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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Englands Ariegscrfolge

behalten. Denn das ist etwas ganz anderes als Annexion oder Eroberung
und geschieht nur zum Schutze der Verbündeten Englands. Gleichzeitig würde
aber damit Deutschland, wenn beide Küsten des Kanals englisch sind und
bleiben, in der wirksamsten Weise vom offenen atlantischen Weltmeere ab¬
geschnürt. Dafür soll es aber die glücklich gewonnene Ausfallspforte an der
flandrischen Küste aufgeben.

Ebenso hat sich England, die russische Schwäche benutzend, am nördlichen
Eismeere in Archangel festgesetzt. Die Russen sind hier ebenso nur uoch ge¬
duldete Eingeborene, wie die Franzosen an der Kanallüste.

Die Ostsee ist dank ihrer engen Zugänge und deren Bewachung durch die
deutsche Flotte bisher von England frei geblieben. Hier hat also Deutschland
noch freien Verkehr nach den skandinavischen Ländern. Doch England baut vor.
Schon schließt es in Livland und Estland Kauf- und langfristige Pachtverträge,
um auch hier später Stützpunkte zu gewinnen. Wenn Deutschland im Frieden
nicht außer Kurland auch Livland und Estland erwirbt und für die wirkliche
Unabhängigkeit Finnlands sorgt, wird es sich in einem künftigen Kriege auch
auf der Ostsee von allem Weltverkehre durch England abgeschnitten sehen. Die
von England verlangte Internationalisierung und Neutralisierung des Nord-
Ostsee-Kanals, was nichts anderes bedeuten würde als die Stellung des Kanals
unter englische Botmäßigkeit nach Art des Suezkanals, gehört allerdings in das
Reich der politischen Phantasien, so lange Deutschland nicht vollständig besiegt
und seine Flotte vernichtet ist. Aber die von den russischen Ostseeprovinzen
drohende englische Gefahr ist wirklich ernst genug. Denn Deutschland hätte bei
einem Frieden ohne Annexionen kein Recht oder wenigstens keine Möglichkeit,
einer souveränen russischen Staatsgewalt die Verfügung über ihr Gebiet zu¬
gunsten des englischen Beschützers zu bestreiten. Schon schickt sich England an.
auch hier die künftige Abschnürung Deutschlands ins Werk zu setzen. Bei dem
Verfalle des russischen Reiches und der. Schwäche der skandinavischen Staaten
kann die Ostsee nur Deutschland zum Herren haben, oder sie fällt der eng¬
lischen Herrschaft anheim wie das Mittelmeer. Es ist die alte geschichtliche
Machtfrage des vommium rrmris Kaltin, die hier in neuer Gestalt auftaucht.
Noch ist es Zeit, den englischen Bestrebungen einen Riegel vorzuschieben.

Die Eroberung von Südwestafrika schließt den in der südafrikanischen
Union vereinigten englischen Besitz äußerlich ab. Damit ist für England in
Zukunft jede äußere Gefährdung von Südafrika ausgeschlossen. Noch im An¬
fange des Krieges bestand die Gefahr, daß die kleine deutsche Heeresmacht in
Südwestafrika den englandfeindlichen Teilen des Burenvolkes die Hand reichte,
Südafrika ganz oder teilweise von der englischen Herrschaft befreite und damit
das Ergebnis des Burenkrieges rückgängig machte. Diese Gefahr ist jetzt be¬
schworen. Von außen droht für das englische Afrika kein Feind mehr. Und
hatte England den Burenkrieg wesentlich aus dem Grunde begonnen, um sich
.die reichen Mineralschätze des Randgebietes anzueignen, während es früher,


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Englands Ariegscrfolge

behalten. Denn das ist etwas ganz anderes als Annexion oder Eroberung
und geschieht nur zum Schutze der Verbündeten Englands. Gleichzeitig würde
aber damit Deutschland, wenn beide Küsten des Kanals englisch sind und
bleiben, in der wirksamsten Weise vom offenen atlantischen Weltmeere ab¬
geschnürt. Dafür soll es aber die glücklich gewonnene Ausfallspforte an der
flandrischen Küste aufgeben.

Ebenso hat sich England, die russische Schwäche benutzend, am nördlichen
Eismeere in Archangel festgesetzt. Die Russen sind hier ebenso nur uoch ge¬
duldete Eingeborene, wie die Franzosen an der Kanallüste.

Die Ostsee ist dank ihrer engen Zugänge und deren Bewachung durch die
deutsche Flotte bisher von England frei geblieben. Hier hat also Deutschland
noch freien Verkehr nach den skandinavischen Ländern. Doch England baut vor.
Schon schließt es in Livland und Estland Kauf- und langfristige Pachtverträge,
um auch hier später Stützpunkte zu gewinnen. Wenn Deutschland im Frieden
nicht außer Kurland auch Livland und Estland erwirbt und für die wirkliche
Unabhängigkeit Finnlands sorgt, wird es sich in einem künftigen Kriege auch
auf der Ostsee von allem Weltverkehre durch England abgeschnitten sehen. Die
von England verlangte Internationalisierung und Neutralisierung des Nord-
Ostsee-Kanals, was nichts anderes bedeuten würde als die Stellung des Kanals
unter englische Botmäßigkeit nach Art des Suezkanals, gehört allerdings in das
Reich der politischen Phantasien, so lange Deutschland nicht vollständig besiegt
und seine Flotte vernichtet ist. Aber die von den russischen Ostseeprovinzen
drohende englische Gefahr ist wirklich ernst genug. Denn Deutschland hätte bei
einem Frieden ohne Annexionen kein Recht oder wenigstens keine Möglichkeit,
einer souveränen russischen Staatsgewalt die Verfügung über ihr Gebiet zu¬
gunsten des englischen Beschützers zu bestreiten. Schon schickt sich England an.
auch hier die künftige Abschnürung Deutschlands ins Werk zu setzen. Bei dem
Verfalle des russischen Reiches und der. Schwäche der skandinavischen Staaten
kann die Ostsee nur Deutschland zum Herren haben, oder sie fällt der eng¬
lischen Herrschaft anheim wie das Mittelmeer. Es ist die alte geschichtliche
Machtfrage des vommium rrmris Kaltin, die hier in neuer Gestalt auftaucht.
Noch ist es Zeit, den englischen Bestrebungen einen Riegel vorzuschieben.

Die Eroberung von Südwestafrika schließt den in der südafrikanischen
Union vereinigten englischen Besitz äußerlich ab. Damit ist für England in
Zukunft jede äußere Gefährdung von Südafrika ausgeschlossen. Noch im An¬
fange des Krieges bestand die Gefahr, daß die kleine deutsche Heeresmacht in
Südwestafrika den englandfeindlichen Teilen des Burenvolkes die Hand reichte,
Südafrika ganz oder teilweise von der englischen Herrschaft befreite und damit
das Ergebnis des Burenkrieges rückgängig machte. Diese Gefahr ist jetzt be¬
schworen. Von außen droht für das englische Afrika kein Feind mehr. Und
hatte England den Burenkrieg wesentlich aus dem Grunde begonnen, um sich
.die reichen Mineralschätze des Randgebietes anzueignen, während es früher,


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[0079] Englands Ariegscrfolge behalten. Denn das ist etwas ganz anderes als Annexion oder Eroberung und geschieht nur zum Schutze der Verbündeten Englands. Gleichzeitig würde aber damit Deutschland, wenn beide Küsten des Kanals englisch sind und bleiben, in der wirksamsten Weise vom offenen atlantischen Weltmeere ab¬ geschnürt. Dafür soll es aber die glücklich gewonnene Ausfallspforte an der flandrischen Küste aufgeben. Ebenso hat sich England, die russische Schwäche benutzend, am nördlichen Eismeere in Archangel festgesetzt. Die Russen sind hier ebenso nur uoch ge¬ duldete Eingeborene, wie die Franzosen an der Kanallüste. Die Ostsee ist dank ihrer engen Zugänge und deren Bewachung durch die deutsche Flotte bisher von England frei geblieben. Hier hat also Deutschland noch freien Verkehr nach den skandinavischen Ländern. Doch England baut vor. Schon schließt es in Livland und Estland Kauf- und langfristige Pachtverträge, um auch hier später Stützpunkte zu gewinnen. Wenn Deutschland im Frieden nicht außer Kurland auch Livland und Estland erwirbt und für die wirkliche Unabhängigkeit Finnlands sorgt, wird es sich in einem künftigen Kriege auch auf der Ostsee von allem Weltverkehre durch England abgeschnitten sehen. Die von England verlangte Internationalisierung und Neutralisierung des Nord- Ostsee-Kanals, was nichts anderes bedeuten würde als die Stellung des Kanals unter englische Botmäßigkeit nach Art des Suezkanals, gehört allerdings in das Reich der politischen Phantasien, so lange Deutschland nicht vollständig besiegt und seine Flotte vernichtet ist. Aber die von den russischen Ostseeprovinzen drohende englische Gefahr ist wirklich ernst genug. Denn Deutschland hätte bei einem Frieden ohne Annexionen kein Recht oder wenigstens keine Möglichkeit, einer souveränen russischen Staatsgewalt die Verfügung über ihr Gebiet zu¬ gunsten des englischen Beschützers zu bestreiten. Schon schickt sich England an. auch hier die künftige Abschnürung Deutschlands ins Werk zu setzen. Bei dem Verfalle des russischen Reiches und der. Schwäche der skandinavischen Staaten kann die Ostsee nur Deutschland zum Herren haben, oder sie fällt der eng¬ lischen Herrschaft anheim wie das Mittelmeer. Es ist die alte geschichtliche Machtfrage des vommium rrmris Kaltin, die hier in neuer Gestalt auftaucht. Noch ist es Zeit, den englischen Bestrebungen einen Riegel vorzuschieben. Die Eroberung von Südwestafrika schließt den in der südafrikanischen Union vereinigten englischen Besitz äußerlich ab. Damit ist für England in Zukunft jede äußere Gefährdung von Südafrika ausgeschlossen. Noch im An¬ fange des Krieges bestand die Gefahr, daß die kleine deutsche Heeresmacht in Südwestafrika den englandfeindlichen Teilen des Burenvolkes die Hand reichte, Südafrika ganz oder teilweise von der englischen Herrschaft befreite und damit das Ergebnis des Burenkrieges rückgängig machte. Diese Gefahr ist jetzt be¬ schworen. Von außen droht für das englische Afrika kein Feind mehr. Und hatte England den Burenkrieg wesentlich aus dem Grunde begonnen, um sich .die reichen Mineralschätze des Randgebietes anzueignen, während es früher, 5"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/79>, abgerufen am 01.07.2024.