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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Carl Jentsch und die Grenzboten

literaturrichter sein. (Brief vom 22. Februar 1892.) Später hat Jentsch freilich
dem Freunde den Willen getan, aber nur selten, wenigstens insofern man die
Gesamtzahl der von ihm in den "Grenzboten" besprochenen Bücher, die die 2000
übersteigt, in Betracht zieht. Endlich gehörten zu seiner Grenzbotenbeitragsdomüne
die Referate über biographische Werke*).

Wenn auch im vorstehenden nur andeutungsweise mitgeteilt werden konnte,
inwieweit Carl Jentsch an dem reichen geistigen Gehalt der "Grenzboten" Anteil
hatte -- etwa 500 größere und 000 kleinere Abhandlungen stammen aus seiner
Feder -- so wird man doch nach allem Bisherigen ohne weiteres verstehen, daß
Verleger und Mitarbeiter sich wechselseitig zu größtem Dank verpflichtet fühlte".
Jentsch sprach das mehrfach öffentlich aus und hob stets hervor, wie hoch er es
bewertete, für die "Grenzboten" tätig sein zu dürfen, nicht etwa nur um des mate¬
riellen Vorteiles willen (sie boten ihm jahrzehntelang die Hälfte seines Ein¬
kommens); er kannte und schätzte sie seit fast 40 Jahren, ehe er selbst für sie
schrieb und hatte viel aus ihnen gelernt. Auch erkannte er willig an, durch
Dr. Wustmanns Mühewaltung seinen Stil verbessert zu haben. Er war nach
eigener Angabe bei Beginn seiner Publizistik recht unbeholfen gewesen im Finden
der Worte, die seinen Gedanken treffend entsprachen. Manchmal lag eine Arbeit
acht Tage im Schubfach und wurde täglich mehrmals hervorgezogen, um die
letzte und immer wieder die "letzte" Fassung zu erhalten. (Brief vom 13. Dezember
1891.) In seiner Grunow-Erinnerung schrieb er: "So hat mir erst Grunow zu
einer anständigen und verhältnismäßig gesicherten Existenz verholfen, hat mich
durch den Verlag meiner Bücher im Publikum bekannt gemacht, und ohne die
reiche Fülle von Rezensionsexemplaren, die mir von den "Grenzboten" in regel¬
mäßigen Abständen zugehen, wäre meine Schriftstellerei in einer aller literarischen
Hilfsmittel entbehrenden Kleinstadt gar nicht möglich." -- Ähnlich äußerte er sich
in den "Wandlungen" (II, S. 171).

Als Johannes Grunow am 1. April 1900 starb, war das natürlich ein
schwerer Schlag für Jentsch; er verlor nicht nur den Freund, sondern mußte auch
darum bangen, eine liebgewordene Stätte für dieVerbreitung seinerJdeen zu verlieren.
Jedoch trat keine Änderung ein. wenn auch naturgemäß der persönlichoZusammenhang
lockerer wurde. Als 1910 die "Grünen" nach Berlin übersiedelten, hatte Jentsch bereits
einen Wirkungskreis gefunden, der seine Arbeitskraft im hohen Maße in An¬
spruch nahm: im September 1909 erhielt er die Aufforderung des Kommerzien-
rath Meyer, Leipzig, für dessen Versicherungsblätter "Nach Feierabend" und "Der
Volkshort" fortlaufend Beiträge zu liefern. Der Vertrag kam bald zustande und
alle Sorge war damit behoben. Diese neue Mitarbeit beanspruchte viel Kraft
und Zeit, dazu traten immer häufiger Anforderungen der verschiedensten Wochen-
und Moimtsscyriften, insbesondere nachdem Jentschs achtzigster Geburtstag und
die Ehrenpromotion durch die Breslauer Universität seinen Namen in aller Mund
gebracht hatte. So konnte der Alte von Reiße den lieben "Grünen", denen er
bis zu seinen: Tode in unverbrüchlicher Treue anhing, nur noch seltener etwas
senden. Er glaubte sich auch überdies (nach einem Briefe vom 21. Oktober) längst
zu deren Leserkreis restlos ausgesprochen zu haben. Doch er ward trotzdem bei
den "Grünen" nicht vergessen. Sie schrieben zu seinem achtzigsten Geburtstage:

"Wir ehren uns, wenn uns der 8. Februar ein Fest bedeutet, da achtzig
Jahre starker Lebensarbeit eines Tapferen sich vollenden." (Jahrg. 1913,1.) Zum
jetzigen Herausgeber der Grenzboten, den Jentsch schon seit längeren Jahren
persönlich kannte und für dessen Auffassungen über Rußland und Polen er sich ganz
besonders interessierte, ist er bis zum Tode in freundschaftlichen Beziehungen geblieben.

Carl Jentsch ist auch heute nicht vergessen, da wir rückschauend Totengedenken
begehen, und er wird auch in Zukunft den "Grenzboten" unvergessen bleiben.



*) Als interessanteste dieser kleinen Monographien seien hervorgehoben: "Cicero"
(1309, I), "David Friedrich Strauß" (1908, I), "Teresa de Jesus, Johann vom Kreuz"
(1908, II), "Overbeck und Nietzsche" (1908, III), "Berta von Suttner" (1909, I), "Der alte
Harkot" (1893, II).
Carl Jentsch und die Grenzboten

literaturrichter sein. (Brief vom 22. Februar 1892.) Später hat Jentsch freilich
dem Freunde den Willen getan, aber nur selten, wenigstens insofern man die
Gesamtzahl der von ihm in den „Grenzboten" besprochenen Bücher, die die 2000
übersteigt, in Betracht zieht. Endlich gehörten zu seiner Grenzbotenbeitragsdomüne
die Referate über biographische Werke*).

Wenn auch im vorstehenden nur andeutungsweise mitgeteilt werden konnte,
inwieweit Carl Jentsch an dem reichen geistigen Gehalt der „Grenzboten" Anteil
hatte — etwa 500 größere und 000 kleinere Abhandlungen stammen aus seiner
Feder — so wird man doch nach allem Bisherigen ohne weiteres verstehen, daß
Verleger und Mitarbeiter sich wechselseitig zu größtem Dank verpflichtet fühlte».
Jentsch sprach das mehrfach öffentlich aus und hob stets hervor, wie hoch er es
bewertete, für die „Grenzboten" tätig sein zu dürfen, nicht etwa nur um des mate¬
riellen Vorteiles willen (sie boten ihm jahrzehntelang die Hälfte seines Ein¬
kommens); er kannte und schätzte sie seit fast 40 Jahren, ehe er selbst für sie
schrieb und hatte viel aus ihnen gelernt. Auch erkannte er willig an, durch
Dr. Wustmanns Mühewaltung seinen Stil verbessert zu haben. Er war nach
eigener Angabe bei Beginn seiner Publizistik recht unbeholfen gewesen im Finden
der Worte, die seinen Gedanken treffend entsprachen. Manchmal lag eine Arbeit
acht Tage im Schubfach und wurde täglich mehrmals hervorgezogen, um die
letzte und immer wieder die „letzte" Fassung zu erhalten. (Brief vom 13. Dezember
1891.) In seiner Grunow-Erinnerung schrieb er: „So hat mir erst Grunow zu
einer anständigen und verhältnismäßig gesicherten Existenz verholfen, hat mich
durch den Verlag meiner Bücher im Publikum bekannt gemacht, und ohne die
reiche Fülle von Rezensionsexemplaren, die mir von den „Grenzboten" in regel¬
mäßigen Abständen zugehen, wäre meine Schriftstellerei in einer aller literarischen
Hilfsmittel entbehrenden Kleinstadt gar nicht möglich." — Ähnlich äußerte er sich
in den „Wandlungen" (II, S. 171).

Als Johannes Grunow am 1. April 1900 starb, war das natürlich ein
schwerer Schlag für Jentsch; er verlor nicht nur den Freund, sondern mußte auch
darum bangen, eine liebgewordene Stätte für dieVerbreitung seinerJdeen zu verlieren.
Jedoch trat keine Änderung ein. wenn auch naturgemäß der persönlichoZusammenhang
lockerer wurde. Als 1910 die „Grünen" nach Berlin übersiedelten, hatte Jentsch bereits
einen Wirkungskreis gefunden, der seine Arbeitskraft im hohen Maße in An¬
spruch nahm: im September 1909 erhielt er die Aufforderung des Kommerzien-
rath Meyer, Leipzig, für dessen Versicherungsblätter „Nach Feierabend" und „Der
Volkshort" fortlaufend Beiträge zu liefern. Der Vertrag kam bald zustande und
alle Sorge war damit behoben. Diese neue Mitarbeit beanspruchte viel Kraft
und Zeit, dazu traten immer häufiger Anforderungen der verschiedensten Wochen-
und Moimtsscyriften, insbesondere nachdem Jentschs achtzigster Geburtstag und
die Ehrenpromotion durch die Breslauer Universität seinen Namen in aller Mund
gebracht hatte. So konnte der Alte von Reiße den lieben „Grünen", denen er
bis zu seinen: Tode in unverbrüchlicher Treue anhing, nur noch seltener etwas
senden. Er glaubte sich auch überdies (nach einem Briefe vom 21. Oktober) längst
zu deren Leserkreis restlos ausgesprochen zu haben. Doch er ward trotzdem bei
den „Grünen" nicht vergessen. Sie schrieben zu seinem achtzigsten Geburtstage:

„Wir ehren uns, wenn uns der 8. Februar ein Fest bedeutet, da achtzig
Jahre starker Lebensarbeit eines Tapferen sich vollenden." (Jahrg. 1913,1.) Zum
jetzigen Herausgeber der Grenzboten, den Jentsch schon seit längeren Jahren
persönlich kannte und für dessen Auffassungen über Rußland und Polen er sich ganz
besonders interessierte, ist er bis zum Tode in freundschaftlichen Beziehungen geblieben.

Carl Jentsch ist auch heute nicht vergessen, da wir rückschauend Totengedenken
begehen, und er wird auch in Zukunft den „Grenzboten" unvergessen bleiben.



*) Als interessanteste dieser kleinen Monographien seien hervorgehoben: „Cicero"
(1309, I), „David Friedrich Strauß" (1908, I), „Teresa de Jesus, Johann vom Kreuz"
(1908, II), „Overbeck und Nietzsche" (1908, III), „Berta von Suttner" (1909, I), „Der alte
Harkot" (1893, II).
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[0182] Carl Jentsch und die Grenzboten literaturrichter sein. (Brief vom 22. Februar 1892.) Später hat Jentsch freilich dem Freunde den Willen getan, aber nur selten, wenigstens insofern man die Gesamtzahl der von ihm in den „Grenzboten" besprochenen Bücher, die die 2000 übersteigt, in Betracht zieht. Endlich gehörten zu seiner Grenzbotenbeitragsdomüne die Referate über biographische Werke*). Wenn auch im vorstehenden nur andeutungsweise mitgeteilt werden konnte, inwieweit Carl Jentsch an dem reichen geistigen Gehalt der „Grenzboten" Anteil hatte — etwa 500 größere und 000 kleinere Abhandlungen stammen aus seiner Feder — so wird man doch nach allem Bisherigen ohne weiteres verstehen, daß Verleger und Mitarbeiter sich wechselseitig zu größtem Dank verpflichtet fühlte». Jentsch sprach das mehrfach öffentlich aus und hob stets hervor, wie hoch er es bewertete, für die „Grenzboten" tätig sein zu dürfen, nicht etwa nur um des mate¬ riellen Vorteiles willen (sie boten ihm jahrzehntelang die Hälfte seines Ein¬ kommens); er kannte und schätzte sie seit fast 40 Jahren, ehe er selbst für sie schrieb und hatte viel aus ihnen gelernt. Auch erkannte er willig an, durch Dr. Wustmanns Mühewaltung seinen Stil verbessert zu haben. Er war nach eigener Angabe bei Beginn seiner Publizistik recht unbeholfen gewesen im Finden der Worte, die seinen Gedanken treffend entsprachen. Manchmal lag eine Arbeit acht Tage im Schubfach und wurde täglich mehrmals hervorgezogen, um die letzte und immer wieder die „letzte" Fassung zu erhalten. (Brief vom 13. Dezember 1891.) In seiner Grunow-Erinnerung schrieb er: „So hat mir erst Grunow zu einer anständigen und verhältnismäßig gesicherten Existenz verholfen, hat mich durch den Verlag meiner Bücher im Publikum bekannt gemacht, und ohne die reiche Fülle von Rezensionsexemplaren, die mir von den „Grenzboten" in regel¬ mäßigen Abständen zugehen, wäre meine Schriftstellerei in einer aller literarischen Hilfsmittel entbehrenden Kleinstadt gar nicht möglich." — Ähnlich äußerte er sich in den „Wandlungen" (II, S. 171). Als Johannes Grunow am 1. April 1900 starb, war das natürlich ein schwerer Schlag für Jentsch; er verlor nicht nur den Freund, sondern mußte auch darum bangen, eine liebgewordene Stätte für dieVerbreitung seinerJdeen zu verlieren. Jedoch trat keine Änderung ein. wenn auch naturgemäß der persönlichoZusammenhang lockerer wurde. Als 1910 die „Grünen" nach Berlin übersiedelten, hatte Jentsch bereits einen Wirkungskreis gefunden, der seine Arbeitskraft im hohen Maße in An¬ spruch nahm: im September 1909 erhielt er die Aufforderung des Kommerzien- rath Meyer, Leipzig, für dessen Versicherungsblätter „Nach Feierabend" und „Der Volkshort" fortlaufend Beiträge zu liefern. Der Vertrag kam bald zustande und alle Sorge war damit behoben. Diese neue Mitarbeit beanspruchte viel Kraft und Zeit, dazu traten immer häufiger Anforderungen der verschiedensten Wochen- und Moimtsscyriften, insbesondere nachdem Jentschs achtzigster Geburtstag und die Ehrenpromotion durch die Breslauer Universität seinen Namen in aller Mund gebracht hatte. So konnte der Alte von Reiße den lieben „Grünen", denen er bis zu seinen: Tode in unverbrüchlicher Treue anhing, nur noch seltener etwas senden. Er glaubte sich auch überdies (nach einem Briefe vom 21. Oktober) längst zu deren Leserkreis restlos ausgesprochen zu haben. Doch er ward trotzdem bei den „Grünen" nicht vergessen. Sie schrieben zu seinem achtzigsten Geburtstage: „Wir ehren uns, wenn uns der 8. Februar ein Fest bedeutet, da achtzig Jahre starker Lebensarbeit eines Tapferen sich vollenden." (Jahrg. 1913,1.) Zum jetzigen Herausgeber der Grenzboten, den Jentsch schon seit längeren Jahren persönlich kannte und für dessen Auffassungen über Rußland und Polen er sich ganz besonders interessierte, ist er bis zum Tode in freundschaftlichen Beziehungen geblieben. Carl Jentsch ist auch heute nicht vergessen, da wir rückschauend Totengedenken begehen, und er wird auch in Zukunft den „Grenzboten" unvergessen bleiben. *) Als interessanteste dieser kleinen Monographien seien hervorgehoben: „Cicero" (1309, I), „David Friedrich Strauß" (1908, I), „Teresa de Jesus, Johann vom Kreuz" (1908, II), „Overbeck und Nietzsche" (1908, III), „Berta von Suttner" (1909, I), „Der alte Harkot" (1893, II).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/182>, abgerufen am 23.07.2024.