Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.Diplomatcnnot und Auswärtiges Amt geworden, in dem sich dank seiner Unkontrollierbarkeit der Schwamm des Kliquen- Wer den diplomatischen Dienst bei uns heben will auf eine den Leistungen Diplomatcnnot und Auswärtiges Amt geworden, in dem sich dank seiner Unkontrollierbarkeit der Schwamm des Kliquen- Wer den diplomatischen Dienst bei uns heben will auf eine den Leistungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332327"/> <fw type="header" place="top"> Diplomatcnnot und Auswärtiges Amt</fw><lb/> <p xml:id="ID_167" prev="#ID_166"> geworden, in dem sich dank seiner Unkontrollierbarkeit der Schwamm des Kliquen-<lb/> wesens um so leichter einnisten kann, je einseitiger der Personalersatz nur aus<lb/> begrenzten Gesellschaftskreisen genommen wird. Jede Kliquenbildung ist, wo<lb/> sie auch auftreten möge, der Allgemeinheit schädlich, weil das unvermeidliche<lb/> Grundgesetz jeder Klique die Unterdrückung der Persönlichkeit, die Hochkultur<lb/> der Mittelmäßigkeit ist. Wir haben gerade im diplomatischen Korps eine über¬<lb/> wiegende Zahl von Personen (das Wort Persönlichkeiten würde ein Widerspruch<lb/> sein), die im freien Wettbewerb unrettbar verloren wären. Man hatdaslangeWirken<lb/> Bismarcks, des „Titanen", für diese Erscheinung verantwortlich machen wollen; er<lb/> habe keine Persönlichkeiten aufkommen lassen. Der einfache Hinweis auf die<lb/> großen Botschafter seiner Zeit, Stollberg, Schweinitz, beweist das Gegenteil:<lb/> Vismarck hat seine Leute daher genommen, wo er sie sandt Daß er mit diesen<lb/> starken Männern manchen harten Strauß ausgefochten hat, um der guten Sache<lb/> willen, ist dabei selbstverständlich, und daß in dem Ringen um die Probleme<lb/> empfindsame Naturen, wie etwa die des gescheiten Bunsen, zerschellen mußten,<lb/> ist ebenso selbstverständlich. Die Bismarcksche Zeit hat uns schon einige hervor¬<lb/> ragende Männer zurückgelassen, — nur wußte die Zeit Bülows mit ihnen<lb/> nichts anzufangen, sie kamen nicht in das ihrem Wesen entsprechende Wirkungs-<lb/> gebiet, oder sie kamen, wie Kiderlen, den der jetzige Reichskanzler ausgegraben,<lb/> zu spät, weil verbraucht und in kleinen Aufgaben zermürbt und verbittert, an<lb/> die ihrer ursprünglichen Veranlagung entsprechende Stelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_168"> Wer den diplomatischen Dienst bei uns heben will auf eine den Leistungen<lb/> der Nation entsprechenden Stufe, der beseitige den Nährboden der Kliquenbildung<lb/> im Auswärtigen Amt! Das Samenkorn der Klique streut selbstverständlich jede<lb/> hervorragende Persönlichkeit, die teils aus sachlichen, teils aus persönlichen Gründen<lb/> einen bestimmten Personenkreis mit sich ins Amt führt. Allein durch die Tatsache<lb/> ihrer Berufung werden die nachgezogenen Personen mit einem häufig genug<lb/> unberechtigten Nimbus der Tüchtigkeit umgeben. Der Nimbus bewahrt sie<lb/> vor indiskreten Blicken der Öffentlichkeit hinter die Kulissen ihres Wirkens.<lb/> Jahre hindurch können sie persönliche Bekanntschaften und Freundschaften schließen,<lb/> die sich schließlich zu Versicherungen auf Gegenseitigkeit auch zwischen feindlichen<lb/> Lagern auswachsen. Wehe dem wirklich genialen Manne, der seine Überlegen¬<lb/> heit über die Mittelmäßigkeit seiner Amtsgenossen offenbart, ehe er nicht<lb/> mindestens Dirigent geworden! er müßte irgendwo in einer belanglosen Welt¬<lb/> ecke sein Dasein als Generalkonsul oder Ministerresident vertrauern. Und noch<lb/> mehr wehe dem Tüchtigen, der etwa aus der Konsulatslaufbahn in die diplo¬<lb/> matische von einem vorurteilsloser Staatssekretär berufen wird: fügt er sich<lb/> nicht restlos der Parole der herrschenden Klique, so ist sein Wirken dazu ver¬<lb/> dammt, an tausend inneren Schwierigkeiten, an den böswillig zwischen die Beine<lb/> geworfenen Knütteln zu scheitern und er selbst kann mit Bestimmtheit darauf<lb/> rechnen, sein Lebensende fern der großen Politik auf einem exotischen Gesandten¬<lb/> posten zu erwarten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Diplomatcnnot und Auswärtiges Amt
geworden, in dem sich dank seiner Unkontrollierbarkeit der Schwamm des Kliquen-
wesens um so leichter einnisten kann, je einseitiger der Personalersatz nur aus
begrenzten Gesellschaftskreisen genommen wird. Jede Kliquenbildung ist, wo
sie auch auftreten möge, der Allgemeinheit schädlich, weil das unvermeidliche
Grundgesetz jeder Klique die Unterdrückung der Persönlichkeit, die Hochkultur
der Mittelmäßigkeit ist. Wir haben gerade im diplomatischen Korps eine über¬
wiegende Zahl von Personen (das Wort Persönlichkeiten würde ein Widerspruch
sein), die im freien Wettbewerb unrettbar verloren wären. Man hatdaslangeWirken
Bismarcks, des „Titanen", für diese Erscheinung verantwortlich machen wollen; er
habe keine Persönlichkeiten aufkommen lassen. Der einfache Hinweis auf die
großen Botschafter seiner Zeit, Stollberg, Schweinitz, beweist das Gegenteil:
Vismarck hat seine Leute daher genommen, wo er sie sandt Daß er mit diesen
starken Männern manchen harten Strauß ausgefochten hat, um der guten Sache
willen, ist dabei selbstverständlich, und daß in dem Ringen um die Probleme
empfindsame Naturen, wie etwa die des gescheiten Bunsen, zerschellen mußten,
ist ebenso selbstverständlich. Die Bismarcksche Zeit hat uns schon einige hervor¬
ragende Männer zurückgelassen, — nur wußte die Zeit Bülows mit ihnen
nichts anzufangen, sie kamen nicht in das ihrem Wesen entsprechende Wirkungs-
gebiet, oder sie kamen, wie Kiderlen, den der jetzige Reichskanzler ausgegraben,
zu spät, weil verbraucht und in kleinen Aufgaben zermürbt und verbittert, an
die ihrer ursprünglichen Veranlagung entsprechende Stelle.
Wer den diplomatischen Dienst bei uns heben will auf eine den Leistungen
der Nation entsprechenden Stufe, der beseitige den Nährboden der Kliquenbildung
im Auswärtigen Amt! Das Samenkorn der Klique streut selbstverständlich jede
hervorragende Persönlichkeit, die teils aus sachlichen, teils aus persönlichen Gründen
einen bestimmten Personenkreis mit sich ins Amt führt. Allein durch die Tatsache
ihrer Berufung werden die nachgezogenen Personen mit einem häufig genug
unberechtigten Nimbus der Tüchtigkeit umgeben. Der Nimbus bewahrt sie
vor indiskreten Blicken der Öffentlichkeit hinter die Kulissen ihres Wirkens.
Jahre hindurch können sie persönliche Bekanntschaften und Freundschaften schließen,
die sich schließlich zu Versicherungen auf Gegenseitigkeit auch zwischen feindlichen
Lagern auswachsen. Wehe dem wirklich genialen Manne, der seine Überlegen¬
heit über die Mittelmäßigkeit seiner Amtsgenossen offenbart, ehe er nicht
mindestens Dirigent geworden! er müßte irgendwo in einer belanglosen Welt¬
ecke sein Dasein als Generalkonsul oder Ministerresident vertrauern. Und noch
mehr wehe dem Tüchtigen, der etwa aus der Konsulatslaufbahn in die diplo¬
matische von einem vorurteilsloser Staatssekretär berufen wird: fügt er sich
nicht restlos der Parole der herrschenden Klique, so ist sein Wirken dazu ver¬
dammt, an tausend inneren Schwierigkeiten, an den böswillig zwischen die Beine
geworfenen Knütteln zu scheitern und er selbst kann mit Bestimmtheit darauf
rechnen, sein Lebensende fern der großen Politik auf einem exotischen Gesandten¬
posten zu erwarten.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |