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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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den in der "Kreuzzeitung" zum Abdruck gebrachten Brief des Grafen von der
Groeben. eins der schönsten Dokumente wahrhaft konservativer Gesinnung, be¬
ziehen --, daß e? alles andere nur nicht konservativ ist. in dieser Weise zu
argumentieren. Obendrein wird eine solche Beweisführung doch gar zu
drastisch durch die Geschichte widerlegt. Nie hat vielleicht ein Hohenzoller
einen unglücklicheren, demütigenderen Frieden, um einen heutigen Ausdruck zu
gebrauchen, einen schlimmeren "Verelendungsfrieden" abgeschlossen als Friedrich
Wilhelm der Tritte in Tilsit im Jahre 1807. Nie aber hat sich
die Anhänglichkeit des ganzen preußischen Volkes an das preußische Königs¬
haus zu größerer, man möchte sagen religiöser Inbrunst gesteigert als in
den Unglücksjahren nach 1807! Genau so würde es sein, wenn unser Kaiser
sich genötigt oder veranlaßt sehen sollte, einen Frieden zu schließen, der etwa
auf Annexionen und Entschädigungen verzichtete und infolgedessen uns die Not¬
wendigkeit schwerer Entbehrungen auf lange Jahre hinaus auferlegte. Das
deutsche und das preußische Volk würde solche Entbehrungen mit seinem Kaiser
und Könige zu tragen wissen, ohne auch nur einen Augenblick in seiner Treue
Zu schwanken. Am allerwenigsten glaube ich. daß diejenigen Kreise unseres
Volkes, in denen die stärkste Sehnsucht nach dem Frieden herrscht, also die
sozialdemokratische Arbeiterschaft, sich von dem Monarchen abwenden könnten
und würden, wenn der Träger der Krone bei seinen Entschlüssen auf diese
Friedenssehnsucht des deutschen Volkes Rücksicht nähme. Natürlich bin ich
nicht der Ansicht, daß diese Friedenssehnsucht für sich ausschlaggebend sem
kann und darf; mit allem Nachdruck aber betone ich. gerade vom konservativen
Standpunkte: das Recht des Kaisers, nach seinem Ermessen Frieden zu schließen
und dabei nur auf diejenigen Ratgeber zu hören, denen er sein Vertrauen
schenkt, darf von niemandem angetastet werden. Nach meinen Begriffen sollten
von einer konservativen Partei auch die verantwortlichen Ratgeber des Kaisers
mindestens insoweit nicht angegriffen werden, als sie erkennbar nur den Wille"
ihres kaiserlichen Herrn ausführen, was. wie jedermann weiß, im Laufe des
Krieges in sehr weitem Umfange der Fall war. Wer dagegen handelt, verletzt
auf flagrant- Weise das verfassungsmäßige Recht des Kaisers und Königs,
seine verantwortlichen Ratgeber selbst zu ernennen und zu entlassen. Man
mag die Sache drehen und wenden wie man will: es heißt doch das Recht
des Kaisers in Frage stellen, wenn man eine Agitation in der Richtung der
Entlassung dieser Ratgeber einleitet oder auch nur duldet, wie es fraglos ge¬
schehen ist und noch täglich geschieht. Selbstverständlich will ich keiner Partei
und also auch der konservativen nicht das Recht absprechen, in angemessener
Form ihre Ansichten und Bedenken auch in denjenigen Dingen, die die ver-
fassungsmäßigen Rechte des Kaisers betreffen, vorzubringen; aber auf der
Hand liegt doch, daß die konservative Partei, eben weil sie die monarchische
Partei par excellenco zu sein beansprucht, sich mehr wie jede andere Partei
hüten müßte, die Grenzen der kaiserlichen Gewalt zu überschreiten.


den in der „Kreuzzeitung" zum Abdruck gebrachten Brief des Grafen von der
Groeben. eins der schönsten Dokumente wahrhaft konservativer Gesinnung, be¬
ziehen —, daß e? alles andere nur nicht konservativ ist. in dieser Weise zu
argumentieren. Obendrein wird eine solche Beweisführung doch gar zu
drastisch durch die Geschichte widerlegt. Nie hat vielleicht ein Hohenzoller
einen unglücklicheren, demütigenderen Frieden, um einen heutigen Ausdruck zu
gebrauchen, einen schlimmeren „Verelendungsfrieden" abgeschlossen als Friedrich
Wilhelm der Tritte in Tilsit im Jahre 1807. Nie aber hat sich
die Anhänglichkeit des ganzen preußischen Volkes an das preußische Königs¬
haus zu größerer, man möchte sagen religiöser Inbrunst gesteigert als in
den Unglücksjahren nach 1807! Genau so würde es sein, wenn unser Kaiser
sich genötigt oder veranlaßt sehen sollte, einen Frieden zu schließen, der etwa
auf Annexionen und Entschädigungen verzichtete und infolgedessen uns die Not¬
wendigkeit schwerer Entbehrungen auf lange Jahre hinaus auferlegte. Das
deutsche und das preußische Volk würde solche Entbehrungen mit seinem Kaiser
und Könige zu tragen wissen, ohne auch nur einen Augenblick in seiner Treue
Zu schwanken. Am allerwenigsten glaube ich. daß diejenigen Kreise unseres
Volkes, in denen die stärkste Sehnsucht nach dem Frieden herrscht, also die
sozialdemokratische Arbeiterschaft, sich von dem Monarchen abwenden könnten
und würden, wenn der Träger der Krone bei seinen Entschlüssen auf diese
Friedenssehnsucht des deutschen Volkes Rücksicht nähme. Natürlich bin ich
nicht der Ansicht, daß diese Friedenssehnsucht für sich ausschlaggebend sem
kann und darf; mit allem Nachdruck aber betone ich. gerade vom konservativen
Standpunkte: das Recht des Kaisers, nach seinem Ermessen Frieden zu schließen
und dabei nur auf diejenigen Ratgeber zu hören, denen er sein Vertrauen
schenkt, darf von niemandem angetastet werden. Nach meinen Begriffen sollten
von einer konservativen Partei auch die verantwortlichen Ratgeber des Kaisers
mindestens insoweit nicht angegriffen werden, als sie erkennbar nur den Wille»
ihres kaiserlichen Herrn ausführen, was. wie jedermann weiß, im Laufe des
Krieges in sehr weitem Umfange der Fall war. Wer dagegen handelt, verletzt
auf flagrant- Weise das verfassungsmäßige Recht des Kaisers und Königs,
seine verantwortlichen Ratgeber selbst zu ernennen und zu entlassen. Man
mag die Sache drehen und wenden wie man will: es heißt doch das Recht
des Kaisers in Frage stellen, wenn man eine Agitation in der Richtung der
Entlassung dieser Ratgeber einleitet oder auch nur duldet, wie es fraglos ge¬
schehen ist und noch täglich geschieht. Selbstverständlich will ich keiner Partei
und also auch der konservativen nicht das Recht absprechen, in angemessener
Form ihre Ansichten und Bedenken auch in denjenigen Dingen, die die ver-
fassungsmäßigen Rechte des Kaisers betreffen, vorzubringen; aber auf der
Hand liegt doch, daß die konservative Partei, eben weil sie die monarchische
Partei par excellenco zu sein beansprucht, sich mehr wie jede andere Partei
hüten müßte, die Grenzen der kaiserlichen Gewalt zu überschreiten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/55>, abgerufen am 01.07.2024.