Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Reform des Herrenhauses

zwei weiteren, Krone und "Volk", die Verbindung eingehen. Wahrlich das
Problem des Steins der Weisen I

In der Frage der staatsrechtlichen Entstehung der ersten Kammer -- ob
Wahl (wie beim Vorbild des schwedischen Senats), Berufung durch die Krone
oder eine Art Kooptation -- hat sich die Kommission für die zweite Möglichkeit
entschieden, gleich ein Beispiel für den Zwang zum Kompromiß in unserem durch¬
aus auf historische Realitäten gestellten Staatswesen. An ihm scheitert auch, ob-
wohl die Methode der Berufung des einen Staatsorgans durch das andere sicher
ihre Schattenseiten hat. der an sich ins Schwarze treffende Vorschlag von
Breysig, aus einer Urzelle von dreißig Notabeln im Wege des Nobelpreisträger-
Verfahrens die erste Versammlung zu bilden und diese dann durch Bestallung
wahlverwandter Nachfolger aus dem eigenen Schoße heraus sich fortpflanzen
zu lassen.

Ferner ihre Zusammensetzung: trotz Spott und Kleinmut gegenüber der
Schwierigkeit der Aufgabe wird hier der seit Beginn konstitutionellen Lebens er¬
örterte und empfohlene Gedanke einer bernfsständischen Vertretung sich Bahn
brechen. In ihm liegt nun einmal die notwendige organische Ergänzung zu dem
zahlenmäßig-mechanisch aufgebauten Massenparlament verborgen. Der stichhaltige
Einwand lautet hier nicht: "Wie senden wir die in Betracht kommenden Persön¬
lichkeiten an diese Stätte?", sondern "Wie senden wir in den Betreffenden wirkliche
Persönlichkeiten dorthin?" Um eine Senkung des politischen Niveaus der Ver-
sammlung zu verhüten, genügte es, ihr die "Reize einer politischen Arena, einer
von allen politischen Strömungen durchfluteten Körperschaft" (Meinecke) zu geben.
Was uns wieder zu der grundsätzlichen Forderung zurückführt, beide Kammern
mit gleichen Rechten auszustatten, denn damit wird auch die Anziehungskraft für
staatsmännische Talente an beiden Orten gleich stark. Im übrigen -- denn das
"Politische" ist ja nur ein Bruchteil des Persönlichen -- muß man hoffen, daß
Monarch und Präsmtationskörper die nicht leichte Aufgabe erfüllen, die "durch
Anlage und Leistung Berufenen, die in Wahrheit Stärksten und Zeugerischsten"
(Breysig) ans der verwirrenden Fülle der Bewerber auszusondern.

Der Idealist wird leider unerfüllte Wünsche sehen, Auch hier hängen eben
die Schwergewichte der Tradition und hart im Raume sich stoßender Sachen an
seinen Schwingen und nötigen ihn zu niedrigerem Fluge. Aber selbst die Vor¬
frage einer berufsständischen Vertretung überhaupt ist ja im Regierungsentwurf
erst in ihren Anfängen gelöst. Noch gibt es Lücken und Unebenheiten in Menge.
Eines sei hervorgehoben, weil es weitere Kreise zieht und im engen Zusammen¬
hang mit dem Grundgedanken dieser Zeilen steht. Die verschwindend geringe
Vertretung der rein geistigen Aristokratie neben Adel, Landwirtschaft und Erwerbs¬
ständen ist nicht nur ein, sich bedauerlich und bedenklich, sondern auch wegen der
Rückwirkung auf die Öffentlichkeit. Weichen doch gerade von jenem Pol alle
Verdächtigungen heimlicher Klasseninteressen zurück, während die in der Masse
wurzelnden Gefühle der Achtung und Ehrfurcht vor reinem Können und Wissen
als solchem aufs stärkste angezogen werden, wodurch der für ein gesundes
Staatsleben erforderliche Machtausgleich der politischen Organe befördert wird.

Sollen die Mitglieder der zukünftigen ersten Kammer auf Lebenszeit oder
mit befristeter Amtsdauer berufen werden? In ihrem Interesse muß man das
zweite fordern, wie es in der Kommission Nationalliberale, Zentrum und Fort¬
schritt getan haben. Nur durch ständige Blutauffrischung, die ja ein Wieder¬
erscheinen bewährter Mitglieder nicht auszuschließen braucht, kann das Odium
der "Vergreisung", der "Berufsfeyler aller ersten Kammern der Welt", vermieden,
die Institution vor der ihr freundlichst zugedachten Rolle eines "Alte-Herrenhauses"
(siehe oben) bewahrt werden.

Wenn wir endlich noch die materiell-gesetzliche Stellung der neuen Schöpfung
von unserem Standpunkt ins Auge fassen, so erscheint zweierlei bedeutsam: einmal
die Möglichkeit gemeinsamer Abstimmung beider Kammern. Ihr Zweck leuchtet
nach dem Vorhergehenden ohne weiteres ein. Schweden kennt diesen Modus schon


Zur Reform des Herrenhauses

zwei weiteren, Krone und „Volk", die Verbindung eingehen. Wahrlich das
Problem des Steins der Weisen I

In der Frage der staatsrechtlichen Entstehung der ersten Kammer — ob
Wahl (wie beim Vorbild des schwedischen Senats), Berufung durch die Krone
oder eine Art Kooptation — hat sich die Kommission für die zweite Möglichkeit
entschieden, gleich ein Beispiel für den Zwang zum Kompromiß in unserem durch¬
aus auf historische Realitäten gestellten Staatswesen. An ihm scheitert auch, ob-
wohl die Methode der Berufung des einen Staatsorgans durch das andere sicher
ihre Schattenseiten hat. der an sich ins Schwarze treffende Vorschlag von
Breysig, aus einer Urzelle von dreißig Notabeln im Wege des Nobelpreisträger-
Verfahrens die erste Versammlung zu bilden und diese dann durch Bestallung
wahlverwandter Nachfolger aus dem eigenen Schoße heraus sich fortpflanzen
zu lassen.

Ferner ihre Zusammensetzung: trotz Spott und Kleinmut gegenüber der
Schwierigkeit der Aufgabe wird hier der seit Beginn konstitutionellen Lebens er¬
örterte und empfohlene Gedanke einer bernfsständischen Vertretung sich Bahn
brechen. In ihm liegt nun einmal die notwendige organische Ergänzung zu dem
zahlenmäßig-mechanisch aufgebauten Massenparlament verborgen. Der stichhaltige
Einwand lautet hier nicht: „Wie senden wir die in Betracht kommenden Persön¬
lichkeiten an diese Stätte?", sondern „Wie senden wir in den Betreffenden wirkliche
Persönlichkeiten dorthin?" Um eine Senkung des politischen Niveaus der Ver-
sammlung zu verhüten, genügte es, ihr die „Reize einer politischen Arena, einer
von allen politischen Strömungen durchfluteten Körperschaft" (Meinecke) zu geben.
Was uns wieder zu der grundsätzlichen Forderung zurückführt, beide Kammern
mit gleichen Rechten auszustatten, denn damit wird auch die Anziehungskraft für
staatsmännische Talente an beiden Orten gleich stark. Im übrigen — denn das
„Politische" ist ja nur ein Bruchteil des Persönlichen — muß man hoffen, daß
Monarch und Präsmtationskörper die nicht leichte Aufgabe erfüllen, die „durch
Anlage und Leistung Berufenen, die in Wahrheit Stärksten und Zeugerischsten"
(Breysig) ans der verwirrenden Fülle der Bewerber auszusondern.

Der Idealist wird leider unerfüllte Wünsche sehen, Auch hier hängen eben
die Schwergewichte der Tradition und hart im Raume sich stoßender Sachen an
seinen Schwingen und nötigen ihn zu niedrigerem Fluge. Aber selbst die Vor¬
frage einer berufsständischen Vertretung überhaupt ist ja im Regierungsentwurf
erst in ihren Anfängen gelöst. Noch gibt es Lücken und Unebenheiten in Menge.
Eines sei hervorgehoben, weil es weitere Kreise zieht und im engen Zusammen¬
hang mit dem Grundgedanken dieser Zeilen steht. Die verschwindend geringe
Vertretung der rein geistigen Aristokratie neben Adel, Landwirtschaft und Erwerbs¬
ständen ist nicht nur ein, sich bedauerlich und bedenklich, sondern auch wegen der
Rückwirkung auf die Öffentlichkeit. Weichen doch gerade von jenem Pol alle
Verdächtigungen heimlicher Klasseninteressen zurück, während die in der Masse
wurzelnden Gefühle der Achtung und Ehrfurcht vor reinem Können und Wissen
als solchem aufs stärkste angezogen werden, wodurch der für ein gesundes
Staatsleben erforderliche Machtausgleich der politischen Organe befördert wird.

Sollen die Mitglieder der zukünftigen ersten Kammer auf Lebenszeit oder
mit befristeter Amtsdauer berufen werden? In ihrem Interesse muß man das
zweite fordern, wie es in der Kommission Nationalliberale, Zentrum und Fort¬
schritt getan haben. Nur durch ständige Blutauffrischung, die ja ein Wieder¬
erscheinen bewährter Mitglieder nicht auszuschließen braucht, kann das Odium
der „Vergreisung", der „Berufsfeyler aller ersten Kammern der Welt", vermieden,
die Institution vor der ihr freundlichst zugedachten Rolle eines „Alte-Herrenhauses"
(siehe oben) bewahrt werden.

Wenn wir endlich noch die materiell-gesetzliche Stellung der neuen Schöpfung
von unserem Standpunkt ins Auge fassen, so erscheint zweierlei bedeutsam: einmal
die Möglichkeit gemeinsamer Abstimmung beider Kammern. Ihr Zweck leuchtet
nach dem Vorhergehenden ohne weiteres ein. Schweden kennt diesen Modus schon


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333284"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Reform des Herrenhauses</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_652" prev="#ID_651"> zwei weiteren, Krone und &#x201E;Volk", die Verbindung eingehen. Wahrlich das<lb/>
Problem des Steins der Weisen I</p><lb/>
          <p xml:id="ID_653"> In der Frage der staatsrechtlichen Entstehung der ersten Kammer &#x2014; ob<lb/>
Wahl (wie beim Vorbild des schwedischen Senats), Berufung durch die Krone<lb/>
oder eine Art Kooptation &#x2014; hat sich die Kommission für die zweite Möglichkeit<lb/>
entschieden, gleich ein Beispiel für den Zwang zum Kompromiß in unserem durch¬<lb/>
aus auf historische Realitäten gestellten Staatswesen. An ihm scheitert auch, ob-<lb/>
wohl die Methode der Berufung des einen Staatsorgans durch das andere sicher<lb/>
ihre Schattenseiten hat. der an sich ins Schwarze treffende Vorschlag von<lb/>
Breysig, aus einer Urzelle von dreißig Notabeln im Wege des Nobelpreisträger-<lb/>
Verfahrens die erste Versammlung zu bilden und diese dann durch Bestallung<lb/>
wahlverwandter Nachfolger aus dem eigenen Schoße heraus sich fortpflanzen<lb/>
zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_654"> Ferner ihre Zusammensetzung: trotz Spott und Kleinmut gegenüber der<lb/>
Schwierigkeit der Aufgabe wird hier der seit Beginn konstitutionellen Lebens er¬<lb/>
örterte und empfohlene Gedanke einer bernfsständischen Vertretung sich Bahn<lb/>
brechen. In ihm liegt nun einmal die notwendige organische Ergänzung zu dem<lb/>
zahlenmäßig-mechanisch aufgebauten Massenparlament verborgen. Der stichhaltige<lb/>
Einwand lautet hier nicht: &#x201E;Wie senden wir die in Betracht kommenden Persön¬<lb/>
lichkeiten an diese Stätte?", sondern &#x201E;Wie senden wir in den Betreffenden wirkliche<lb/>
Persönlichkeiten dorthin?" Um eine Senkung des politischen Niveaus der Ver-<lb/>
sammlung zu verhüten, genügte es, ihr die &#x201E;Reize einer politischen Arena, einer<lb/>
von allen politischen Strömungen durchfluteten Körperschaft" (Meinecke) zu geben.<lb/>
Was uns wieder zu der grundsätzlichen Forderung zurückführt, beide Kammern<lb/>
mit gleichen Rechten auszustatten, denn damit wird auch die Anziehungskraft für<lb/>
staatsmännische Talente an beiden Orten gleich stark. Im übrigen &#x2014; denn das<lb/>
&#x201E;Politische" ist ja nur ein Bruchteil des Persönlichen &#x2014; muß man hoffen, daß<lb/>
Monarch und Präsmtationskörper die nicht leichte Aufgabe erfüllen, die &#x201E;durch<lb/>
Anlage und Leistung Berufenen, die in Wahrheit Stärksten und Zeugerischsten"<lb/>
(Breysig) ans der verwirrenden Fülle der Bewerber auszusondern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_655"> Der Idealist wird leider unerfüllte Wünsche sehen, Auch hier hängen eben<lb/>
die Schwergewichte der Tradition und hart im Raume sich stoßender Sachen an<lb/>
seinen Schwingen und nötigen ihn zu niedrigerem Fluge. Aber selbst die Vor¬<lb/>
frage einer berufsständischen Vertretung überhaupt ist ja im Regierungsentwurf<lb/>
erst in ihren Anfängen gelöst. Noch gibt es Lücken und Unebenheiten in Menge.<lb/>
Eines sei hervorgehoben, weil es weitere Kreise zieht und im engen Zusammen¬<lb/>
hang mit dem Grundgedanken dieser Zeilen steht. Die verschwindend geringe<lb/>
Vertretung der rein geistigen Aristokratie neben Adel, Landwirtschaft und Erwerbs¬<lb/>
ständen ist nicht nur ein, sich bedauerlich und bedenklich, sondern auch wegen der<lb/>
Rückwirkung auf die Öffentlichkeit. Weichen doch gerade von jenem Pol alle<lb/>
Verdächtigungen heimlicher Klasseninteressen zurück, während die in der Masse<lb/>
wurzelnden Gefühle der Achtung und Ehrfurcht vor reinem Können und Wissen<lb/>
als solchem aufs stärkste angezogen werden, wodurch der für ein gesundes<lb/>
Staatsleben erforderliche Machtausgleich der politischen Organe befördert wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_656"> Sollen die Mitglieder der zukünftigen ersten Kammer auf Lebenszeit oder<lb/>
mit befristeter Amtsdauer berufen werden? In ihrem Interesse muß man das<lb/>
zweite fordern, wie es in der Kommission Nationalliberale, Zentrum und Fort¬<lb/>
schritt getan haben. Nur durch ständige Blutauffrischung, die ja ein Wieder¬<lb/>
erscheinen bewährter Mitglieder nicht auszuschließen braucht, kann das Odium<lb/>
der &#x201E;Vergreisung", der &#x201E;Berufsfeyler aller ersten Kammern der Welt", vermieden,<lb/>
die Institution vor der ihr freundlichst zugedachten Rolle eines &#x201E;Alte-Herrenhauses"<lb/>
(siehe oben) bewahrt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_657" next="#ID_658"> Wenn wir endlich noch die materiell-gesetzliche Stellung der neuen Schöpfung<lb/>
von unserem Standpunkt ins Auge fassen, so erscheint zweierlei bedeutsam: einmal<lb/>
die Möglichkeit gemeinsamer Abstimmung beider Kammern. Ihr Zweck leuchtet<lb/>
nach dem Vorhergehenden ohne weiteres ein. Schweden kennt diesen Modus schon</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] Zur Reform des Herrenhauses zwei weiteren, Krone und „Volk", die Verbindung eingehen. Wahrlich das Problem des Steins der Weisen I In der Frage der staatsrechtlichen Entstehung der ersten Kammer — ob Wahl (wie beim Vorbild des schwedischen Senats), Berufung durch die Krone oder eine Art Kooptation — hat sich die Kommission für die zweite Möglichkeit entschieden, gleich ein Beispiel für den Zwang zum Kompromiß in unserem durch¬ aus auf historische Realitäten gestellten Staatswesen. An ihm scheitert auch, ob- wohl die Methode der Berufung des einen Staatsorgans durch das andere sicher ihre Schattenseiten hat. der an sich ins Schwarze treffende Vorschlag von Breysig, aus einer Urzelle von dreißig Notabeln im Wege des Nobelpreisträger- Verfahrens die erste Versammlung zu bilden und diese dann durch Bestallung wahlverwandter Nachfolger aus dem eigenen Schoße heraus sich fortpflanzen zu lassen. Ferner ihre Zusammensetzung: trotz Spott und Kleinmut gegenüber der Schwierigkeit der Aufgabe wird hier der seit Beginn konstitutionellen Lebens er¬ örterte und empfohlene Gedanke einer bernfsständischen Vertretung sich Bahn brechen. In ihm liegt nun einmal die notwendige organische Ergänzung zu dem zahlenmäßig-mechanisch aufgebauten Massenparlament verborgen. Der stichhaltige Einwand lautet hier nicht: „Wie senden wir die in Betracht kommenden Persön¬ lichkeiten an diese Stätte?", sondern „Wie senden wir in den Betreffenden wirkliche Persönlichkeiten dorthin?" Um eine Senkung des politischen Niveaus der Ver- sammlung zu verhüten, genügte es, ihr die „Reize einer politischen Arena, einer von allen politischen Strömungen durchfluteten Körperschaft" (Meinecke) zu geben. Was uns wieder zu der grundsätzlichen Forderung zurückführt, beide Kammern mit gleichen Rechten auszustatten, denn damit wird auch die Anziehungskraft für staatsmännische Talente an beiden Orten gleich stark. Im übrigen — denn das „Politische" ist ja nur ein Bruchteil des Persönlichen — muß man hoffen, daß Monarch und Präsmtationskörper die nicht leichte Aufgabe erfüllen, die „durch Anlage und Leistung Berufenen, die in Wahrheit Stärksten und Zeugerischsten" (Breysig) ans der verwirrenden Fülle der Bewerber auszusondern. Der Idealist wird leider unerfüllte Wünsche sehen, Auch hier hängen eben die Schwergewichte der Tradition und hart im Raume sich stoßender Sachen an seinen Schwingen und nötigen ihn zu niedrigerem Fluge. Aber selbst die Vor¬ frage einer berufsständischen Vertretung überhaupt ist ja im Regierungsentwurf erst in ihren Anfängen gelöst. Noch gibt es Lücken und Unebenheiten in Menge. Eines sei hervorgehoben, weil es weitere Kreise zieht und im engen Zusammen¬ hang mit dem Grundgedanken dieser Zeilen steht. Die verschwindend geringe Vertretung der rein geistigen Aristokratie neben Adel, Landwirtschaft und Erwerbs¬ ständen ist nicht nur ein, sich bedauerlich und bedenklich, sondern auch wegen der Rückwirkung auf die Öffentlichkeit. Weichen doch gerade von jenem Pol alle Verdächtigungen heimlicher Klasseninteressen zurück, während die in der Masse wurzelnden Gefühle der Achtung und Ehrfurcht vor reinem Können und Wissen als solchem aufs stärkste angezogen werden, wodurch der für ein gesundes Staatsleben erforderliche Machtausgleich der politischen Organe befördert wird. Sollen die Mitglieder der zukünftigen ersten Kammer auf Lebenszeit oder mit befristeter Amtsdauer berufen werden? In ihrem Interesse muß man das zweite fordern, wie es in der Kommission Nationalliberale, Zentrum und Fort¬ schritt getan haben. Nur durch ständige Blutauffrischung, die ja ein Wieder¬ erscheinen bewährter Mitglieder nicht auszuschließen braucht, kann das Odium der „Vergreisung", der „Berufsfeyler aller ersten Kammern der Welt", vermieden, die Institution vor der ihr freundlichst zugedachten Rolle eines „Alte-Herrenhauses" (siehe oben) bewahrt werden. Wenn wir endlich noch die materiell-gesetzliche Stellung der neuen Schöpfung von unserem Standpunkt ins Auge fassen, so erscheint zweierlei bedeutsam: einmal die Möglichkeit gemeinsamer Abstimmung beider Kammern. Ihr Zweck leuchtet nach dem Vorhergehenden ohne weiteres ein. Schweden kennt diesen Modus schon

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/187
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/187>, abgerufen am 22.07.2024.