
arbeiten mit den Nationalliberalen nicht gekommen ist und bekundet unverhohlene
Abneigung vor der Machtvermehrung des Zentrums, das durch das gleiche
Wahlrecht im Reiche und Preußen zur „ausschlaggebenden und stärksten Partei"
(Kreuzzeitung) werde; die „treuen Sekundanten" (s. oben) denken also über die
parlamentarische Mensur etwas anders.

Die augenblickliche Lage kennzeichnet sich also durch die „konservative Ein¬
samkeit" (o. Graefe), die durch das vor einer Woche besprochene Verhalten des
Vizekanzlers von Payer eine grelle Beleuchtung erfuhr. Die innerpolitische
Gewichtsverteilung ist jedoch eine labile; wie die „Mehrheit" auf Kompromissen
beruht, die mannigfache Gegensätze überbrücken sollen, so sind Überraschungen
und .Huhhändel". z. B. zwischen Zentrum (Kulturpolitik) und Konservativen
(Fideikommißgesetz), denkbar und vielleicht von der Regierung in Rechnung
W zu stellen. .




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Festgabe für Otto Mayer. Zum siebzigsten Geburtstag dargebracht von
Freun, en, Verehrern und Schülern. M. März 1916. Tübingen, Mohr, 1916.

In den Jubiläumsschriften, die unsere Wissenschaft ihren großen Bahnbrechern
und Förderern zu widmen pflegt, sind durch die besondere Bestimmung oft Ab¬
handlungen dem äußeren Blicke entzogen, die wertvolles Gedankengut der je¬
weiligen Disziplin bergen. So auch hier bei der Ehrung Otto Mayers, dem die
junge Lehre des deutschen Verwaltungsrechtes ihre systematische Grundlegung und
Zusammenfassung dankt. Auch weitere Kreise dürfen auf diese wissenschaftliche.
Arbeit aufmerksam gemacht werden.

Die Reihe der Beiträge eröffnet Paul Lab and. selbst ein schon in dieser
Form geehrter Meister des Rechtes, mit einem knappen Abriß der „Verwaltung
Belgiens während der kriegerischen Besetzung", so wie sie sich bis zum Ende des
Jahres 1916 herausgebildet hat, ein auch der Praxis sehr zustatten kommendes
Orientierungsmittel für das zurzeit so akute Problem.

Sodann spricht ein Schweizer Jurist, Fritz Fleiner in Zürich, über das
Thema: „Beamtenstaat und Volksstaat", für jenen Deutschland, für diesen seine
eigene Heimat (genauer die Verwaltung der Einzelkcmtone, nicht die des Bundes,
die eine Mischform zeigt) als Paradigma hinstellend, daneben vergleichende Blicke



*) Nestlos vollzogen ist die Scheidung jedoch nicht, da andere No.ttonallioero.le
(z. B. Fuhrmann) dem Verbände nach wie vor angehören.
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[0353] Neue Bücher „Deutsche Zeitung" gegen den Abgeordneten Stresemann richtete, die „National¬ liberale Korrespondenz" festgestellt hatte, daß die altdeutsche Politik jede Fühlung mit der nationalliberalen Partei verloren hat, und daß sie nichts weiter mehr ist als ein reaktionär-konservatives Filialunternehmen, haben eine Reihe von national- liberalen Abgeordneten (darunter auch Stresemann) formell ihren Austritt aus dem Altdeutschen Verbände erklärt.*) Auf konservativer Seite bedauert man, daß es zu einem engeren Zusammen¬ arbeiten mit den Nationalliberalen nicht gekommen ist und bekundet unverhohlene Abneigung vor der Machtvermehrung des Zentrums, das durch das gleiche Wahlrecht im Reiche und Preußen zur „ausschlaggebenden und stärksten Partei" (Kreuzzeitung) werde; die „treuen Sekundanten" (s. oben) denken also über die parlamentarische Mensur etwas anders. Die augenblickliche Lage kennzeichnet sich also durch die „konservative Ein¬ samkeit" (o. Graefe), die durch das vor einer Woche besprochene Verhalten des Vizekanzlers von Payer eine grelle Beleuchtung erfuhr. Die innerpolitische Gewichtsverteilung ist jedoch eine labile; wie die „Mehrheit" auf Kompromissen beruht, die mannigfache Gegensätze überbrücken sollen, so sind Überraschungen und .Huhhändel". z. B. zwischen Zentrum (Kulturpolitik) und Konservativen (Fideikommißgesetz), denkbar und vielleicht von der Regierung in Rechnung W zu stellen. . Neue Bücher Festgabe für Otto Mayer. Zum siebzigsten Geburtstag dargebracht von Freun, en, Verehrern und Schülern. M. März 1916. Tübingen, Mohr, 1916. In den Jubiläumsschriften, die unsere Wissenschaft ihren großen Bahnbrechern und Förderern zu widmen pflegt, sind durch die besondere Bestimmung oft Ab¬ handlungen dem äußeren Blicke entzogen, die wertvolles Gedankengut der je¬ weiligen Disziplin bergen. So auch hier bei der Ehrung Otto Mayers, dem die junge Lehre des deutschen Verwaltungsrechtes ihre systematische Grundlegung und Zusammenfassung dankt. Auch weitere Kreise dürfen auf diese wissenschaftliche. Arbeit aufmerksam gemacht werden. Die Reihe der Beiträge eröffnet Paul Lab and. selbst ein schon in dieser Form geehrter Meister des Rechtes, mit einem knappen Abriß der „Verwaltung Belgiens während der kriegerischen Besetzung", so wie sie sich bis zum Ende des Jahres 1916 herausgebildet hat, ein auch der Praxis sehr zustatten kommendes Orientierungsmittel für das zurzeit so akute Problem. Sodann spricht ein Schweizer Jurist, Fritz Fleiner in Zürich, über das Thema: „Beamtenstaat und Volksstaat", für jenen Deutschland, für diesen seine eigene Heimat (genauer die Verwaltung der Einzelkcmtone, nicht die des Bundes, die eine Mischform zeigt) als Paradigma hinstellend, daneben vergleichende Blicke *) Nestlos vollzogen ist die Scheidung jedoch nicht, da andere No.ttonallioero.le (z. B. Fuhrmann) dem Verbände nach wie vor angehören.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/353>, abgerufen am 01.07.2024.