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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Diplomatennot und An-wärtiges Amt

Solche Kliquenbildung ist nicht Vorrecht des Auswärtigen Amtes allein.
Das wird eingeräumt. Sie ist in Fakultäten, politischen Parteien, alten kon¬
kurrenzlos arbeitenden Firmen, mit einem Wort überall dort zu beobachten,
wo neben den Mangel eines freien Wettbewerbs eine gewisse Konsolidierung.
Ruhe der Geschäftsführung und eine durch den Mangel neuer Gedanken
bei den Führern entstandene Einseitigkeit der Aufgaben tritt. In allen
anderen Zweigen unseres Lebens wird die Kliquenbildung um so leichter
ausgeschaltet, je stärker der Anteil der Öffentlichkeit an dem Zweige ist. oder
wo der Schaden, den die Klique anrichtet, durch Geschäftsrückgang oder Uber-
Mgelung durch die Konkurrenz in kurzen Zeiträumen immer wieder offenbar
wird. Mau betrachte in diesem Zusammenhange das Schwanken der Bedeutung
unserer großen und größten Bankinstitute! Das Auswärtige Amt in seiner
politischen Abteilung ist aber so abgeschlossen, die Arbeitsmethode so verschleiert,
daß seine Unzulänglichkeit erst offenbar wird nach Eintritt einer Katastrophe.
Vor dem Kriege ahnten wir wohl, daß etwas faul ist im Staate Dänemark,
aber nur wenige wußten genau zu bestimmen, wo der Hebel anzusetzen ist.
Erst die Weltkatastrophe hat uns den Blick für das wirkliche geschärft.

Der diplomatische Dienst kennt eine automatische Kontrolle von außerhalb
nicht, und ich kann mir auch kein Mittel vorstellen, solche Kontrolle einzuführen,
ohne daß unsere Interessen empfindlich geschädigt würden. Somit können sich
auch keine anderen Maßstäbe heranbilden, als es eben die herrschende mittel¬
mäßige Klique zuläßt. Wer hier Wandel schaffen wollte, ohne an die Organi¬
sation des Auswärtigen Amts zu rühren, würde Zeit und Kraft vergeuden
und nur Unruhe und disziplinwidrige Verhältnisse schaffen. Wer da glaubt,
ein parlamentarischer Unterstaatssekretär würde durch persönliche Einsichtnahme
in die Akten und entsprechende Berichte an die Reichstagsausschüsse auch nur
das geringste ändern, der verkennt das Wesen der Aufgaben des auswärtigen
Dienstes.




Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die einseitige Zusammensetzung
des diplomatischen Personals einer förmlichen Entschleierung der deutschen
wirtschaftlichen Offensive gegen alle älteren Handelsvölker gleichkam. Aus dieser
Entschleierung erkläre ich mir zu einem Teil die Leichtigkeit, mit der es Eduard dem
Siebenten undseinenNach^
zubringen. Die Behauptung, die hie und da auftaucht, als sei das System
unserer großen Politik falsch gewesen, als sei besonders der Versuch fehlerhaft,
mit Rußland und England, "den beiden großen Rivalen", gleichzeitig in
Frieden zu leben, entbehrt zum mindesten einer einwandfreien Begründung.
Wir wagten nur nicht, die Konsequenz solcher Aufgabenstellung da zu ziehen,
wo sie gezogen werden mußte, eben in der Anpassung des politischen Betriebes
an die Aufgabe. Ich deutete schon an: der friedliche Charakter unserer aus¬
wärtigen Politik wäre stärker zum Vorschein gekommen, wenn nicht em in


Diplomatennot und An-wärtiges Amt

Solche Kliquenbildung ist nicht Vorrecht des Auswärtigen Amtes allein.
Das wird eingeräumt. Sie ist in Fakultäten, politischen Parteien, alten kon¬
kurrenzlos arbeitenden Firmen, mit einem Wort überall dort zu beobachten,
wo neben den Mangel eines freien Wettbewerbs eine gewisse Konsolidierung.
Ruhe der Geschäftsführung und eine durch den Mangel neuer Gedanken
bei den Führern entstandene Einseitigkeit der Aufgaben tritt. In allen
anderen Zweigen unseres Lebens wird die Kliquenbildung um so leichter
ausgeschaltet, je stärker der Anteil der Öffentlichkeit an dem Zweige ist. oder
wo der Schaden, den die Klique anrichtet, durch Geschäftsrückgang oder Uber-
Mgelung durch die Konkurrenz in kurzen Zeiträumen immer wieder offenbar
wird. Mau betrachte in diesem Zusammenhange das Schwanken der Bedeutung
unserer großen und größten Bankinstitute! Das Auswärtige Amt in seiner
politischen Abteilung ist aber so abgeschlossen, die Arbeitsmethode so verschleiert,
daß seine Unzulänglichkeit erst offenbar wird nach Eintritt einer Katastrophe.
Vor dem Kriege ahnten wir wohl, daß etwas faul ist im Staate Dänemark,
aber nur wenige wußten genau zu bestimmen, wo der Hebel anzusetzen ist.
Erst die Weltkatastrophe hat uns den Blick für das wirkliche geschärft.

Der diplomatische Dienst kennt eine automatische Kontrolle von außerhalb
nicht, und ich kann mir auch kein Mittel vorstellen, solche Kontrolle einzuführen,
ohne daß unsere Interessen empfindlich geschädigt würden. Somit können sich
auch keine anderen Maßstäbe heranbilden, als es eben die herrschende mittel¬
mäßige Klique zuläßt. Wer hier Wandel schaffen wollte, ohne an die Organi¬
sation des Auswärtigen Amts zu rühren, würde Zeit und Kraft vergeuden
und nur Unruhe und disziplinwidrige Verhältnisse schaffen. Wer da glaubt,
ein parlamentarischer Unterstaatssekretär würde durch persönliche Einsichtnahme
in die Akten und entsprechende Berichte an die Reichstagsausschüsse auch nur
das geringste ändern, der verkennt das Wesen der Aufgaben des auswärtigen
Dienstes.




Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die einseitige Zusammensetzung
des diplomatischen Personals einer förmlichen Entschleierung der deutschen
wirtschaftlichen Offensive gegen alle älteren Handelsvölker gleichkam. Aus dieser
Entschleierung erkläre ich mir zu einem Teil die Leichtigkeit, mit der es Eduard dem
Siebenten undseinenNach^
zubringen. Die Behauptung, die hie und da auftaucht, als sei das System
unserer großen Politik falsch gewesen, als sei besonders der Versuch fehlerhaft,
mit Rußland und England, „den beiden großen Rivalen", gleichzeitig in
Frieden zu leben, entbehrt zum mindesten einer einwandfreien Begründung.
Wir wagten nur nicht, die Konsequenz solcher Aufgabenstellung da zu ziehen,
wo sie gezogen werden mußte, eben in der Anpassung des politischen Betriebes
an die Aufgabe. Ich deutete schon an: der friedliche Charakter unserer aus¬
wärtigen Politik wäre stärker zum Vorschein gekommen, wenn nicht em in


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[0049] Diplomatennot und An-wärtiges Amt Solche Kliquenbildung ist nicht Vorrecht des Auswärtigen Amtes allein. Das wird eingeräumt. Sie ist in Fakultäten, politischen Parteien, alten kon¬ kurrenzlos arbeitenden Firmen, mit einem Wort überall dort zu beobachten, wo neben den Mangel eines freien Wettbewerbs eine gewisse Konsolidierung. Ruhe der Geschäftsführung und eine durch den Mangel neuer Gedanken bei den Führern entstandene Einseitigkeit der Aufgaben tritt. In allen anderen Zweigen unseres Lebens wird die Kliquenbildung um so leichter ausgeschaltet, je stärker der Anteil der Öffentlichkeit an dem Zweige ist. oder wo der Schaden, den die Klique anrichtet, durch Geschäftsrückgang oder Uber- Mgelung durch die Konkurrenz in kurzen Zeiträumen immer wieder offenbar wird. Mau betrachte in diesem Zusammenhange das Schwanken der Bedeutung unserer großen und größten Bankinstitute! Das Auswärtige Amt in seiner politischen Abteilung ist aber so abgeschlossen, die Arbeitsmethode so verschleiert, daß seine Unzulänglichkeit erst offenbar wird nach Eintritt einer Katastrophe. Vor dem Kriege ahnten wir wohl, daß etwas faul ist im Staate Dänemark, aber nur wenige wußten genau zu bestimmen, wo der Hebel anzusetzen ist. Erst die Weltkatastrophe hat uns den Blick für das wirkliche geschärft. Der diplomatische Dienst kennt eine automatische Kontrolle von außerhalb nicht, und ich kann mir auch kein Mittel vorstellen, solche Kontrolle einzuführen, ohne daß unsere Interessen empfindlich geschädigt würden. Somit können sich auch keine anderen Maßstäbe heranbilden, als es eben die herrschende mittel¬ mäßige Klique zuläßt. Wer hier Wandel schaffen wollte, ohne an die Organi¬ sation des Auswärtigen Amts zu rühren, würde Zeit und Kraft vergeuden und nur Unruhe und disziplinwidrige Verhältnisse schaffen. Wer da glaubt, ein parlamentarischer Unterstaatssekretär würde durch persönliche Einsichtnahme in die Akten und entsprechende Berichte an die Reichstagsausschüsse auch nur das geringste ändern, der verkennt das Wesen der Aufgaben des auswärtigen Dienstes. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die einseitige Zusammensetzung des diplomatischen Personals einer förmlichen Entschleierung der deutschen wirtschaftlichen Offensive gegen alle älteren Handelsvölker gleichkam. Aus dieser Entschleierung erkläre ich mir zu einem Teil die Leichtigkeit, mit der es Eduard dem Siebenten undseinenNach^ zubringen. Die Behauptung, die hie und da auftaucht, als sei das System unserer großen Politik falsch gewesen, als sei besonders der Versuch fehlerhaft, mit Rußland und England, „den beiden großen Rivalen", gleichzeitig in Frieden zu leben, entbehrt zum mindesten einer einwandfreien Begründung. Wir wagten nur nicht, die Konsequenz solcher Aufgabenstellung da zu ziehen, wo sie gezogen werden mußte, eben in der Anpassung des politischen Betriebes an die Aufgabe. Ich deutete schon an: der friedliche Charakter unserer aus¬ wärtigen Politik wäre stärker zum Vorschein gekommen, wenn nicht em in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/49>, abgerufen am 29.06.2024.