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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Zu Kiosk zum Pfauen

schiffe verladen, nach einer wüsten Insel der Marmara gebracht und dort dem
Hungertode preisgegeben, nachdem zuerst der Versuch gemacht worden war, sie auf
Staatskosten zu füttern. In weiten Schichten der Bevölkerung erregte diese Ma߬
nahme Groll und Unzufriedenheit. Auch bei Kiazim Pascha stieß sie auf Wider¬
stand, denn er liebte die Hunde seines Reviers fast ebenso wie seine Araberpferde,
die er im Stall stehen hatte und verwöhnte sie täglich mit ausgesuchten Lecker¬
bissen. Die Hunde hatten ihre Heimat auf dein breiten Quai vor seinem Daii.
Dort lagen sie tagsüber wohlig hingestreckt und sonnten sich bis in den Nach¬
mittag hinein. Erst wenn der leichte Wagen ihres Beschützers mit den zwei
prächtigen weißen Hengsten davor bereit stand, um den Pascha aus dem Indiz
(Palast Abdul Hamids) abzuholen, kam Leben in die Tiere. Nicht selten be-
gleiteten sie das Gefährt halbwegs bis nach Beschiktasch hinunter, wobei es stets
zu heftigen Kämpfen mit anderen Hunden kam, und erwarteten dann voll Un-
geduld die Rückkehr ihres Meisters. Mit lautem Gebell ward er empfangen, denn
nun begann für sie die festliche Hälfte des Tages. Dafür übernahmen sie während
der Nacht die Wache vor dem Mu.

War eines dieser Tiere alt und krank geworden, so ließ Kiazim Pascha es
in einer Barke nach dem cmatolischen Ufer rudern und dort aussetzen. Er hätte
es nicht über sich gebracht, einen seiner Lieblinge vor seinen Augen sterben
zu' sehen.

AIs nun die Zigeuner kamen, um auch am Quai vor dem Jaki ihre grau¬
same Jagd zu beginnen, geriet der Pascha in maßlose Wut. Zweimal verscheuchte
sie der Revolver seines ihm ergebenen Torhüters Schesik, dann versuchte er es mit
dem Bakschisch (Trinkgeld), und als die Landstreicher doch in einer stürmischen
Regennacht wiederkamen und ihre Bente einfingen, war Kiazim ihnen schon zu¬
vorgekommen. Zwei der zutraulichsten Tiere lagen bei Schefik drinnen im heim¬
lichen Versteck und bellten nicht einmal, als draußen ihre Kameraden kläglich
heulten. Diese Glücklichen kamen nicht mehr auf die Straße, bis Kiazim Pascha
begraben werden sollte. Auch an diesem Tag schloß man sie sorgfältig ein. Aber
sie begannen zu bellen und zu toben, als wüßten sie, daß man ihren Herrn hinaus-
trug, brachen dann aus und irrten umher, bis sie ihn schließlich auf dem Weg
zum Grabe wiedergefunden hatten.




Diese Seidenschaft des seltsamen Mannes reichte bis in die Zeit zurück, als
MelihN ^ wurde. Der Schmelz ihrer dunklen mandel-
förmig gesehn^ das Zaubermittel, das ehr vorübergehend da-
^-

Egingdas Gerücht. Melihat sei ein Geschenk des Sultans aber die
wenigen Bevor^ unverschleiert gesehen hatten, mochten acht daran
glauben. Ein? so schönen Vögelchen wird das Bauer nicht wieder geöffnet-,
""

nNru"fahren; aber der Pascha
war in G ellschM merkwürdig schweigsam geworden. Wenn er, was
etz eilen ^ aufsuchte, kapselte er sich in sein Glück ein.
2es^^ anderen und gab zerstreute Antworten. Auch seine


Zu Kiosk zum Pfauen

schiffe verladen, nach einer wüsten Insel der Marmara gebracht und dort dem
Hungertode preisgegeben, nachdem zuerst der Versuch gemacht worden war, sie auf
Staatskosten zu füttern. In weiten Schichten der Bevölkerung erregte diese Ma߬
nahme Groll und Unzufriedenheit. Auch bei Kiazim Pascha stieß sie auf Wider¬
stand, denn er liebte die Hunde seines Reviers fast ebenso wie seine Araberpferde,
die er im Stall stehen hatte und verwöhnte sie täglich mit ausgesuchten Lecker¬
bissen. Die Hunde hatten ihre Heimat auf dein breiten Quai vor seinem Daii.
Dort lagen sie tagsüber wohlig hingestreckt und sonnten sich bis in den Nach¬
mittag hinein. Erst wenn der leichte Wagen ihres Beschützers mit den zwei
prächtigen weißen Hengsten davor bereit stand, um den Pascha aus dem Indiz
(Palast Abdul Hamids) abzuholen, kam Leben in die Tiere. Nicht selten be-
gleiteten sie das Gefährt halbwegs bis nach Beschiktasch hinunter, wobei es stets
zu heftigen Kämpfen mit anderen Hunden kam, und erwarteten dann voll Un-
geduld die Rückkehr ihres Meisters. Mit lautem Gebell ward er empfangen, denn
nun begann für sie die festliche Hälfte des Tages. Dafür übernahmen sie während
der Nacht die Wache vor dem Mu.

War eines dieser Tiere alt und krank geworden, so ließ Kiazim Pascha es
in einer Barke nach dem cmatolischen Ufer rudern und dort aussetzen. Er hätte
es nicht über sich gebracht, einen seiner Lieblinge vor seinen Augen sterben
zu' sehen.

AIs nun die Zigeuner kamen, um auch am Quai vor dem Jaki ihre grau¬
same Jagd zu beginnen, geriet der Pascha in maßlose Wut. Zweimal verscheuchte
sie der Revolver seines ihm ergebenen Torhüters Schesik, dann versuchte er es mit
dem Bakschisch (Trinkgeld), und als die Landstreicher doch in einer stürmischen
Regennacht wiederkamen und ihre Bente einfingen, war Kiazim ihnen schon zu¬
vorgekommen. Zwei der zutraulichsten Tiere lagen bei Schefik drinnen im heim¬
lichen Versteck und bellten nicht einmal, als draußen ihre Kameraden kläglich
heulten. Diese Glücklichen kamen nicht mehr auf die Straße, bis Kiazim Pascha
begraben werden sollte. Auch an diesem Tag schloß man sie sorgfältig ein. Aber
sie begannen zu bellen und zu toben, als wüßten sie, daß man ihren Herrn hinaus-
trug, brachen dann aus und irrten umher, bis sie ihn schließlich auf dem Weg
zum Grabe wiedergefunden hatten.




Diese Seidenschaft des seltsamen Mannes reichte bis in die Zeit zurück, als
MelihN ^ wurde. Der Schmelz ihrer dunklen mandel-
förmig gesehn^ das Zaubermittel, das ehr vorübergehend da-
^-

Egingdas Gerücht. Melihat sei ein Geschenk des Sultans aber die
wenigen Bevor^ unverschleiert gesehen hatten, mochten acht daran
glauben. Ein? so schönen Vögelchen wird das Bauer nicht wieder geöffnet-,

nNru"fahren; aber der Pascha
war in G ellschM merkwürdig schweigsam geworden. Wenn er, was
etz eilen ^ aufsuchte, kapselte er sich in sein Glück ein.
2es^^ anderen und gab zerstreute Antworten. Auch seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/363>, abgerufen am 27.07.2024.