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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Flurbereinigung

Wundervoll erfüllte sich, wie ich vor längerer Zeit schon ausführlich, er¬
örterte/) die Hoffnung, die deutsche Zeitungen bereits am 10. August 1870 ver¬
kündet hatten:

"Der, welcher diesen Krieg siegreich zu Ende führt und Elsaß-Lothringen
wieder zu Deuschland bringt, soll deutscher Kaiser sein." Als Vismarck die Eifer¬
sucht der Dynastien durch diese Lockung mit der Jnhabergemeinschaft von den neu¬
erworbenen Ländern bannte, fügte er gleichzeitig all die verschiedenen Fäden, die
die Jdeengeschichte der deutschen Einheitsbewegung von 1815 her durchzogen, zu
einheitlichem Wirken zusammen. Wer die Schöpfung des "Reichslandes" als ein
Werk der ganzen Nation, der Parteien und Stämme, wertet, wird die üblich
gewordene Bezeichnung als "Verlegenheitsschöpfung" aufs schärfste ablehnen müssen.

Nur ungern und zögernd aber, das wird heute zu leicht -- zum Teil wohl
gar absichtlich! -- vergessen, haben Bundesrat und Reichstag im Jahre 1871 der
neuen staatsrechtlichen Zwitterbildung zugestimmt. Die Erklärung, daß "die Inter¬
essen des Reiches und Preußens in Elsaß und Lothringen durchaus identisch" seien,
fand in den Beratungen der Verbündeten Regierungen keinen Widerspruch. "Die
übrigen Glieder des Reiches", so erklärte offen der Vertreter Württembergs,
würden nicht glauben, beeinträchtigt zu sein und würden den mit Deutschland
wieder vereinigten Gebieten nicht ferner stehen, wenn Preußen statt als Mandatar
des Reiches, kraft eigenen Rechts die Souveränität über Elsaß und Lothringen
übernähme". Nur die Feststellung Bismarcks, den "Gedanken, aus Elsaß und
Lothringen ein staatliches Gebilde zu schaffen, habe er nicht, und der Begriff eines
Reichslandes sei mit dem eines selbständigen Staatswesens nicht kongruent",
beschwichtigte im Ausschuß des Reichstages die Bedenken derer, die in der
Schöpfung des "Reichslandes" bereits damals den "Triumph des Föderalismus"
erblicken wollten.

Auf den endlich errungenen Besitz legten die Völker gemeinhin längst nicht
mehr dasselbe Gewicht wie auf das, was sie erhoffen und wünschen. So sinkt
auch das "Reichsland" seit 1870 immer tiefer in der Wertschätzung des deutschen
Volkes herab. Als Bismarck 1873 den großen Umschwung in der Reichspolitik
von der Seite der Nationalliberalen zum Bündnis mit Konservativen und Zentrum
vollzog, wurden auch die Fäden, die bis dahin Elsaß und Lothringen doch noch
in die Obhut Preußens und damit in festere und staatliche Verbindung mit dem
Reiche zu führen schienen, jäh durchschnitten. Die Notwendigkeit, das neue
Bündnis mit Österreich-Ungarn nicht mit den Nevancheforderungen Frankreichs
zu belasten, ließ eine Versöhnungspolitik im Westen aufkeimen,' die. wie ihr
Widerspiel, der RückVersicherungsvertrag mit Rußland, zu immer neuen Zugeständ¬
nissen zwang. Üppig durfte sich unter ihrem Schutze die Notabelnwirtschaft im
"Reichsland" entwickeln. Und am übelsten war, daß das demokratische Ideal der
"Selbstbestimmung" und der "Autonomie", widerlich verzerrt im elsaß-lothringischen
Nationalismus, nicht nur bei den Doktrinären der Linken, sondern vor allem auch
bei den förderativen und konservativen Parteien hin Reich und in Preußen, auf
die der Reichskanzler sich fortan stützte, gehegt und gepflegt wurde. So kam es.
daß die sogenannte "Versassungsreform" von 1911 endlich die unitarischen
Klammern, die in der Jdeengeschichte der deutschen Einheitsbewegung Reich und
Reichsland verbinden, bis auf wenige Reste löste. Nur drei Hauptpunkte bestehen
noch: als Organ des Reiches, nicht als Landesherr, übt der Kaiser die Staats¬
gewalt aus. Ernennung und Entlassung des Statthalters müssen vom Reichs-
kanzler gegengezeichnet werden. Vor allem ist das Verfassungsgesetz für Elsaß-
Lothringen ein Reichsgesetz und kann nicht durch einen Akt der Landesgesetz'
gebung geändert werden.

Wie wenig jedoch diese äußeren Sicherungen den inneren Zusammenhang
des "Reichslandes" mit dem Reich gewährleisten, haben auch die Erfahrungen



*) "Zur Entstehungsgeschichte des Neichslandes Elsaß-Lothringen" (Süddeutsche Monats¬
hefte. Mai 1911).
Deutsche Flurbereinigung

Wundervoll erfüllte sich, wie ich vor längerer Zeit schon ausführlich, er¬
örterte/) die Hoffnung, die deutsche Zeitungen bereits am 10. August 1870 ver¬
kündet hatten:

„Der, welcher diesen Krieg siegreich zu Ende führt und Elsaß-Lothringen
wieder zu Deuschland bringt, soll deutscher Kaiser sein." Als Vismarck die Eifer¬
sucht der Dynastien durch diese Lockung mit der Jnhabergemeinschaft von den neu¬
erworbenen Ländern bannte, fügte er gleichzeitig all die verschiedenen Fäden, die
die Jdeengeschichte der deutschen Einheitsbewegung von 1815 her durchzogen, zu
einheitlichem Wirken zusammen. Wer die Schöpfung des „Reichslandes" als ein
Werk der ganzen Nation, der Parteien und Stämme, wertet, wird die üblich
gewordene Bezeichnung als „Verlegenheitsschöpfung" aufs schärfste ablehnen müssen.

Nur ungern und zögernd aber, das wird heute zu leicht — zum Teil wohl
gar absichtlich! — vergessen, haben Bundesrat und Reichstag im Jahre 1871 der
neuen staatsrechtlichen Zwitterbildung zugestimmt. Die Erklärung, daß „die Inter¬
essen des Reiches und Preußens in Elsaß und Lothringen durchaus identisch" seien,
fand in den Beratungen der Verbündeten Regierungen keinen Widerspruch. „Die
übrigen Glieder des Reiches", so erklärte offen der Vertreter Württembergs,
würden nicht glauben, beeinträchtigt zu sein und würden den mit Deutschland
wieder vereinigten Gebieten nicht ferner stehen, wenn Preußen statt als Mandatar
des Reiches, kraft eigenen Rechts die Souveränität über Elsaß und Lothringen
übernähme". Nur die Feststellung Bismarcks, den „Gedanken, aus Elsaß und
Lothringen ein staatliches Gebilde zu schaffen, habe er nicht, und der Begriff eines
Reichslandes sei mit dem eines selbständigen Staatswesens nicht kongruent",
beschwichtigte im Ausschuß des Reichstages die Bedenken derer, die in der
Schöpfung des „Reichslandes" bereits damals den „Triumph des Föderalismus"
erblicken wollten.

Auf den endlich errungenen Besitz legten die Völker gemeinhin längst nicht
mehr dasselbe Gewicht wie auf das, was sie erhoffen und wünschen. So sinkt
auch das „Reichsland" seit 1870 immer tiefer in der Wertschätzung des deutschen
Volkes herab. Als Bismarck 1873 den großen Umschwung in der Reichspolitik
von der Seite der Nationalliberalen zum Bündnis mit Konservativen und Zentrum
vollzog, wurden auch die Fäden, die bis dahin Elsaß und Lothringen doch noch
in die Obhut Preußens und damit in festere und staatliche Verbindung mit dem
Reiche zu führen schienen, jäh durchschnitten. Die Notwendigkeit, das neue
Bündnis mit Österreich-Ungarn nicht mit den Nevancheforderungen Frankreichs
zu belasten, ließ eine Versöhnungspolitik im Westen aufkeimen,' die. wie ihr
Widerspiel, der RückVersicherungsvertrag mit Rußland, zu immer neuen Zugeständ¬
nissen zwang. Üppig durfte sich unter ihrem Schutze die Notabelnwirtschaft im
„Reichsland" entwickeln. Und am übelsten war, daß das demokratische Ideal der
„Selbstbestimmung" und der „Autonomie", widerlich verzerrt im elsaß-lothringischen
Nationalismus, nicht nur bei den Doktrinären der Linken, sondern vor allem auch
bei den förderativen und konservativen Parteien hin Reich und in Preußen, auf
die der Reichskanzler sich fortan stützte, gehegt und gepflegt wurde. So kam es.
daß die sogenannte „Versassungsreform" von 1911 endlich die unitarischen
Klammern, die in der Jdeengeschichte der deutschen Einheitsbewegung Reich und
Reichsland verbinden, bis auf wenige Reste löste. Nur drei Hauptpunkte bestehen
noch: als Organ des Reiches, nicht als Landesherr, übt der Kaiser die Staats¬
gewalt aus. Ernennung und Entlassung des Statthalters müssen vom Reichs-
kanzler gegengezeichnet werden. Vor allem ist das Verfassungsgesetz für Elsaß-
Lothringen ein Reichsgesetz und kann nicht durch einen Akt der Landesgesetz'
gebung geändert werden.

Wie wenig jedoch diese äußeren Sicherungen den inneren Zusammenhang
des „Reichslandes" mit dem Reich gewährleisten, haben auch die Erfahrungen



*) „Zur Entstehungsgeschichte des Neichslandes Elsaß-Lothringen" (Süddeutsche Monats¬
hefte. Mai 1911).
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[0312] Deutsche Flurbereinigung Wundervoll erfüllte sich, wie ich vor längerer Zeit schon ausführlich, er¬ örterte/) die Hoffnung, die deutsche Zeitungen bereits am 10. August 1870 ver¬ kündet hatten: „Der, welcher diesen Krieg siegreich zu Ende führt und Elsaß-Lothringen wieder zu Deuschland bringt, soll deutscher Kaiser sein." Als Vismarck die Eifer¬ sucht der Dynastien durch diese Lockung mit der Jnhabergemeinschaft von den neu¬ erworbenen Ländern bannte, fügte er gleichzeitig all die verschiedenen Fäden, die die Jdeengeschichte der deutschen Einheitsbewegung von 1815 her durchzogen, zu einheitlichem Wirken zusammen. Wer die Schöpfung des „Reichslandes" als ein Werk der ganzen Nation, der Parteien und Stämme, wertet, wird die üblich gewordene Bezeichnung als „Verlegenheitsschöpfung" aufs schärfste ablehnen müssen. Nur ungern und zögernd aber, das wird heute zu leicht — zum Teil wohl gar absichtlich! — vergessen, haben Bundesrat und Reichstag im Jahre 1871 der neuen staatsrechtlichen Zwitterbildung zugestimmt. Die Erklärung, daß „die Inter¬ essen des Reiches und Preußens in Elsaß und Lothringen durchaus identisch" seien, fand in den Beratungen der Verbündeten Regierungen keinen Widerspruch. „Die übrigen Glieder des Reiches", so erklärte offen der Vertreter Württembergs, würden nicht glauben, beeinträchtigt zu sein und würden den mit Deutschland wieder vereinigten Gebieten nicht ferner stehen, wenn Preußen statt als Mandatar des Reiches, kraft eigenen Rechts die Souveränität über Elsaß und Lothringen übernähme". Nur die Feststellung Bismarcks, den „Gedanken, aus Elsaß und Lothringen ein staatliches Gebilde zu schaffen, habe er nicht, und der Begriff eines Reichslandes sei mit dem eines selbständigen Staatswesens nicht kongruent", beschwichtigte im Ausschuß des Reichstages die Bedenken derer, die in der Schöpfung des „Reichslandes" bereits damals den „Triumph des Föderalismus" erblicken wollten. Auf den endlich errungenen Besitz legten die Völker gemeinhin längst nicht mehr dasselbe Gewicht wie auf das, was sie erhoffen und wünschen. So sinkt auch das „Reichsland" seit 1870 immer tiefer in der Wertschätzung des deutschen Volkes herab. Als Bismarck 1873 den großen Umschwung in der Reichspolitik von der Seite der Nationalliberalen zum Bündnis mit Konservativen und Zentrum vollzog, wurden auch die Fäden, die bis dahin Elsaß und Lothringen doch noch in die Obhut Preußens und damit in festere und staatliche Verbindung mit dem Reiche zu führen schienen, jäh durchschnitten. Die Notwendigkeit, das neue Bündnis mit Österreich-Ungarn nicht mit den Nevancheforderungen Frankreichs zu belasten, ließ eine Versöhnungspolitik im Westen aufkeimen,' die. wie ihr Widerspiel, der RückVersicherungsvertrag mit Rußland, zu immer neuen Zugeständ¬ nissen zwang. Üppig durfte sich unter ihrem Schutze die Notabelnwirtschaft im „Reichsland" entwickeln. Und am übelsten war, daß das demokratische Ideal der „Selbstbestimmung" und der „Autonomie", widerlich verzerrt im elsaß-lothringischen Nationalismus, nicht nur bei den Doktrinären der Linken, sondern vor allem auch bei den förderativen und konservativen Parteien hin Reich und in Preußen, auf die der Reichskanzler sich fortan stützte, gehegt und gepflegt wurde. So kam es. daß die sogenannte „Versassungsreform" von 1911 endlich die unitarischen Klammern, die in der Jdeengeschichte der deutschen Einheitsbewegung Reich und Reichsland verbinden, bis auf wenige Reste löste. Nur drei Hauptpunkte bestehen noch: als Organ des Reiches, nicht als Landesherr, übt der Kaiser die Staats¬ gewalt aus. Ernennung und Entlassung des Statthalters müssen vom Reichs- kanzler gegengezeichnet werden. Vor allem ist das Verfassungsgesetz für Elsaß- Lothringen ein Reichsgesetz und kann nicht durch einen Akt der Landesgesetz' gebung geändert werden. Wie wenig jedoch diese äußeren Sicherungen den inneren Zusammenhang des „Reichslandes" mit dem Reich gewährleisten, haben auch die Erfahrungen *) „Zur Entstehungsgeschichte des Neichslandes Elsaß-Lothringen" (Süddeutsche Monats¬ hefte. Mai 1911).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/312>, abgerufen am 24.08.2024.