Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Nationale Zukunftsaufgaben der deutschen Arbeiterschaft abgestandenen politischen Ideale zur Verwirklichung kommen sollten, für deren Sehr vernehmlich ist aus den.Kreisen der deutschen Sozialdemokratie die Diese Sozialdemokraten aber, die sich jetzt als brave deutsche Patrioten be¬ Wenn diese Führer einer nationalen Arbeiterschaft also eine Demokratisierung Nationale Zukunftsaufgaben der deutschen Arbeiterschaft abgestandenen politischen Ideale zur Verwirklichung kommen sollten, für deren Sehr vernehmlich ist aus den.Kreisen der deutschen Sozialdemokratie die Diese Sozialdemokraten aber, die sich jetzt als brave deutsche Patrioten be¬ Wenn diese Führer einer nationalen Arbeiterschaft also eine Demokratisierung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333019"/> <fw type="header" place="top"> Nationale Zukunftsaufgaben der deutschen Arbeiterschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_978" prev="#ID_977"> abgestandenen politischen Ideale zur Verwirklichung kommen sollten, für deren<lb/> Aufrechterhaltung unsere Feinde kämpfen, dann stehen wir alle vor der ernsten<lb/> und schwerwiegenden Frage: welche neuen Formen sind zu suchen, in denen in<lb/> diesem nationalen Machtstaat der wichtige und zukunftsträchtige Arbeiterstand zu<lb/> der innerpolitischen Rolle gelangen kann, die ihm kraft seiner nationalen Leistungs¬<lb/> fähigkeit gebührt? Welches sind die innerpolitischen Aufgaben und Ideale einer<lb/> nationalen deutschen Arbeiterschaft nach diesem Krieg?</p><lb/> <p xml:id="ID_979"> Sehr vernehmlich ist aus den.Kreisen der deutschen Sozialdemokratie die<lb/> Forderung laut geworden, dieser Krieg, der an die breiten Massen so unerhörte<lb/> Anforderungen in jeder Hinsicht gestellt habe, müsse nun auch zu einer Demokra¬<lb/> tisierung, zu einer Vermehrung der Volksrechte führen. Es wäre glücklicher ge¬<lb/> wesen, wenn man vorsichtiger den Anschein vermieden hätte, als forderte die<lb/> deutsche Arbeiterschaft gewissermaßen einen Lohn dafür, daß sie ihren vater¬<lb/> ländischen, vor allem ihre militärischen Pflichten in diesem Krieg so begeistert<lb/> Folge geleistet hat. Gewiß hat auch die Sozialdemokratie als Partei, zum Teil<lb/> unter offenkundigem Bruch mit früheren laut verkündeten Prinzipien, sich in<lb/> diesem Krieg auf die Seite des verketzerten „Klassenstaates" gestellt. Aber die<lb/> Einmütigkeit des 4. August ist längst zerbrochen, und namhafte Kräfte der sozial¬<lb/> demokratischen Führerschaft sind wieder in die heftige Opposition, in die alte un¬<lb/> fruchtbare Verneinung zurückgekehrt. Ein wie großer Teil der Wählerschaft hinter<lb/> diesen Reaktionären des Internationalismus und des Umsturzes steht, läßt sich<lb/> heute noch nicht übersehen. Es ist zu befürchten, daß ihre Anhängerschaft nach<lb/> Friedensschluß nicht gering sein wird. Also nicht die gesamte Sozialdemokratie<lb/> hat sich während des Krieges eine restlose Anerkennung in vaterländischer Hinsicht<lb/> verdient, sondern recht eigentlich die große Masse der Sozialdemokraten als ein¬<lb/> zelner, die unbekümmert um die alten Parteiideale Leib und Leben für den viel¬<lb/> befehdeten Nationalstaat eingesetzt haben oder in der Heimat im Beruf wie in<lb/> den parteifremden Fürsorgeeinrichtungen positive, staatsaufbauende Arbeit ge¬<lb/> leistet haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_980"> Diese Sozialdemokraten aber, die sich jetzt als brave deutsche Patrioten be¬<lb/> währt haben, werden nach Friedensschluß vor der Aufgabe stehen, auf Grund<lb/> ihrer Taten und Erlebnisse geradezu eine neue Partei aufzubauen. Die Einheit<lb/> der alten Sozialdemokratie ist dahin, sie hat sich in eine ganze Reihe von Frak¬<lb/> tionen und Richtungen gespalten, die zum Teil nach einem nihilistischen Radika¬<lb/> lismus, zum Teil nach einem fast liberalen Sozialismus ausgeschlagen haben.<lb/> Die neue Form, die der Arbeitersozialismus als politische Betätigungsmöglichkeit<lb/> im Deutschland der Zukunft braucht, ist noch nicht zu klarer Herausgestaltung<lb/> gelangt. Die überaus fähigen Köpfe, die unter den sozialistischen Führern während<lb/> des Krieges hervorgetreten sind, geben aber gute Hoffnung, daß die unendlich<lb/> schwierige Aufgabe auch die Kräfte finden wird, die ihrer Lösung gewachsen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_981" next="#ID_982"> Wenn diese Führer einer nationalen Arbeiterschaft also eine Demokratisierung<lb/> des deutschen Staates fordern, so werden sie zunächst gut tun, das Belohnungs¬<lb/> motiv von vornherein auszuschalten. Für die Erfüllung dessen, was das unver-<lb/> bogene vaterländische Gewissen in unserem Volke als verdammte Pflicht und<lb/> Schuldigkeit empfand, verlangt ein anständiger Mensch keine Belohnung. Schon '<lb/> anders klingt der Hinweis, gerade die Massen hätten durch ihre Disziplin</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Nationale Zukunftsaufgaben der deutschen Arbeiterschaft
abgestandenen politischen Ideale zur Verwirklichung kommen sollten, für deren
Aufrechterhaltung unsere Feinde kämpfen, dann stehen wir alle vor der ernsten
und schwerwiegenden Frage: welche neuen Formen sind zu suchen, in denen in
diesem nationalen Machtstaat der wichtige und zukunftsträchtige Arbeiterstand zu
der innerpolitischen Rolle gelangen kann, die ihm kraft seiner nationalen Leistungs¬
fähigkeit gebührt? Welches sind die innerpolitischen Aufgaben und Ideale einer
nationalen deutschen Arbeiterschaft nach diesem Krieg?
Sehr vernehmlich ist aus den.Kreisen der deutschen Sozialdemokratie die
Forderung laut geworden, dieser Krieg, der an die breiten Massen so unerhörte
Anforderungen in jeder Hinsicht gestellt habe, müsse nun auch zu einer Demokra¬
tisierung, zu einer Vermehrung der Volksrechte führen. Es wäre glücklicher ge¬
wesen, wenn man vorsichtiger den Anschein vermieden hätte, als forderte die
deutsche Arbeiterschaft gewissermaßen einen Lohn dafür, daß sie ihren vater¬
ländischen, vor allem ihre militärischen Pflichten in diesem Krieg so begeistert
Folge geleistet hat. Gewiß hat auch die Sozialdemokratie als Partei, zum Teil
unter offenkundigem Bruch mit früheren laut verkündeten Prinzipien, sich in
diesem Krieg auf die Seite des verketzerten „Klassenstaates" gestellt. Aber die
Einmütigkeit des 4. August ist längst zerbrochen, und namhafte Kräfte der sozial¬
demokratischen Führerschaft sind wieder in die heftige Opposition, in die alte un¬
fruchtbare Verneinung zurückgekehrt. Ein wie großer Teil der Wählerschaft hinter
diesen Reaktionären des Internationalismus und des Umsturzes steht, läßt sich
heute noch nicht übersehen. Es ist zu befürchten, daß ihre Anhängerschaft nach
Friedensschluß nicht gering sein wird. Also nicht die gesamte Sozialdemokratie
hat sich während des Krieges eine restlose Anerkennung in vaterländischer Hinsicht
verdient, sondern recht eigentlich die große Masse der Sozialdemokraten als ein¬
zelner, die unbekümmert um die alten Parteiideale Leib und Leben für den viel¬
befehdeten Nationalstaat eingesetzt haben oder in der Heimat im Beruf wie in
den parteifremden Fürsorgeeinrichtungen positive, staatsaufbauende Arbeit ge¬
leistet haben.
Diese Sozialdemokraten aber, die sich jetzt als brave deutsche Patrioten be¬
währt haben, werden nach Friedensschluß vor der Aufgabe stehen, auf Grund
ihrer Taten und Erlebnisse geradezu eine neue Partei aufzubauen. Die Einheit
der alten Sozialdemokratie ist dahin, sie hat sich in eine ganze Reihe von Frak¬
tionen und Richtungen gespalten, die zum Teil nach einem nihilistischen Radika¬
lismus, zum Teil nach einem fast liberalen Sozialismus ausgeschlagen haben.
Die neue Form, die der Arbeitersozialismus als politische Betätigungsmöglichkeit
im Deutschland der Zukunft braucht, ist noch nicht zu klarer Herausgestaltung
gelangt. Die überaus fähigen Köpfe, die unter den sozialistischen Führern während
des Krieges hervorgetreten sind, geben aber gute Hoffnung, daß die unendlich
schwierige Aufgabe auch die Kräfte finden wird, die ihrer Lösung gewachsen sind.
Wenn diese Führer einer nationalen Arbeiterschaft also eine Demokratisierung
des deutschen Staates fordern, so werden sie zunächst gut tun, das Belohnungs¬
motiv von vornherein auszuschalten. Für die Erfüllung dessen, was das unver-
bogene vaterländische Gewissen in unserem Volke als verdammte Pflicht und
Schuldigkeit empfand, verlangt ein anständiger Mensch keine Belohnung. Schon '
anders klingt der Hinweis, gerade die Massen hätten durch ihre Disziplin
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