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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Freimaurer-Jubiläum

tum in hohem Maße beteiligt Das allein schon setzte die Freimaurerei von
Anfang an in scharfem Widerspruch zum Königtum, und umgekehrt bekämpfte
dieses die Freimaurerei als englische Einrichtung. Ludwig der Fünfzehnte verbot
den Freimaurern ihre Zusammenkünfte und ließ viele verhaften. Weiter gab
die Zusammensetzung der Logen zu parteipolitischer Betätigung Anlaß. Hier
trafen Adlige mit Bürgerlichen zusammen. Berücksichtigt man die Kluft, welche
damals den bevorrechteten Adel vom Bürgerstande trennte, so begreift man
den Abscheu der adligen Herrn vor dem "erbärmlichen Gemisch der Stände",
aber auch den zunehmenden Haß der Bürgerlichen gegen den seinen Hochmut
brutal zur Schau tragenden Adel. Damit war der Zwiespalt in die Frei-
maurerei hineingetragen und die haßerfüllten Klassenkämpfe der französischen
Stände fanden während der letzten Jahrzehnte des Königtums in den Logen
reichlich Gelegenheit zur Betätigung. In diesen Kämpfen überwog die Strömung,
welche gegen die Vorrechte von Adel, Geistlichkeit und Königtum ankämpfte.
Schon damals verteidigte der Großorient von Frankreich seinen Haß gegen die
Monarchie als freimaurerische Pflicht. Das beweist u. a. eine Rede. welche
der Herzog von Autin in seiner Eigenschaft als Großmeister im Jahre 1740 bei
einem Logenfeste hielt. Darin heißt es: "Die Menschen sind ihrem Wesen nach
nicht geschieden durch den Unterschied der Sprachen, die sie sprechen, der Kleider,
die sie tragen, der Länder, die sie bewohnen, noch der Würden, mit denen sie
bekleidet sind. Die ganze Welt ist eine Republik, jedes Voll ist darin eine
Familie, jeder einzelne ein Kind. Um diese wesentlichen Grundsätze, die der
menschlichen Natur entnommen sind, neu zu beleben und auszubreiten, darum
ist unsere Gesellschaft zunächst gegründet worden." Das ist schon der Geist der
Revolution von 1789. aber nicht derjenige der Freimaurerei; denn es ist nicht
die politische, sondern die ethische Seite der Aufklärung gewesen, welche das
Band zwischen beiden geknüpft hat. Das Grundgesetz der Freimaurerei, die
"Alten Pflichten", stellt das Verhältnis zum Staat und seinen Organen sehr
unfranzösisch fest: "Der Maurer ist ein friedfertiger Untertan der bürgerlichen
Gewalt, wo er auch wohnt und arbeitet, und muß sich nie in Meuterei und
Verschwörung gegen den Frieden und die Wohlfahrt der Nation einlassen, noch
sich pflichtwidrig gegen die Obrigkeit betragen." Wohl trägt die alte Frei¬
maurerei den Gedanken der Gleichwertigkeit aller Menschen als innersten Kern,
aber sie faßt die Humanitätsidee als Pflicht und Aufgabe, so daß der Zustand,
den der Herzog von Autin als Voraussetzung freimaurerischen Handels annimmt,
das Ziel ist. Die französischen Freimaurer stellen aber nicht die sittliche Frage
in den Mittelpunkt, sondern vertreten die Traditionen von 1789 in dem ober¬
flächlichen Sinne der französischen Demokratie. Deshalb schwimmen sie von
jeher im unruhigen Fahrwasser der Parteipolitik.

Auf ihren Zusammenhang mit der Revolution sind sie stolz und erkennen
ausdrücklich an, daß die Freimaurerei die Revolution vorbereitet und hervor¬
gerufen hat. "In den Logen wurden die Mittel studiert, um dem Verfalle,


Freimaurer-Jubiläum

tum in hohem Maße beteiligt Das allein schon setzte die Freimaurerei von
Anfang an in scharfem Widerspruch zum Königtum, und umgekehrt bekämpfte
dieses die Freimaurerei als englische Einrichtung. Ludwig der Fünfzehnte verbot
den Freimaurern ihre Zusammenkünfte und ließ viele verhaften. Weiter gab
die Zusammensetzung der Logen zu parteipolitischer Betätigung Anlaß. Hier
trafen Adlige mit Bürgerlichen zusammen. Berücksichtigt man die Kluft, welche
damals den bevorrechteten Adel vom Bürgerstande trennte, so begreift man
den Abscheu der adligen Herrn vor dem „erbärmlichen Gemisch der Stände",
aber auch den zunehmenden Haß der Bürgerlichen gegen den seinen Hochmut
brutal zur Schau tragenden Adel. Damit war der Zwiespalt in die Frei-
maurerei hineingetragen und die haßerfüllten Klassenkämpfe der französischen
Stände fanden während der letzten Jahrzehnte des Königtums in den Logen
reichlich Gelegenheit zur Betätigung. In diesen Kämpfen überwog die Strömung,
welche gegen die Vorrechte von Adel, Geistlichkeit und Königtum ankämpfte.
Schon damals verteidigte der Großorient von Frankreich seinen Haß gegen die
Monarchie als freimaurerische Pflicht. Das beweist u. a. eine Rede. welche
der Herzog von Autin in seiner Eigenschaft als Großmeister im Jahre 1740 bei
einem Logenfeste hielt. Darin heißt es: „Die Menschen sind ihrem Wesen nach
nicht geschieden durch den Unterschied der Sprachen, die sie sprechen, der Kleider,
die sie tragen, der Länder, die sie bewohnen, noch der Würden, mit denen sie
bekleidet sind. Die ganze Welt ist eine Republik, jedes Voll ist darin eine
Familie, jeder einzelne ein Kind. Um diese wesentlichen Grundsätze, die der
menschlichen Natur entnommen sind, neu zu beleben und auszubreiten, darum
ist unsere Gesellschaft zunächst gegründet worden." Das ist schon der Geist der
Revolution von 1789. aber nicht derjenige der Freimaurerei; denn es ist nicht
die politische, sondern die ethische Seite der Aufklärung gewesen, welche das
Band zwischen beiden geknüpft hat. Das Grundgesetz der Freimaurerei, die
»Alten Pflichten", stellt das Verhältnis zum Staat und seinen Organen sehr
unfranzösisch fest: „Der Maurer ist ein friedfertiger Untertan der bürgerlichen
Gewalt, wo er auch wohnt und arbeitet, und muß sich nie in Meuterei und
Verschwörung gegen den Frieden und die Wohlfahrt der Nation einlassen, noch
sich pflichtwidrig gegen die Obrigkeit betragen." Wohl trägt die alte Frei¬
maurerei den Gedanken der Gleichwertigkeit aller Menschen als innersten Kern,
aber sie faßt die Humanitätsidee als Pflicht und Aufgabe, so daß der Zustand,
den der Herzog von Autin als Voraussetzung freimaurerischen Handels annimmt,
das Ziel ist. Die französischen Freimaurer stellen aber nicht die sittliche Frage
in den Mittelpunkt, sondern vertreten die Traditionen von 1789 in dem ober¬
flächlichen Sinne der französischen Demokratie. Deshalb schwimmen sie von
jeher im unruhigen Fahrwasser der Parteipolitik.

Auf ihren Zusammenhang mit der Revolution sind sie stolz und erkennen
ausdrücklich an, daß die Freimaurerei die Revolution vorbereitet und hervor¬
gerufen hat. „In den Logen wurden die Mittel studiert, um dem Verfalle,


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[0089] Freimaurer-Jubiläum tum in hohem Maße beteiligt Das allein schon setzte die Freimaurerei von Anfang an in scharfem Widerspruch zum Königtum, und umgekehrt bekämpfte dieses die Freimaurerei als englische Einrichtung. Ludwig der Fünfzehnte verbot den Freimaurern ihre Zusammenkünfte und ließ viele verhaften. Weiter gab die Zusammensetzung der Logen zu parteipolitischer Betätigung Anlaß. Hier trafen Adlige mit Bürgerlichen zusammen. Berücksichtigt man die Kluft, welche damals den bevorrechteten Adel vom Bürgerstande trennte, so begreift man den Abscheu der adligen Herrn vor dem „erbärmlichen Gemisch der Stände", aber auch den zunehmenden Haß der Bürgerlichen gegen den seinen Hochmut brutal zur Schau tragenden Adel. Damit war der Zwiespalt in die Frei- maurerei hineingetragen und die haßerfüllten Klassenkämpfe der französischen Stände fanden während der letzten Jahrzehnte des Königtums in den Logen reichlich Gelegenheit zur Betätigung. In diesen Kämpfen überwog die Strömung, welche gegen die Vorrechte von Adel, Geistlichkeit und Königtum ankämpfte. Schon damals verteidigte der Großorient von Frankreich seinen Haß gegen die Monarchie als freimaurerische Pflicht. Das beweist u. a. eine Rede. welche der Herzog von Autin in seiner Eigenschaft als Großmeister im Jahre 1740 bei einem Logenfeste hielt. Darin heißt es: „Die Menschen sind ihrem Wesen nach nicht geschieden durch den Unterschied der Sprachen, die sie sprechen, der Kleider, die sie tragen, der Länder, die sie bewohnen, noch der Würden, mit denen sie bekleidet sind. Die ganze Welt ist eine Republik, jedes Voll ist darin eine Familie, jeder einzelne ein Kind. Um diese wesentlichen Grundsätze, die der menschlichen Natur entnommen sind, neu zu beleben und auszubreiten, darum ist unsere Gesellschaft zunächst gegründet worden." Das ist schon der Geist der Revolution von 1789. aber nicht derjenige der Freimaurerei; denn es ist nicht die politische, sondern die ethische Seite der Aufklärung gewesen, welche das Band zwischen beiden geknüpft hat. Das Grundgesetz der Freimaurerei, die »Alten Pflichten", stellt das Verhältnis zum Staat und seinen Organen sehr unfranzösisch fest: „Der Maurer ist ein friedfertiger Untertan der bürgerlichen Gewalt, wo er auch wohnt und arbeitet, und muß sich nie in Meuterei und Verschwörung gegen den Frieden und die Wohlfahrt der Nation einlassen, noch sich pflichtwidrig gegen die Obrigkeit betragen." Wohl trägt die alte Frei¬ maurerei den Gedanken der Gleichwertigkeit aller Menschen als innersten Kern, aber sie faßt die Humanitätsidee als Pflicht und Aufgabe, so daß der Zustand, den der Herzog von Autin als Voraussetzung freimaurerischen Handels annimmt, das Ziel ist. Die französischen Freimaurer stellen aber nicht die sittliche Frage in den Mittelpunkt, sondern vertreten die Traditionen von 1789 in dem ober¬ flächlichen Sinne der französischen Demokratie. Deshalb schwimmen sie von jeher im unruhigen Fahrwasser der Parteipolitik. Auf ihren Zusammenhang mit der Revolution sind sie stolz und erkennen ausdrücklich an, daß die Freimaurerei die Revolution vorbereitet und hervor¬ gerufen hat. „In den Logen wurden die Mittel studiert, um dem Verfalle,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/89>, abgerufen am 01.07.2024.