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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Nachklänge zu den offenen Briefen an Herrn von Heydeb','mit

behauptete Tatsache richtig wäre, würde sie nicht das mindeste beweisen; denn
es wäre doch nicht das erstemal, daß ein Liberaler sich nach rechts entwickelt
hätte; vielleicht darf ich die "Deutsche Tageszeitung" ganz beiläufig an den ihr
so nahe stehenden Abgeordneten Dr. Diedrich Hahn erinnern, in dessen früherer
liberaler Parteizugehörigkeit sie noch nie ein sittliches Manko entdeckt hat. In
bezug auf mich ist die non der "Deutschen Tageszeitung" ausposaunte "Ent¬
larvung" übrigens nicht einmal richtig; ich habe seinerzeit für den "Han-
noverschen Courier" wohl zahlreiche historische und literarische, aber meines
Wissens auch nicht einen einzigen rein politischen Artikel geschrieben. Ich darf
mich auf den "Hannoverschen Courier" selbst berufen, der in seinem Leitartikel
vom 1. Juli mich ganz ausdrücklich zu den -- "konservativen Kreisen" zählt!
Mit ihrer übereilten Feststellung hat die "Deutsche Tageszeitung", fürchte ich,
nur sich selbst eine "vernichtende" Niederlage zugezogen.

In Wahrheit kann und darf natürlich meine "konservative Aktivlegitimation"
lediglich an meinen derzeitigen Anschauungen gemessen werden, über diese An¬
schauungen stehe ich gern vor aller Welt Rede, möge dann die Öffentlichkeit
selbst entscheiden, wer die konservativen Grundanschauungen reiner und ent¬
schiedener vertritt, ich oder meine konservativen Widersacher?

Ich bin bisher immer des Glaubens gewesen, daß der konservative Stand¬
punkt wesentlich durch die drei Grundbegriffe Monarchie, Christentum und
Autorität bezeichnet werde; noch während des Krieges ist sowohl in der "Kreuz¬
zeitung" wie in der "Deutschen Tageszeitung" mit größtem Nachdruck auf
dieses Dreigestirn als die Quintessenz des Konservativismus hingewiesen worden.
Nun wohl, zu diesem konservativen Dreigestirn bekenne ich mich nicht erst seit
gestern und heute restlos und unbedingt.

Rückhaltlos trete ich in meinen offenen Briefen an Herrn von Heydebrand
für das verfassungsmäßige Recht des Kaisers ein, Frieden zu schließen und
die auswärtige Politik uneingeschränkt zu leiten, soweit nicht die Verfassung
hier eine Mitwirkung des Bundesrath vorsieht. Das Recht des Kaisers, nach
eigenem pflichtmäßigen Ermessen denjenigen Frieden zu schließen, den er nach
der militärischen und politischen Gesamtlage für den gegebenen hält, und sei es
auch ein Verständigungs-, ein Verzicht- oder gar ein "Scheidemannfriede", ist
verfassungsmäßig gar nicht anzuzweifeln, und darf am wenigsten mit Wort
oder Tat von einer Partei angetastet werden, die sich mit Stolz eine monar¬
chische Partei par excoilence nennt. Nach meiner Auffassung kann es auch
vom konservativen Standpunkt aus nicht erlaubt sein, auf den Kaiser in
dieser Richtung dadurch einen Druck auszuüben, daß man auf revolutionäre
Gefahren, die infolge eines Verständigungsfriedens drohen könnten, hinweist.
In der "Deutschen Tageszeitung" kann man ja morgens und abends
lesen, daß mit einem faulen Frieden der monarchische Gedanke in Deutschland
und seine Verwirklichung unvereinbar sei. Ich glaube, es werden weite, auch
konservative Kreise mit mir der Empfindung sein -- ich darf mich nur aus


Nachklänge zu den offenen Briefen an Herrn von Heydeb','mit

behauptete Tatsache richtig wäre, würde sie nicht das mindeste beweisen; denn
es wäre doch nicht das erstemal, daß ein Liberaler sich nach rechts entwickelt
hätte; vielleicht darf ich die „Deutsche Tageszeitung" ganz beiläufig an den ihr
so nahe stehenden Abgeordneten Dr. Diedrich Hahn erinnern, in dessen früherer
liberaler Parteizugehörigkeit sie noch nie ein sittliches Manko entdeckt hat. In
bezug auf mich ist die non der „Deutschen Tageszeitung" ausposaunte „Ent¬
larvung" übrigens nicht einmal richtig; ich habe seinerzeit für den „Han-
noverschen Courier" wohl zahlreiche historische und literarische, aber meines
Wissens auch nicht einen einzigen rein politischen Artikel geschrieben. Ich darf
mich auf den „Hannoverschen Courier" selbst berufen, der in seinem Leitartikel
vom 1. Juli mich ganz ausdrücklich zu den — „konservativen Kreisen" zählt!
Mit ihrer übereilten Feststellung hat die „Deutsche Tageszeitung", fürchte ich,
nur sich selbst eine „vernichtende" Niederlage zugezogen.

In Wahrheit kann und darf natürlich meine „konservative Aktivlegitimation"
lediglich an meinen derzeitigen Anschauungen gemessen werden, über diese An¬
schauungen stehe ich gern vor aller Welt Rede, möge dann die Öffentlichkeit
selbst entscheiden, wer die konservativen Grundanschauungen reiner und ent¬
schiedener vertritt, ich oder meine konservativen Widersacher?

Ich bin bisher immer des Glaubens gewesen, daß der konservative Stand¬
punkt wesentlich durch die drei Grundbegriffe Monarchie, Christentum und
Autorität bezeichnet werde; noch während des Krieges ist sowohl in der „Kreuz¬
zeitung" wie in der „Deutschen Tageszeitung" mit größtem Nachdruck auf
dieses Dreigestirn als die Quintessenz des Konservativismus hingewiesen worden.
Nun wohl, zu diesem konservativen Dreigestirn bekenne ich mich nicht erst seit
gestern und heute restlos und unbedingt.

Rückhaltlos trete ich in meinen offenen Briefen an Herrn von Heydebrand
für das verfassungsmäßige Recht des Kaisers ein, Frieden zu schließen und
die auswärtige Politik uneingeschränkt zu leiten, soweit nicht die Verfassung
hier eine Mitwirkung des Bundesrath vorsieht. Das Recht des Kaisers, nach
eigenem pflichtmäßigen Ermessen denjenigen Frieden zu schließen, den er nach
der militärischen und politischen Gesamtlage für den gegebenen hält, und sei es
auch ein Verständigungs-, ein Verzicht- oder gar ein „Scheidemannfriede", ist
verfassungsmäßig gar nicht anzuzweifeln, und darf am wenigsten mit Wort
oder Tat von einer Partei angetastet werden, die sich mit Stolz eine monar¬
chische Partei par excoilence nennt. Nach meiner Auffassung kann es auch
vom konservativen Standpunkt aus nicht erlaubt sein, auf den Kaiser in
dieser Richtung dadurch einen Druck auszuüben, daß man auf revolutionäre
Gefahren, die infolge eines Verständigungsfriedens drohen könnten, hinweist.
In der „Deutschen Tageszeitung" kann man ja morgens und abends
lesen, daß mit einem faulen Frieden der monarchische Gedanke in Deutschland
und seine Verwirklichung unvereinbar sei. Ich glaube, es werden weite, auch
konservative Kreise mit mir der Empfindung sein — ich darf mich nur aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/54>, abgerufen am 01.07.2024.