Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.Deutsche Flurbereinigung Wiederholte tatkräftig die Gedankengänge, die uns aus dem "Rheinischen Merkur" Zuerst leise, dann lauter und nachhaltiger aber werden gleichzeitig un links- Dem "zentralisierten konstitutionellen Einheitsstaat zu entgehen, schlagt die Seit Mitte August hatte sich 'der Bundeskanzler offen zur Notwendigkeit Deutsche Flurbereinigung Wiederholte tatkräftig die Gedankengänge, die uns aus dem „Rheinischen Merkur" Zuerst leise, dann lauter und nachhaltiger aber werden gleichzeitig un links- Dem „zentralisierten konstitutionellen Einheitsstaat zu entgehen, schlagt die Seit Mitte August hatte sich 'der Bundeskanzler offen zur Notwendigkeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333408"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Flurbereinigung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1149" prev="#ID_1148"> Wiederholte tatkräftig die Gedankengänge, die uns aus dem „Rheinischen Merkur"<lb/> von 1815 geläufig sind: „Es muß nicht nur wie bisher Preußens edelste Pflicht<lb/> bleiben, der Hort Deutschlands zu sein, es muß auch sein eigenstes Interesse darin<lb/> finden. Übergebt also das deutsche Tor dem Torwart, der stark genug ist. es zu<lb/> behaupten." Und mit all seinem gewaltigen Pathos mahnte Heinrich von TreUschke<lb/> aus Heidelberg: „Wer diese große Zeit versteht, der darf nicht wollen daß an<lb/> die Stelle des'preußisch-österreichischen Dualismus ein preußisch-bayerischer trete,<lb/> daß Baden und Württemberg haltlos zwischen Preußen und Bayern emher-<lb/> schwcmken." — „Wer ist stark' genug," fragt er. „diese verlorenen Lande zu be¬<lb/> herrschen und durch heilsame Zucht dem deutschen Leben wiederzugewinnen?<lb/> Preußen, allein Preußen I Dem Deutschen Reiche aber wird es zum Heile ge¬<lb/> wichen, wenn die führende Macht in ihrem eigenen Hause süddeutsche Eigenart<lb/> Zu würdigen lernt, und wenn der preußische Staat alle Gegensatze des deutschen<lb/> Lebens in sich einschließt und versöhnt." ^ ^ . , ^ ... r- °-</p><lb/> <p xml:id="ID_1150"> Zuerst leise, dann lauter und nachhaltiger aber werden gleichzeitig un links-<lb/> liberalen Lager Stimmen laut, die Elsaß und Lothringen nicht dem Polizcistacit<lb/> Preußen ..mit dem preußischen Herrenhause, mit Eulenburgscher Landratsver-<lb/> waltung und mit anderen dergleichen schönen Dingen" ausliefern wollen Sie<lb/> hoffen im Gegenteil, daß die neu erworbenen Länder ein „liberaler Musterstaat"<lb/> werden." Mit dem Rufe nach „Kaiser". ..Reich" und „Reichstag" klingt als em<lb/> Erbteil der deutschen Revolution immer lauter und voller die Forderung noch<lb/> einem ..Reichsland" in der Erörterung wieder. Hatten doch die unitarischen<lb/> Theorien von 1848 zeitweise nicht nur die ..Jnunediati fierung der Kleinstaaten,<lb/> insbesondere Thüringens, sondern auch die Auflosung Preußens alö der Haus-<lb/> wacht des künftigen Kaisers in Reichsprovinzen gefordert! Und in merwurdigem<lb/> Zusammenfiel kommen gleichzeitig auch die Führer der konservativen Publizistik<lb/> M gleicher Forderung. Wie die Nationalliberalen erwarten ste von den demo-<lb/> ratischen Kräften Elsaß und Lothringens eine Lockerung des al preußischen, kon¬<lb/> servativen Staatsgefüges und suchen daher nach anderem Ausgleich. ^"</p><lb/> <p xml:id="ID_1151"> Dem „zentralisierten konstitutionellen Einheitsstaat zu entgehen, schlagt die<lb/> ..KreuzMtung" als die einzig mögliche Lösung der ^narung von Elsaß und Lothringen als freies derttsches Reichsgebiet" vor. Die<lb/> Einnahmeüberschüsse, meint sie. würden in die Bundeskasse fließen d,e Militärischen<lb/> Besatzungen aus allen Bundesgebieten zu stellen em Die Oberbeamwi der<lb/> Zwilverwaltung würden in der ersten Zeit aus den bisherigen deutschen Staaten<lb/> hervorgehen, während man später diese Stellen auch Elsaß Lothringern zugänglich<lb/> wachen könnte. Überaus wichtig aber sind diese konservativen Anschauungen von<lb/> der staatsrechtlichen Zukunft der neu erworbenen Gebiete deshalb, weil ihren<lb/> Grundzügen Bismarck bereits im Frühherbst 1«?" "n Briefwechsel mit dem ehe-<lb/> "ougen preußischen Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel zustimmte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1152"> Seit Mitte August hatte sich 'der Bundeskanzler offen zur Notwendigkeit<lb/> bekannt. Elsaß und Deutsch-Lothringen dauernd nut dem werdenden deutichen<lb/> Aundesstoat zu verewigen. Zuerst in diplomatischen Noten nach Petersburg uno<lb/> ^ndon. dann der breiten europäischen Öffentlichkeit gegenüber betonte er ,edochdamals und später, daß die Notwendigkeit, Frankreich seine Angriffsbastlonen<lb/> Segen Deutschland zu nehmen und so den europäischen Frieden zu sichern, derausschlaggebende Grund sei. Nur als Unterstimmung Key er sich von den natio¬<lb/> nalen Forderungen tragen, die die verlorenen Lande am Oberrhein als dauerndes<lb/> Pfand der Sicherheit von Kaiser und Reich heisesten. Em Stuck dieser natio-<lb/> nalen Sehnsucht aber schien Bismarck zu verwirklichen, als er gleichzeitig in den<lb/> Verhandlungen mit den deutschen Bundesstaaten Elsaß und Lothringen als „Reichs-<lb/> U"d" in gemeinsamer Verwaltung der verbündeten Fürsten und Städte zum<lb/> Wundstem der Reichsgründung machte. Wie in den publizistischen Planen eures<lb/> ^orres und Arndt im Jahre 1815 überwölbte der neue Begriff des Gesamtbesitzes°Ac einseitigen dynastischen und partikularistischen Gedanken.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0311]
Deutsche Flurbereinigung
Wiederholte tatkräftig die Gedankengänge, die uns aus dem „Rheinischen Merkur"
von 1815 geläufig sind: „Es muß nicht nur wie bisher Preußens edelste Pflicht
bleiben, der Hort Deutschlands zu sein, es muß auch sein eigenstes Interesse darin
finden. Übergebt also das deutsche Tor dem Torwart, der stark genug ist. es zu
behaupten." Und mit all seinem gewaltigen Pathos mahnte Heinrich von TreUschke
aus Heidelberg: „Wer diese große Zeit versteht, der darf nicht wollen daß an
die Stelle des'preußisch-österreichischen Dualismus ein preußisch-bayerischer trete,
daß Baden und Württemberg haltlos zwischen Preußen und Bayern emher-
schwcmken." — „Wer ist stark' genug," fragt er. „diese verlorenen Lande zu be¬
herrschen und durch heilsame Zucht dem deutschen Leben wiederzugewinnen?
Preußen, allein Preußen I Dem Deutschen Reiche aber wird es zum Heile ge¬
wichen, wenn die führende Macht in ihrem eigenen Hause süddeutsche Eigenart
Zu würdigen lernt, und wenn der preußische Staat alle Gegensatze des deutschen
Lebens in sich einschließt und versöhnt." ^ ^ . , ^ ... r- °-
Zuerst leise, dann lauter und nachhaltiger aber werden gleichzeitig un links-
liberalen Lager Stimmen laut, die Elsaß und Lothringen nicht dem Polizcistacit
Preußen ..mit dem preußischen Herrenhause, mit Eulenburgscher Landratsver-
waltung und mit anderen dergleichen schönen Dingen" ausliefern wollen Sie
hoffen im Gegenteil, daß die neu erworbenen Länder ein „liberaler Musterstaat"
werden." Mit dem Rufe nach „Kaiser". ..Reich" und „Reichstag" klingt als em
Erbteil der deutschen Revolution immer lauter und voller die Forderung noch
einem ..Reichsland" in der Erörterung wieder. Hatten doch die unitarischen
Theorien von 1848 zeitweise nicht nur die ..Jnunediati fierung der Kleinstaaten,
insbesondere Thüringens, sondern auch die Auflosung Preußens alö der Haus-
wacht des künftigen Kaisers in Reichsprovinzen gefordert! Und in merwurdigem
Zusammenfiel kommen gleichzeitig auch die Führer der konservativen Publizistik
M gleicher Forderung. Wie die Nationalliberalen erwarten ste von den demo-
ratischen Kräften Elsaß und Lothringens eine Lockerung des al preußischen, kon¬
servativen Staatsgefüges und suchen daher nach anderem Ausgleich. ^"
Dem „zentralisierten konstitutionellen Einheitsstaat zu entgehen, schlagt die
..KreuzMtung" als die einzig mögliche Lösung der ^narung von Elsaß und Lothringen als freies derttsches Reichsgebiet" vor. Die
Einnahmeüberschüsse, meint sie. würden in die Bundeskasse fließen d,e Militärischen
Besatzungen aus allen Bundesgebieten zu stellen em Die Oberbeamwi der
Zwilverwaltung würden in der ersten Zeit aus den bisherigen deutschen Staaten
hervorgehen, während man später diese Stellen auch Elsaß Lothringern zugänglich
wachen könnte. Überaus wichtig aber sind diese konservativen Anschauungen von
der staatsrechtlichen Zukunft der neu erworbenen Gebiete deshalb, weil ihren
Grundzügen Bismarck bereits im Frühherbst 1«?" "n Briefwechsel mit dem ehe-
"ougen preußischen Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel zustimmte.
Seit Mitte August hatte sich 'der Bundeskanzler offen zur Notwendigkeit
bekannt. Elsaß und Deutsch-Lothringen dauernd nut dem werdenden deutichen
Aundesstoat zu verewigen. Zuerst in diplomatischen Noten nach Petersburg uno
^ndon. dann der breiten europäischen Öffentlichkeit gegenüber betonte er ,edochdamals und später, daß die Notwendigkeit, Frankreich seine Angriffsbastlonen
Segen Deutschland zu nehmen und so den europäischen Frieden zu sichern, derausschlaggebende Grund sei. Nur als Unterstimmung Key er sich von den natio¬
nalen Forderungen tragen, die die verlorenen Lande am Oberrhein als dauerndes
Pfand der Sicherheit von Kaiser und Reich heisesten. Em Stuck dieser natio-
nalen Sehnsucht aber schien Bismarck zu verwirklichen, als er gleichzeitig in den
Verhandlungen mit den deutschen Bundesstaaten Elsaß und Lothringen als „Reichs-
U"d" in gemeinsamer Verwaltung der verbündeten Fürsten und Städte zum
Wundstem der Reichsgründung machte. Wie in den publizistischen Planen eures
^orres und Arndt im Jahre 1815 überwölbte der neue Begriff des Gesamtbesitzes°Ac einseitigen dynastischen und partikularistischen Gedanken.
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