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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Nachklänge zu den offenen Briefen an Herrn von Heydebrand

Genau ebenso liegt die Sache hinsichtlich der Kommandogewalt des Kaisers,
für die ich gleichfalls unbedingt eintrete. Es ist klar, daß die Frage der ge¬
samten Kriegführung und also auch die Frage des mehr oder minder ein¬
geschränkten U-Bootkriegs ein integrierender Bestandteil der kaiserlichen Kom¬
mandogewalt ist, und daß eine Partei, die grundsätzlich die Kommandogewalt
hochhält, unter keinen Umständen etwa in der Frage, ob der verschärfte U-Boot-
kricg anzuwenden war oder nicht, einen Druck der öffentlichen Meinung auf
den Kaiser herbeiführen durste.

Ob diese Rücksicht von der konservativen Partei unter Führung des Herrn
von Heydebrand, etwa bei den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über
die U-Bootfrage immer innegehalten worden ist, das will ich heute, wo ich
nicht, wie in meinen offenen Briefen anklagen und angreifen, sondern in leiden¬
schaftsloser ruhiger Darlegung überzeugen möchte, nicht untersuchen. Das aber
darf ich, ohne damit irgend aggressiv zu werden, betonen, daß nur eine Partei und
einePresse, die in diesen grundlegenden Fragen ein gänzlich reines und unbeschwertes
Gewissen hat, ein Recht haben könnte, anderwärts, etwa in demvondemVerfassungs-
ausschuß berührten Punkten als Hüterin der Krourechte aufzutreten. Selbst¬
verständlich billige ich in genauer Konsequenz meiner grundsätzlichen Anschauungen
auch nicht das Verfahren des Verfassungsausschusses, insoweit es eine Minderung
der Kronrechte und einen Einbruch in die Kommandogewalt des Kaisers ent¬
halten sollte, -- bekanntlich wird von hervorragenden Vertretern des Verfassungs¬
ausschusses auf das allerentschiedenste betont, daß ein solcher Einbruch nicht
beabsichtigt sei -- Krone und Parlament sind als Gesetzgeber gleichberechtigte
Faktoren; eine Minderung der Rechte des einen oder des anderen Teils sollte
daher niemals auf dem Wege eines einseitigen Vorgehens, sondern immer nur
im Wege gütlicher Vereinbarung versucht werden. Unabhängig davon ist die
Frage, ob nicht die Krone von sich aus, aus den überwältigenden Erlebnissen
und Erfahrungen des Weltkrieges die Folgerung zieht, von ihren Rechten durch
eine Mehrung der Volks- und Parlamentsrechte abzulassen. Wenn die Krone
diesen Weg einschlägt, wenn sie glaubt, gebend um so mehr an Vertrauen,
Liebe und moralischer Autorität zu gewinnen, so kann es nach meiner Ansicht
nicht Aufgabe einer konservativen Partei sein, monarchischer als der Monarch
zu sein. Daß die Monarchie unter allen Umständen die Führung im Staats¬
wesen behalten muß. auch behalten wollen wird, ist auch meine entschiedene
Überzeugung; die Initiative der Monarchie im Geben wie im Nehmen, in der
Berfassungs- wie in der sozialen Frage schätze ich gewiß nicht geringer ein als
irgendein Konservativer.

Was nun den zweiten konservativen Kardinalpunkt anbetrifft, das Christen¬
tum, so stehe ich völlig auf dem Boden des konservativen Tivoliprogramms,
das die praktische Betätigung der christlichen Lebensanschauung in der Gesetz¬
gebung kategorisch und rückhaltlos fordert. Wenn Herr Graef es in seinen gegen
mich gerichteten "Kreuzzeitungs"-Artikeln eine "Blasphemie" nennt, Christentum


Nachklänge zu den offenen Briefen an Herrn von Heydebrand

Genau ebenso liegt die Sache hinsichtlich der Kommandogewalt des Kaisers,
für die ich gleichfalls unbedingt eintrete. Es ist klar, daß die Frage der ge¬
samten Kriegführung und also auch die Frage des mehr oder minder ein¬
geschränkten U-Bootkriegs ein integrierender Bestandteil der kaiserlichen Kom¬
mandogewalt ist, und daß eine Partei, die grundsätzlich die Kommandogewalt
hochhält, unter keinen Umständen etwa in der Frage, ob der verschärfte U-Boot-
kricg anzuwenden war oder nicht, einen Druck der öffentlichen Meinung auf
den Kaiser herbeiführen durste.

Ob diese Rücksicht von der konservativen Partei unter Führung des Herrn
von Heydebrand, etwa bei den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über
die U-Bootfrage immer innegehalten worden ist, das will ich heute, wo ich
nicht, wie in meinen offenen Briefen anklagen und angreifen, sondern in leiden¬
schaftsloser ruhiger Darlegung überzeugen möchte, nicht untersuchen. Das aber
darf ich, ohne damit irgend aggressiv zu werden, betonen, daß nur eine Partei und
einePresse, die in diesen grundlegenden Fragen ein gänzlich reines und unbeschwertes
Gewissen hat, ein Recht haben könnte, anderwärts, etwa in demvondemVerfassungs-
ausschuß berührten Punkten als Hüterin der Krourechte aufzutreten. Selbst¬
verständlich billige ich in genauer Konsequenz meiner grundsätzlichen Anschauungen
auch nicht das Verfahren des Verfassungsausschusses, insoweit es eine Minderung
der Kronrechte und einen Einbruch in die Kommandogewalt des Kaisers ent¬
halten sollte, — bekanntlich wird von hervorragenden Vertretern des Verfassungs¬
ausschusses auf das allerentschiedenste betont, daß ein solcher Einbruch nicht
beabsichtigt sei — Krone und Parlament sind als Gesetzgeber gleichberechtigte
Faktoren; eine Minderung der Rechte des einen oder des anderen Teils sollte
daher niemals auf dem Wege eines einseitigen Vorgehens, sondern immer nur
im Wege gütlicher Vereinbarung versucht werden. Unabhängig davon ist die
Frage, ob nicht die Krone von sich aus, aus den überwältigenden Erlebnissen
und Erfahrungen des Weltkrieges die Folgerung zieht, von ihren Rechten durch
eine Mehrung der Volks- und Parlamentsrechte abzulassen. Wenn die Krone
diesen Weg einschlägt, wenn sie glaubt, gebend um so mehr an Vertrauen,
Liebe und moralischer Autorität zu gewinnen, so kann es nach meiner Ansicht
nicht Aufgabe einer konservativen Partei sein, monarchischer als der Monarch
zu sein. Daß die Monarchie unter allen Umständen die Führung im Staats¬
wesen behalten muß. auch behalten wollen wird, ist auch meine entschiedene
Überzeugung; die Initiative der Monarchie im Geben wie im Nehmen, in der
Berfassungs- wie in der sozialen Frage schätze ich gewiß nicht geringer ein als
irgendein Konservativer.

Was nun den zweiten konservativen Kardinalpunkt anbetrifft, das Christen¬
tum, so stehe ich völlig auf dem Boden des konservativen Tivoliprogramms,
das die praktische Betätigung der christlichen Lebensanschauung in der Gesetz¬
gebung kategorisch und rückhaltlos fordert. Wenn Herr Graef es in seinen gegen
mich gerichteten „Kreuzzeitungs"-Artikeln eine „Blasphemie" nennt, Christentum


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[0056] Nachklänge zu den offenen Briefen an Herrn von Heydebrand Genau ebenso liegt die Sache hinsichtlich der Kommandogewalt des Kaisers, für die ich gleichfalls unbedingt eintrete. Es ist klar, daß die Frage der ge¬ samten Kriegführung und also auch die Frage des mehr oder minder ein¬ geschränkten U-Bootkriegs ein integrierender Bestandteil der kaiserlichen Kom¬ mandogewalt ist, und daß eine Partei, die grundsätzlich die Kommandogewalt hochhält, unter keinen Umständen etwa in der Frage, ob der verschärfte U-Boot- kricg anzuwenden war oder nicht, einen Druck der öffentlichen Meinung auf den Kaiser herbeiführen durste. Ob diese Rücksicht von der konservativen Partei unter Führung des Herrn von Heydebrand, etwa bei den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über die U-Bootfrage immer innegehalten worden ist, das will ich heute, wo ich nicht, wie in meinen offenen Briefen anklagen und angreifen, sondern in leiden¬ schaftsloser ruhiger Darlegung überzeugen möchte, nicht untersuchen. Das aber darf ich, ohne damit irgend aggressiv zu werden, betonen, daß nur eine Partei und einePresse, die in diesen grundlegenden Fragen ein gänzlich reines und unbeschwertes Gewissen hat, ein Recht haben könnte, anderwärts, etwa in demvondemVerfassungs- ausschuß berührten Punkten als Hüterin der Krourechte aufzutreten. Selbst¬ verständlich billige ich in genauer Konsequenz meiner grundsätzlichen Anschauungen auch nicht das Verfahren des Verfassungsausschusses, insoweit es eine Minderung der Kronrechte und einen Einbruch in die Kommandogewalt des Kaisers ent¬ halten sollte, — bekanntlich wird von hervorragenden Vertretern des Verfassungs¬ ausschusses auf das allerentschiedenste betont, daß ein solcher Einbruch nicht beabsichtigt sei — Krone und Parlament sind als Gesetzgeber gleichberechtigte Faktoren; eine Minderung der Rechte des einen oder des anderen Teils sollte daher niemals auf dem Wege eines einseitigen Vorgehens, sondern immer nur im Wege gütlicher Vereinbarung versucht werden. Unabhängig davon ist die Frage, ob nicht die Krone von sich aus, aus den überwältigenden Erlebnissen und Erfahrungen des Weltkrieges die Folgerung zieht, von ihren Rechten durch eine Mehrung der Volks- und Parlamentsrechte abzulassen. Wenn die Krone diesen Weg einschlägt, wenn sie glaubt, gebend um so mehr an Vertrauen, Liebe und moralischer Autorität zu gewinnen, so kann es nach meiner Ansicht nicht Aufgabe einer konservativen Partei sein, monarchischer als der Monarch zu sein. Daß die Monarchie unter allen Umständen die Führung im Staats¬ wesen behalten muß. auch behalten wollen wird, ist auch meine entschiedene Überzeugung; die Initiative der Monarchie im Geben wie im Nehmen, in der Berfassungs- wie in der sozialen Frage schätze ich gewiß nicht geringer ein als irgendein Konservativer. Was nun den zweiten konservativen Kardinalpunkt anbetrifft, das Christen¬ tum, so stehe ich völlig auf dem Boden des konservativen Tivoliprogramms, das die praktische Betätigung der christlichen Lebensanschauung in der Gesetz¬ gebung kategorisch und rückhaltlos fordert. Wenn Herr Graef es in seinen gegen mich gerichteten „Kreuzzeitungs"-Artikeln eine „Blasphemie" nennt, Christentum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/56>, abgerufen am 01.07.2024.