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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Freimaurer-Jubiläum

zu eigenartigen System- und Mythenbildungen; ein anderer Teil suchte sie in
Begriffe, in philosophische Systeme oder in Kunstwerke umzusetzen. Goethes
Faust ist das Buch, in dem das deutsche Freimaurernangeltum vom strebenden
und schaffenden Menschen am gewaltigsten verkündigt wird. Ein Suchen nach
der wahren Freimaurerei setzte ein, und es hat dabei auch nicht an Irrungen
und Wirkungen gefehlt. Aber nach langem Suchen entstand gegen Ende des acht¬
zehnten Jahrhunderts selbständig und selbstherrlich in der alten Heimat die "Deutsche
Freimaurerei". Sie ist das Kind des deutschen Geistes, der so erstarkt und mannbar
geworden war, daß er sich seine eigene Deutsche Freimaurerei schaffen konnte.
Die deutschen Dichter seit Klopstock, die Lessing, Herder, Wieland, Goethe,
Schiller, und die deutsche Philosophie von Leibniz bis zur Sonnenhöhe Kantscher
Gedankenwelt, hatten, unterstützt von deutscher Tonkunst, die aus dem Gemüte
der Bach, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven erwachsen war, das deutsche
Geistesleben hoch entwickelt. Und diese Entwicklung setzte sich in Wissenschaften
und Künsten in das folgende Jahrhundert fort. Aus diesem deutschen Geiste
wurde die Deutsche Freimaurerei geboren. Jetzt erst wurde die bis dahin nur
äußerlich übernommene englische Überlieferung inneres Eigentum der deutschen
Freimaurer, und so erst wurde sie, mit deutschem Geiste erfüllt, eine kultur¬
fördernde Kraft in deutschen Landen.

Äußerlich betrachtet trug in Deutschland der Eintritt Friedrichs des Großen,
der als Kronprinz im Jahre 1738 dem Bunde beitrat, wesentlich zu seiner
Duldung und Ausbreitung bei. Die meisten führenden Männer im achtzehnten
und im beginnenden neunzehnten Jahrhundert waren Freimaurer, unter ihnen
viele Landesherren. Von den preußischen Königen gehörten mit zwei Ausnahmen
alle bis auf unsere Tage dem Bunde als Mitglieder an, und die deutsche
Freimaurerei verdankt der eifrigen Mitarbeit der beiden ersten Deutschen Kaiser
unvergeßliche Anregung und Förderung. Nicht durch äußere Ursachen war
Friedrich der Große dem Bunde zugeführt worden. Später wollte er deshalb
auch nicht, wie die englischen Könige, nur repräsentativer Protektor sein. Noch
als König hat er bei wiederholtet, Anlässen bezeugt, daß die Bundesidee mit
seinen persönlichen Idealen zusammentraf. Der Weg aber, den der große
König dem deutschen Volke durch seine Lebensarbeit gewiesen hat, ist derselbe,
den jeder deutsche Freimaurer in seiner Loge geführt wird.

Mit dem neunzehnten Jahrhundert begann die deutsche Freimaurerei unter
Führung ihrer großen Männer bewußt alles Fremde auszuscheiden, insbesondere
auch das englische Erbteil, das sie übernommen hatte und das ihr noch lange
anhaftete. So wird bis auf Lessing die Ethik der Freimaurerei in englisch-
deistischem Sinne religionslos, auf sittliche Ideale gerichtet und als Ziel mit
einer besonderen Art von Unsterblichkeit, außerdem auch noch mit Freiheit und
Glückseligkeit in Beziehung gebracht. Nun hatten aber Kant, Herder, Schleier¬
macher und Fichte der Ethik andere Grundlagen geschaffen. Von diesen gewann
zunächst Herder einen gewissen Einfluß auf die Deutung der Symbole. Be-


Freimaurer-Jubiläum

zu eigenartigen System- und Mythenbildungen; ein anderer Teil suchte sie in
Begriffe, in philosophische Systeme oder in Kunstwerke umzusetzen. Goethes
Faust ist das Buch, in dem das deutsche Freimaurernangeltum vom strebenden
und schaffenden Menschen am gewaltigsten verkündigt wird. Ein Suchen nach
der wahren Freimaurerei setzte ein, und es hat dabei auch nicht an Irrungen
und Wirkungen gefehlt. Aber nach langem Suchen entstand gegen Ende des acht¬
zehnten Jahrhunderts selbständig und selbstherrlich in der alten Heimat die „Deutsche
Freimaurerei". Sie ist das Kind des deutschen Geistes, der so erstarkt und mannbar
geworden war, daß er sich seine eigene Deutsche Freimaurerei schaffen konnte.
Die deutschen Dichter seit Klopstock, die Lessing, Herder, Wieland, Goethe,
Schiller, und die deutsche Philosophie von Leibniz bis zur Sonnenhöhe Kantscher
Gedankenwelt, hatten, unterstützt von deutscher Tonkunst, die aus dem Gemüte
der Bach, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven erwachsen war, das deutsche
Geistesleben hoch entwickelt. Und diese Entwicklung setzte sich in Wissenschaften
und Künsten in das folgende Jahrhundert fort. Aus diesem deutschen Geiste
wurde die Deutsche Freimaurerei geboren. Jetzt erst wurde die bis dahin nur
äußerlich übernommene englische Überlieferung inneres Eigentum der deutschen
Freimaurer, und so erst wurde sie, mit deutschem Geiste erfüllt, eine kultur¬
fördernde Kraft in deutschen Landen.

Äußerlich betrachtet trug in Deutschland der Eintritt Friedrichs des Großen,
der als Kronprinz im Jahre 1738 dem Bunde beitrat, wesentlich zu seiner
Duldung und Ausbreitung bei. Die meisten führenden Männer im achtzehnten
und im beginnenden neunzehnten Jahrhundert waren Freimaurer, unter ihnen
viele Landesherren. Von den preußischen Königen gehörten mit zwei Ausnahmen
alle bis auf unsere Tage dem Bunde als Mitglieder an, und die deutsche
Freimaurerei verdankt der eifrigen Mitarbeit der beiden ersten Deutschen Kaiser
unvergeßliche Anregung und Förderung. Nicht durch äußere Ursachen war
Friedrich der Große dem Bunde zugeführt worden. Später wollte er deshalb
auch nicht, wie die englischen Könige, nur repräsentativer Protektor sein. Noch
als König hat er bei wiederholtet, Anlässen bezeugt, daß die Bundesidee mit
seinen persönlichen Idealen zusammentraf. Der Weg aber, den der große
König dem deutschen Volke durch seine Lebensarbeit gewiesen hat, ist derselbe,
den jeder deutsche Freimaurer in seiner Loge geführt wird.

Mit dem neunzehnten Jahrhundert begann die deutsche Freimaurerei unter
Führung ihrer großen Männer bewußt alles Fremde auszuscheiden, insbesondere
auch das englische Erbteil, das sie übernommen hatte und das ihr noch lange
anhaftete. So wird bis auf Lessing die Ethik der Freimaurerei in englisch-
deistischem Sinne religionslos, auf sittliche Ideale gerichtet und als Ziel mit
einer besonderen Art von Unsterblichkeit, außerdem auch noch mit Freiheit und
Glückseligkeit in Beziehung gebracht. Nun hatten aber Kant, Herder, Schleier¬
macher und Fichte der Ethik andere Grundlagen geschaffen. Von diesen gewann
zunächst Herder einen gewissen Einfluß auf die Deutung der Symbole. Be-


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[0094] Freimaurer-Jubiläum zu eigenartigen System- und Mythenbildungen; ein anderer Teil suchte sie in Begriffe, in philosophische Systeme oder in Kunstwerke umzusetzen. Goethes Faust ist das Buch, in dem das deutsche Freimaurernangeltum vom strebenden und schaffenden Menschen am gewaltigsten verkündigt wird. Ein Suchen nach der wahren Freimaurerei setzte ein, und es hat dabei auch nicht an Irrungen und Wirkungen gefehlt. Aber nach langem Suchen entstand gegen Ende des acht¬ zehnten Jahrhunderts selbständig und selbstherrlich in der alten Heimat die „Deutsche Freimaurerei". Sie ist das Kind des deutschen Geistes, der so erstarkt und mannbar geworden war, daß er sich seine eigene Deutsche Freimaurerei schaffen konnte. Die deutschen Dichter seit Klopstock, die Lessing, Herder, Wieland, Goethe, Schiller, und die deutsche Philosophie von Leibniz bis zur Sonnenhöhe Kantscher Gedankenwelt, hatten, unterstützt von deutscher Tonkunst, die aus dem Gemüte der Bach, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven erwachsen war, das deutsche Geistesleben hoch entwickelt. Und diese Entwicklung setzte sich in Wissenschaften und Künsten in das folgende Jahrhundert fort. Aus diesem deutschen Geiste wurde die Deutsche Freimaurerei geboren. Jetzt erst wurde die bis dahin nur äußerlich übernommene englische Überlieferung inneres Eigentum der deutschen Freimaurer, und so erst wurde sie, mit deutschem Geiste erfüllt, eine kultur¬ fördernde Kraft in deutschen Landen. Äußerlich betrachtet trug in Deutschland der Eintritt Friedrichs des Großen, der als Kronprinz im Jahre 1738 dem Bunde beitrat, wesentlich zu seiner Duldung und Ausbreitung bei. Die meisten führenden Männer im achtzehnten und im beginnenden neunzehnten Jahrhundert waren Freimaurer, unter ihnen viele Landesherren. Von den preußischen Königen gehörten mit zwei Ausnahmen alle bis auf unsere Tage dem Bunde als Mitglieder an, und die deutsche Freimaurerei verdankt der eifrigen Mitarbeit der beiden ersten Deutschen Kaiser unvergeßliche Anregung und Förderung. Nicht durch äußere Ursachen war Friedrich der Große dem Bunde zugeführt worden. Später wollte er deshalb auch nicht, wie die englischen Könige, nur repräsentativer Protektor sein. Noch als König hat er bei wiederholtet, Anlässen bezeugt, daß die Bundesidee mit seinen persönlichen Idealen zusammentraf. Der Weg aber, den der große König dem deutschen Volke durch seine Lebensarbeit gewiesen hat, ist derselbe, den jeder deutsche Freimaurer in seiner Loge geführt wird. Mit dem neunzehnten Jahrhundert begann die deutsche Freimaurerei unter Führung ihrer großen Männer bewußt alles Fremde auszuscheiden, insbesondere auch das englische Erbteil, das sie übernommen hatte und das ihr noch lange anhaftete. So wird bis auf Lessing die Ethik der Freimaurerei in englisch- deistischem Sinne religionslos, auf sittliche Ideale gerichtet und als Ziel mit einer besonderen Art von Unsterblichkeit, außerdem auch noch mit Freiheit und Glückseligkeit in Beziehung gebracht. Nun hatten aber Kant, Herder, Schleier¬ macher und Fichte der Ethik andere Grundlagen geschaffen. Von diesen gewann zunächst Herder einen gewissen Einfluß auf die Deutung der Symbole. Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/94>, abgerufen am 01.07.2024.