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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Freimaurer-Jubiläum

Freimaurer führen prunkhafte kirchliche Prozessionen auf und pflegen einen
philiströs tugendhaft zur Schau getragenen Wohltätigkeitssport.

Rassenhochmut und innere Abneigung gegen die besondere Art der lateinischen
Freimaurerei haben die englischen Freimaurer vor jeglicher Annäherung an
diese bewahrt. Als der Großorient von Frankreich im Jahre 1877 beschloß,
die Bestimmung seiner Verfassung, die den Gottesglauben als die Grundlage
der Freimaurerei erklärte, zu streichen, brachen die englischen und amerikanischen
Logen auch noch alle die Beziehungen zu ihm ab, welche schon bis dahin nichts
weiter, als internationale Höflichkeiten gewesen waren. Es war vor allem das
politische Getriebe in der französischen Freimaurerei, das der englischen mißfiel.
Diese ist zu keiner Zeit ein politischer Klub gewesen. Das soll nach Meldungen
aus römischer Quelle während des Weltkrieges and°rs geworden sein. Auch
die englische Freimaurerei soll sich mit der lateinischen zum Werkzeuge der
Tagespolitik verbündet haben. Haß und Furcht haben im Weltkriege schon oft
englischen Hochmut gebeugt und feste Traditionen preisgegeben. Ihre Frei¬
maurerei muß also auch diesen Vorwurf bis auf weiteres hinnehmen.

Die lateinische Freimaurerei ist in den romanischen Ländern mit ihren
Kolonien heimisch. Für sie ist die französische mustergültig; denn sie wird von
Frankreich aus geistig genährt und dirigiert. Der Franzose erkannte von An¬
fang an als das Kulturgut, das in der Freimaurerei gegeben ist, die politische
Freiheit, die sein Volk von dem Drucke einer herrschsüchtigen absoluten Fürsten¬
macht und von dem Zwange einer die Gewissen knechtenden Kirche befreien
sollte. Unter dem Schutze des Geheimnisses machten deshalb die französischen
Freimaurer aus ihren Logen parteipolitische Klubs, in denen sie die Vorbe¬
reitungen trafen und die Werkzeuge schufen, mit denen sie für ihr Land bessere
politische Zustände herbeizuführen suchten. Aus dem Kampfe gegen wirkliche
oder vermeintliche Tyrannei erwuchs die Revolution, und, da man sich Religion
ohne die herrschende Kirche nicht denken konnte, entbrannte aus dem Kampfe
gegen die knechtende Kirche der Kampf gegen die Religion.

Bald nach der Gründung der englischen Großloge taten Engländer in
Frankreich englische Logen auf, die erste in Paris im Jahre 1725. Bald
folgten auch rein französische Logen, deren Zahl' rasch stieg und beim Ausbruch
der großen Revolution sechshunoertneuunozwanzig betrug. Nach wechselvollem
Schicksale gab es beim Ausbruche des Weltkrieges fünfhundertdreiunddreißig
französische Logen mit sechsundzwcmzigtausend Mitgliedern, davon in Paris ein-
hundertzweiunddreißig Logen.

Schon die englische Herkunft leitete die französische Freimaurerei in politische
Bahnen. Die französische Aufklärung fällt in die Zeit, in der die politischen
Umtriebe zugunsten der Stuarts spielten. An ihnen war das französische König-



*) Ausführlicher in "Grenzboten" 191.6, Heft 37 und 38 "Die Freimaurer und der
Weltkrieg",
Freimaurer-Jubiläum

Freimaurer führen prunkhafte kirchliche Prozessionen auf und pflegen einen
philiströs tugendhaft zur Schau getragenen Wohltätigkeitssport.

Rassenhochmut und innere Abneigung gegen die besondere Art der lateinischen
Freimaurerei haben die englischen Freimaurer vor jeglicher Annäherung an
diese bewahrt. Als der Großorient von Frankreich im Jahre 1877 beschloß,
die Bestimmung seiner Verfassung, die den Gottesglauben als die Grundlage
der Freimaurerei erklärte, zu streichen, brachen die englischen und amerikanischen
Logen auch noch alle die Beziehungen zu ihm ab, welche schon bis dahin nichts
weiter, als internationale Höflichkeiten gewesen waren. Es war vor allem das
politische Getriebe in der französischen Freimaurerei, das der englischen mißfiel.
Diese ist zu keiner Zeit ein politischer Klub gewesen. Das soll nach Meldungen
aus römischer Quelle während des Weltkrieges and°rs geworden sein. Auch
die englische Freimaurerei soll sich mit der lateinischen zum Werkzeuge der
Tagespolitik verbündet haben. Haß und Furcht haben im Weltkriege schon oft
englischen Hochmut gebeugt und feste Traditionen preisgegeben. Ihre Frei¬
maurerei muß also auch diesen Vorwurf bis auf weiteres hinnehmen.

Die lateinische Freimaurerei ist in den romanischen Ländern mit ihren
Kolonien heimisch. Für sie ist die französische mustergültig; denn sie wird von
Frankreich aus geistig genährt und dirigiert. Der Franzose erkannte von An¬
fang an als das Kulturgut, das in der Freimaurerei gegeben ist, die politische
Freiheit, die sein Volk von dem Drucke einer herrschsüchtigen absoluten Fürsten¬
macht und von dem Zwange einer die Gewissen knechtenden Kirche befreien
sollte. Unter dem Schutze des Geheimnisses machten deshalb die französischen
Freimaurer aus ihren Logen parteipolitische Klubs, in denen sie die Vorbe¬
reitungen trafen und die Werkzeuge schufen, mit denen sie für ihr Land bessere
politische Zustände herbeizuführen suchten. Aus dem Kampfe gegen wirkliche
oder vermeintliche Tyrannei erwuchs die Revolution, und, da man sich Religion
ohne die herrschende Kirche nicht denken konnte, entbrannte aus dem Kampfe
gegen die knechtende Kirche der Kampf gegen die Religion.

Bald nach der Gründung der englischen Großloge taten Engländer in
Frankreich englische Logen auf, die erste in Paris im Jahre 1725. Bald
folgten auch rein französische Logen, deren Zahl' rasch stieg und beim Ausbruch
der großen Revolution sechshunoertneuunozwanzig betrug. Nach wechselvollem
Schicksale gab es beim Ausbruche des Weltkrieges fünfhundertdreiunddreißig
französische Logen mit sechsundzwcmzigtausend Mitgliedern, davon in Paris ein-
hundertzweiunddreißig Logen.

Schon die englische Herkunft leitete die französische Freimaurerei in politische
Bahnen. Die französische Aufklärung fällt in die Zeit, in der die politischen
Umtriebe zugunsten der Stuarts spielten. An ihnen war das französische König-



*) Ausführlicher in „Grenzboten" 191.6, Heft 37 und 38 „Die Freimaurer und der
Weltkrieg",
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/88>, abgerufen am 01.07.2024.