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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform des Herrenhauses

Daß eine solche Parität wohl denkbar ist, beweisen gerade auch die besorgten
Stimmen der Gegner einer lebenskräftigen ersten Kammer. Erwartet man doch
in diesen Kreisen eine "Aushöhlung und Entwertung" des gleichen Wahlrechts
durch "llberwucherung der Kautelen und Kompensationen", wozu "insonderheit"
die Herrenhausreform gerechnet wird (Preuß), und wirft der anderen Seite vor,
durch die hier angebrachten "Sicherungen", eine "demokratisch umgestaltete Volks-
kammer möglichst unschädlich und einflußlos" machen und den..Haupteinfluß" in
die erste Kammer legen zu wollen ("Frankfurter Zeitung" vom 19. Januar, zweites
Morgenblatt).

Ohne Übertreibung und Verdächtigung geht es dabei natürlich nicht ab.
Das letztere besorgt Herr Preuß. Man werde, so schreibt er, bei den Gegnern
der Wahlrechtsgleichheil alsbald einen wahren Feuereifer für eine höchst volkstüm¬
liche Umgestaltung, sozusagen für eine Radikalisierung des Herrenhauses entbrennen
sehen, aber hoffentlich ließe sich niemand über den eigentlichen Zweck der Übung
täuschen. Diese Methode der Beweisführung ist bedenklich, denn man kann den
Spieß auch umkehren. Wenn jetzt plötzlich der beredte Anwalt des "Volksstaates"
eine "volkstümliche Umgestaltung" gerade an dieser Stelle des Verfassungsbaues
en baZatello behandelt, so dürfte der "Zweck dieser Übung" gleichfalls klar sein.
Wie unklug noch dazu eine solche zur Schau getragene Geringschätzung der Herren¬
hausfrage ist, läßt sich daran ermessen, daß alle bei der Wahlkammer erreichten Fort¬
schritte "durch eine Verfestigung des Herrenhauses mehr als ausgeglichen, ja zu-
rückgednmmt" werden können, wie Theodor Heuß, ein Parteikollege von Preuß,
ganz richtig erkennt. Die "Frankfurter Zeitung" aber krönt ihre natürlich wohl¬
berechneten Übertreibungen durch die Bemerkung, in Wirklichkeit würde Krone und
Negierung einem so gestärkten, unauflösbaren Herrenhause gegenüber einen weit
geringeren Einfluß haben, und nur die Stätte der Parlamentarisierung verlegt.
Man versteht die Stimmung des betrübten Lohgerbers, dem die Felle weg¬
schwimmen, denn allerdings "schließt" das von uns zur Nachahmung empfohlene
schwedische System des interparlamentarischen Gleichgewichts einen "speziellen
Unterhausparlamentarismus aus" (Kjellen a. a. O.).

Was in Wirklichkeit erstrebt werden muß und, was wir hier vertreten, ist
natürlich keine Lahmlegung der zweiten zugunsten einer übermächtigen ersten
Kammer -- das liegt ja schon in dem Begriff der "Sicherung", sondern ein
Ausgleich der Kräfte von rechts und links, von Masfenatom und Persönlichkeit
auf dem gerade der sichere Gang der Staatsmaschine beruht. Die "aristokratische"
soll der demokratischen Vertretung nicht den Wind aus den Segeln nehmen, sie
soll aber auch nicht selber in der Flanke liegen bleiben oder als ein bloßer Ballast
des Staatsschiffes ihr Dasein in Dunkel und Vergessenheit führen. Daher sind
wir in der Tat für eine "höchst volkstümliche Umgestaltung" dieser Versammlung,
was natürlich ganz etwas anderes als ihre "Radikalisierung" bedeutet -- weil
wir im Gegensatze zu Preuß glauben, daß gerade sie als ein "Rat der Führer
die wahrere und bessere Volksvertretung sein möchte und müßte gegenüber dein
Massenurteil der Urnen und ihrer Zettelmyriaden", wie Kurt Breysig neulich im
"Tag" es ausdrückte. Denn wir setzen voraus, daß auch noch in unserer demo¬
kratisierten Zeit die Elite höchster Leistung in Können und Wissen samt Gebiets-
und Besitzaristokratie neben dem nivellierten Durchschnitt ihren Platz behauptet,
ja auf den unberechenbaren Faktor der "Volks"Stimmung zu Zeiten der Über¬
sättigung des Gleichheitsdogmas eine überraschend'e Anziehungskraft ausüben kann.
Daß unser heutiges Herrenhaus jene Auslese nur sehr einseitig darstellt und in¬
folgedessen auch dieser Anziehungskraft ermangelt, können wir nicht leugnen.

Wie aber soll das Ziel erreicht werden, auch dieses Parlament fest "im
Volksleben zu verankern" (Reichskanzler Graf Hertling)? Die Schwierigkeit wird
deutlich, wenn man bedenkt, daß es hier den Ausgleich sehr verschiedener Kräfte
und Rücksichten gilt. Schon jene "Elite" ist ja doch alles andere als ein ein¬
heitlicher Begriff. Dies Scheinelement heterogenster Bestandteile soll nun mit


Zur Reform des Herrenhauses

Daß eine solche Parität wohl denkbar ist, beweisen gerade auch die besorgten
Stimmen der Gegner einer lebenskräftigen ersten Kammer. Erwartet man doch
in diesen Kreisen eine „Aushöhlung und Entwertung" des gleichen Wahlrechts
durch „llberwucherung der Kautelen und Kompensationen", wozu „insonderheit"
die Herrenhausreform gerechnet wird (Preuß), und wirft der anderen Seite vor,
durch die hier angebrachten „Sicherungen", eine „demokratisch umgestaltete Volks-
kammer möglichst unschädlich und einflußlos" machen und den..Haupteinfluß" in
die erste Kammer legen zu wollen („Frankfurter Zeitung" vom 19. Januar, zweites
Morgenblatt).

Ohne Übertreibung und Verdächtigung geht es dabei natürlich nicht ab.
Das letztere besorgt Herr Preuß. Man werde, so schreibt er, bei den Gegnern
der Wahlrechtsgleichheil alsbald einen wahren Feuereifer für eine höchst volkstüm¬
liche Umgestaltung, sozusagen für eine Radikalisierung des Herrenhauses entbrennen
sehen, aber hoffentlich ließe sich niemand über den eigentlichen Zweck der Übung
täuschen. Diese Methode der Beweisführung ist bedenklich, denn man kann den
Spieß auch umkehren. Wenn jetzt plötzlich der beredte Anwalt des „Volksstaates"
eine „volkstümliche Umgestaltung" gerade an dieser Stelle des Verfassungsbaues
en baZatello behandelt, so dürfte der „Zweck dieser Übung" gleichfalls klar sein.
Wie unklug noch dazu eine solche zur Schau getragene Geringschätzung der Herren¬
hausfrage ist, läßt sich daran ermessen, daß alle bei der Wahlkammer erreichten Fort¬
schritte „durch eine Verfestigung des Herrenhauses mehr als ausgeglichen, ja zu-
rückgednmmt" werden können, wie Theodor Heuß, ein Parteikollege von Preuß,
ganz richtig erkennt. Die „Frankfurter Zeitung" aber krönt ihre natürlich wohl¬
berechneten Übertreibungen durch die Bemerkung, in Wirklichkeit würde Krone und
Negierung einem so gestärkten, unauflösbaren Herrenhause gegenüber einen weit
geringeren Einfluß haben, und nur die Stätte der Parlamentarisierung verlegt.
Man versteht die Stimmung des betrübten Lohgerbers, dem die Felle weg¬
schwimmen, denn allerdings „schließt" das von uns zur Nachahmung empfohlene
schwedische System des interparlamentarischen Gleichgewichts einen „speziellen
Unterhausparlamentarismus aus" (Kjellen a. a. O.).

Was in Wirklichkeit erstrebt werden muß und, was wir hier vertreten, ist
natürlich keine Lahmlegung der zweiten zugunsten einer übermächtigen ersten
Kammer — das liegt ja schon in dem Begriff der „Sicherung", sondern ein
Ausgleich der Kräfte von rechts und links, von Masfenatom und Persönlichkeit
auf dem gerade der sichere Gang der Staatsmaschine beruht. Die „aristokratische"
soll der demokratischen Vertretung nicht den Wind aus den Segeln nehmen, sie
soll aber auch nicht selber in der Flanke liegen bleiben oder als ein bloßer Ballast
des Staatsschiffes ihr Dasein in Dunkel und Vergessenheit führen. Daher sind
wir in der Tat für eine „höchst volkstümliche Umgestaltung" dieser Versammlung,
was natürlich ganz etwas anderes als ihre „Radikalisierung" bedeutet — weil
wir im Gegensatze zu Preuß glauben, daß gerade sie als ein „Rat der Führer
die wahrere und bessere Volksvertretung sein möchte und müßte gegenüber dein
Massenurteil der Urnen und ihrer Zettelmyriaden", wie Kurt Breysig neulich im
„Tag" es ausdrückte. Denn wir setzen voraus, daß auch noch in unserer demo¬
kratisierten Zeit die Elite höchster Leistung in Können und Wissen samt Gebiets-
und Besitzaristokratie neben dem nivellierten Durchschnitt ihren Platz behauptet,
ja auf den unberechenbaren Faktor der „Volks"Stimmung zu Zeiten der Über¬
sättigung des Gleichheitsdogmas eine überraschend'e Anziehungskraft ausüben kann.
Daß unser heutiges Herrenhaus jene Auslese nur sehr einseitig darstellt und in¬
folgedessen auch dieser Anziehungskraft ermangelt, können wir nicht leugnen.

Wie aber soll das Ziel erreicht werden, auch dieses Parlament fest „im
Volksleben zu verankern" (Reichskanzler Graf Hertling)? Die Schwierigkeit wird
deutlich, wenn man bedenkt, daß es hier den Ausgleich sehr verschiedener Kräfte
und Rücksichten gilt. Schon jene „Elite" ist ja doch alles andere als ein ein¬
heitlicher Begriff. Dies Scheinelement heterogenster Bestandteile soll nun mit


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[0186] Zur Reform des Herrenhauses Daß eine solche Parität wohl denkbar ist, beweisen gerade auch die besorgten Stimmen der Gegner einer lebenskräftigen ersten Kammer. Erwartet man doch in diesen Kreisen eine „Aushöhlung und Entwertung" des gleichen Wahlrechts durch „llberwucherung der Kautelen und Kompensationen", wozu „insonderheit" die Herrenhausreform gerechnet wird (Preuß), und wirft der anderen Seite vor, durch die hier angebrachten „Sicherungen", eine „demokratisch umgestaltete Volks- kammer möglichst unschädlich und einflußlos" machen und den..Haupteinfluß" in die erste Kammer legen zu wollen („Frankfurter Zeitung" vom 19. Januar, zweites Morgenblatt). Ohne Übertreibung und Verdächtigung geht es dabei natürlich nicht ab. Das letztere besorgt Herr Preuß. Man werde, so schreibt er, bei den Gegnern der Wahlrechtsgleichheil alsbald einen wahren Feuereifer für eine höchst volkstüm¬ liche Umgestaltung, sozusagen für eine Radikalisierung des Herrenhauses entbrennen sehen, aber hoffentlich ließe sich niemand über den eigentlichen Zweck der Übung täuschen. Diese Methode der Beweisführung ist bedenklich, denn man kann den Spieß auch umkehren. Wenn jetzt plötzlich der beredte Anwalt des „Volksstaates" eine „volkstümliche Umgestaltung" gerade an dieser Stelle des Verfassungsbaues en baZatello behandelt, so dürfte der „Zweck dieser Übung" gleichfalls klar sein. Wie unklug noch dazu eine solche zur Schau getragene Geringschätzung der Herren¬ hausfrage ist, läßt sich daran ermessen, daß alle bei der Wahlkammer erreichten Fort¬ schritte „durch eine Verfestigung des Herrenhauses mehr als ausgeglichen, ja zu- rückgednmmt" werden können, wie Theodor Heuß, ein Parteikollege von Preuß, ganz richtig erkennt. Die „Frankfurter Zeitung" aber krönt ihre natürlich wohl¬ berechneten Übertreibungen durch die Bemerkung, in Wirklichkeit würde Krone und Negierung einem so gestärkten, unauflösbaren Herrenhause gegenüber einen weit geringeren Einfluß haben, und nur die Stätte der Parlamentarisierung verlegt. Man versteht die Stimmung des betrübten Lohgerbers, dem die Felle weg¬ schwimmen, denn allerdings „schließt" das von uns zur Nachahmung empfohlene schwedische System des interparlamentarischen Gleichgewichts einen „speziellen Unterhausparlamentarismus aus" (Kjellen a. a. O.). Was in Wirklichkeit erstrebt werden muß und, was wir hier vertreten, ist natürlich keine Lahmlegung der zweiten zugunsten einer übermächtigen ersten Kammer — das liegt ja schon in dem Begriff der „Sicherung", sondern ein Ausgleich der Kräfte von rechts und links, von Masfenatom und Persönlichkeit auf dem gerade der sichere Gang der Staatsmaschine beruht. Die „aristokratische" soll der demokratischen Vertretung nicht den Wind aus den Segeln nehmen, sie soll aber auch nicht selber in der Flanke liegen bleiben oder als ein bloßer Ballast des Staatsschiffes ihr Dasein in Dunkel und Vergessenheit führen. Daher sind wir in der Tat für eine „höchst volkstümliche Umgestaltung" dieser Versammlung, was natürlich ganz etwas anderes als ihre „Radikalisierung" bedeutet — weil wir im Gegensatze zu Preuß glauben, daß gerade sie als ein „Rat der Führer die wahrere und bessere Volksvertretung sein möchte und müßte gegenüber dein Massenurteil der Urnen und ihrer Zettelmyriaden", wie Kurt Breysig neulich im „Tag" es ausdrückte. Denn wir setzen voraus, daß auch noch in unserer demo¬ kratisierten Zeit die Elite höchster Leistung in Können und Wissen samt Gebiets- und Besitzaristokratie neben dem nivellierten Durchschnitt ihren Platz behauptet, ja auf den unberechenbaren Faktor der „Volks"Stimmung zu Zeiten der Über¬ sättigung des Gleichheitsdogmas eine überraschend'e Anziehungskraft ausüben kann. Daß unser heutiges Herrenhaus jene Auslese nur sehr einseitig darstellt und in¬ folgedessen auch dieser Anziehungskraft ermangelt, können wir nicht leugnen. Wie aber soll das Ziel erreicht werden, auch dieses Parlament fest „im Volksleben zu verankern" (Reichskanzler Graf Hertling)? Die Schwierigkeit wird deutlich, wenn man bedenkt, daß es hier den Ausgleich sehr verschiedener Kräfte und Rücksichten gilt. Schon jene „Elite" ist ja doch alles andere als ein ein¬ heitlicher Begriff. Dies Scheinelement heterogenster Bestandteile soll nun mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/186>, abgerufen am 22.07.2024.