Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.Diplomatennot und Auswärtige Amt Bestrebungen, die rein wirtschaftlichen Interessen der deutschen Diplomatie Mr diese Entwicklung einzelne Männer oder gar eine gesellschaftliche Die Stellenbesetzung unserer diplomatischen Posten ist in ihrer bisherigen Der letzte energische Protest aus der Diplomatie gegen die wirtschaftliche Die Unzulänglichkeit unserer Diplomatie liegt in der merkwürdigen, Diplomatennot und Auswärtige Amt Bestrebungen, die rein wirtschaftlichen Interessen der deutschen Diplomatie Mr diese Entwicklung einzelne Männer oder gar eine gesellschaftliche Die Stellenbesetzung unserer diplomatischen Posten ist in ihrer bisherigen Der letzte energische Protest aus der Diplomatie gegen die wirtschaftliche Die Unzulänglichkeit unserer Diplomatie liegt in der merkwürdigen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332326"/> <fw type="header" place="top"> Diplomatennot und Auswärtige Amt</fw><lb/> <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161"> Bestrebungen, die rein wirtschaftlichen Interessen der deutschen Diplomatie<lb/> offenbarte. Besonders gilt dies für die verhältnismäßig kurze Zeitspanne<lb/> zwischen dem Fortgange des Grafen Alvensleben und dem Einzuge des Grafen<lb/> Pourtalös in das Botschafterpalais an der Großen Morskaja, Die hierdurch<lb/> auf ihrem eigentlichen Wirkungsseite eingeengten Diplomaten wurden ohne<lb/> eine entsprechende Vorbereitung in den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der<lb/> Konsuln gedrängt und ihre Vertrauensstellung auf der ganzen Linie<lb/> erschüttert.</p><lb/> <p xml:id="ID_163"> Mr diese Entwicklung einzelne Männer oder gar eine gesellschaftliche<lb/> Schicht verantwortlich machen zu wollen, wäre ungerecht. Verantwortlich ist<lb/> die Stelle, die das diplomatische Personal auszuwählen und zweckdienlich zu¬<lb/> sammenzustellen hat, also der Leiter der auswärtigen Politik: der Staatssekretär<lb/> des Auswärtigen Amts und letzten Endes der Reichskanzler. Der Junker<lb/> Bülow hat unter dem Drucke der Exportindustrie die Auslandsdiplomaten auf<lb/> dem gefährlichen Wege angesetzt und jeden, der sich nicht hemmungslos der neuen<lb/> Parole anpaßte, aus dem Dienste entfernt.'</p><lb/> <p xml:id="ID_164"> Die Stellenbesetzung unserer diplomatischen Posten ist in ihrer bisherigen<lb/> Engherzigkeit eine förmliche Entschleierung der großen Offensive unseres Handels<lb/> i" der Welt, einer Bestätigung und Ankündigung des Kampfes gegen alle<lb/> älteren Welth'andelsstaaten. In diesem Zusammenhange hätte Graf Monts recht,<lb/> wenn er sich gegen den jungen Geldadel wendet. Mit der Charakterstärke des<lb/> einen oder anderen Diplomaten hat das aber nichts zu tun; es offenbart<lb/> lediglich die falsche, unzeitgemäße Konstruktion des diplomatischen Dienstes. Die<lb/> deutsche Diplomatie wurde zu einem gehobenen Stande von Handelsagenten,<lb/> das Auswärtige Amt zu einer Handelsagentur. Das ist beider Schwäche!</p><lb/> <p xml:id="ID_165"> Der letzte energische Protest aus der Diplomatie gegen die wirtschaftliche<lb/> Einseitigkeit liegt meines Wissens gegen anderthalb Jahrzehnte zurück. Es war<lb/> wohl Frhr. v. Marschall. der auf eine Ausforderung aus Berlin, den Vertreter<lb/> einer großen Firma in seinen Bemühungen, einen großen Abschluß zu machen, mit<lb/> größerem Nachdruck zu unterstützen, antwortete, er sei kaiserlicher Botschafter<lb/> und nicht Handelsagent. Gewiß, ein Auftrag von 50 oder 100 Millionen Mark<lb/> ist ein starker Posten für die deutsche Wirtschaft, aber die Gesamtheit der<lb/> deutschen Interessen auf dem Balkan, für deren Wahrung der kaiserliche Bot¬<lb/> schafter bestellt ist läßt sich im Nahmen der Handelsbilanz überhaupt nicht<lb/> sassen. Für diese'Gesamtinteressen sind Botschafter und Botschaften da; sie-<lb/> dürfen sich durch Eingriff und Teilnahme an den kommerziellen Konkurrenz¬<lb/> kämpfen der einzelnen Staatsangehörigen nicht für ihre großen Aufgaben<lb/> untauglich machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_166" next="#ID_167"> Die Unzulänglichkeit unserer Diplomatie liegt in der merkwürdigen,<lb/> wuchernden Entwicklung, die die politische Abteilung des Auswärtigen Amts<lb/> genommen hat. Man hat die Begriffe Vielseitigkeit und Massenhaftigkeit ver-<lb/> wechselt. Aus dem Kabinett des Staatssekretärs ist ein bureaukratischer Apparat</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
Diplomatennot und Auswärtige Amt
Bestrebungen, die rein wirtschaftlichen Interessen der deutschen Diplomatie
offenbarte. Besonders gilt dies für die verhältnismäßig kurze Zeitspanne
zwischen dem Fortgange des Grafen Alvensleben und dem Einzuge des Grafen
Pourtalös in das Botschafterpalais an der Großen Morskaja, Die hierdurch
auf ihrem eigentlichen Wirkungsseite eingeengten Diplomaten wurden ohne
eine entsprechende Vorbereitung in den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der
Konsuln gedrängt und ihre Vertrauensstellung auf der ganzen Linie
erschüttert.
Mr diese Entwicklung einzelne Männer oder gar eine gesellschaftliche
Schicht verantwortlich machen zu wollen, wäre ungerecht. Verantwortlich ist
die Stelle, die das diplomatische Personal auszuwählen und zweckdienlich zu¬
sammenzustellen hat, also der Leiter der auswärtigen Politik: der Staatssekretär
des Auswärtigen Amts und letzten Endes der Reichskanzler. Der Junker
Bülow hat unter dem Drucke der Exportindustrie die Auslandsdiplomaten auf
dem gefährlichen Wege angesetzt und jeden, der sich nicht hemmungslos der neuen
Parole anpaßte, aus dem Dienste entfernt.'
Die Stellenbesetzung unserer diplomatischen Posten ist in ihrer bisherigen
Engherzigkeit eine förmliche Entschleierung der großen Offensive unseres Handels
i" der Welt, einer Bestätigung und Ankündigung des Kampfes gegen alle
älteren Welth'andelsstaaten. In diesem Zusammenhange hätte Graf Monts recht,
wenn er sich gegen den jungen Geldadel wendet. Mit der Charakterstärke des
einen oder anderen Diplomaten hat das aber nichts zu tun; es offenbart
lediglich die falsche, unzeitgemäße Konstruktion des diplomatischen Dienstes. Die
deutsche Diplomatie wurde zu einem gehobenen Stande von Handelsagenten,
das Auswärtige Amt zu einer Handelsagentur. Das ist beider Schwäche!
Der letzte energische Protest aus der Diplomatie gegen die wirtschaftliche
Einseitigkeit liegt meines Wissens gegen anderthalb Jahrzehnte zurück. Es war
wohl Frhr. v. Marschall. der auf eine Ausforderung aus Berlin, den Vertreter
einer großen Firma in seinen Bemühungen, einen großen Abschluß zu machen, mit
größerem Nachdruck zu unterstützen, antwortete, er sei kaiserlicher Botschafter
und nicht Handelsagent. Gewiß, ein Auftrag von 50 oder 100 Millionen Mark
ist ein starker Posten für die deutsche Wirtschaft, aber die Gesamtheit der
deutschen Interessen auf dem Balkan, für deren Wahrung der kaiserliche Bot¬
schafter bestellt ist läßt sich im Nahmen der Handelsbilanz überhaupt nicht
sassen. Für diese'Gesamtinteressen sind Botschafter und Botschaften da; sie-
dürfen sich durch Eingriff und Teilnahme an den kommerziellen Konkurrenz¬
kämpfen der einzelnen Staatsangehörigen nicht für ihre großen Aufgaben
untauglich machen.
Die Unzulänglichkeit unserer Diplomatie liegt in der merkwürdigen,
wuchernden Entwicklung, die die politische Abteilung des Auswärtigen Amts
genommen hat. Man hat die Begriffe Vielseitigkeit und Massenhaftigkeit ver-
wechselt. Aus dem Kabinett des Staatssekretärs ist ein bureaukratischer Apparat
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