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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Geschichte der Universität lvittenbcrg

lassen so reichen Allerheiligenstiftes, dessen Pfründen die Anstellung und Tätigkeit
der ersten Lehrer sicherstellten. Nicht so sehr die Privilegien Maximilians des Ersten
(f 1519) und Julius' des Zweiten (f 151Z) wie seines Legaten als vielniehr die
Wirksamkeit Luthers bedingten den raschen Aufstieg zur Höhe. Unermüdlich sorgte
der größte aller deutschen Professoren für sein Wijtenberg, eng verbündet mit dem
feinen Magister Philipp Melanchthon und anderen treuen Weggenossen, denen er
uicht immer ein bequemer Kollege, stets ein an die Sache des neuen Glaubens
denkender Helfer war. Wittenberg wurde ans einem Trutz-Leipzig zu einem
Trutz-Rom, der Mittelpunkt der jungen evangelischen Lehre und des protestantischen
Kirchentums. Die einander ablösenden und ergänzenden Ordnungen der Hoch¬
schule, ihre Lehrer und Schüler ziehen, von sicherer Hand geführt, am Auge
des Lesers vorüber. Es überrascht zu beobachten, welchen Reichtum kleinen
und großen Geschehens der Nahmen gerade der ersten Abschnitte umschließt,
wieviel des Neuen er in sich birgt und wieviel des Bekannten dank solcher
Umgebung in unerwartete Beleuchtung gerückt wird. Über der Hochschule wallten
als Wohltäter, Berater und Leiter die Londcsfürsten aus dem ernestinischen
Zweige der Wettiner; in welchem Geiste sie ihr Amt versahen, mögen allein
zwei Reihen von Sätzen veranschaulichen, die erste in den Statuten vom
Jahre 1508 und die zweite in den allgemeinen Vorschriften über die Studien
und das Verhalten der Universitätshörer aus dem Jahre 1545, die Melanchthon
ausgearbeitet hatte und Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige 1554)
verkündete. Im Jahre 1508 führte Friedrich der Weise aus: "Unsere Hoch¬
schule, die wir jüngst zum Preis des Allmächtigen, zur Förderung des Klerus
und zum gemeinen Nutzen der Studenten unter der Zustimmung des Pupstes
Julius und des Kaisers Maximilian errichtet habe", möge, das wünschen wir
von ganzem Herzen, dauernd und rühmlich bestehen als ein Markt der freien
Wissenschaften, auf dem die Besucher löbliche Kenntnisse und, die Vorbedingung
für solche, verfeinerte Sitten sich aneignen, derart daß sie dadurch fähig werden,
die Geschäfte Gottes wie auch der Welt, ein jeder zu seinem Teile, um so
besser zu besorgen; wo aber auch wir selbst mit unseren Getreuen und der
umwohnenden Bevölkerung in schwierigen Fällen wie zu einem Orakel unsere
Zuflucht nehmen können, um, wenn wir zweifelnd und unschlüssig herbei¬
kommen, hier eine Antwort entgegenzunehmen, mit der wir sicher und jedem
Zweifel entrückt heimkehren mögen." Im Jahre 1546 sodann meinte Johann
Friedrich der Großmütige: "Obschon unsere Arbeit von so manchen, die nur
Üppigkeit und Reichtum bewundern, gering geachtet wird, so mögen wir doch
eingedenk bleiben, welch ein gewaltiger Segen darin liegt, das Wahre, das
Sittliche und Heilsame getreulich zu lehren und zu schützen, wodurch wir sowohl
der Kirche als auch dem Gemeinwohl dienen. Und von solchem Tun sagt de
Apostel: Eure Arbeit ist nicht vergeblich in dem Herrn." Dort: die Geschäfte
Gottes und der Welt besorgen, hier: der Kirche und dem Gemeinwohl dienen --,
man empfindet den Nachhall des Mittelalters, das der Kirche so lange den


Die Geschichte der Universität lvittenbcrg

lassen so reichen Allerheiligenstiftes, dessen Pfründen die Anstellung und Tätigkeit
der ersten Lehrer sicherstellten. Nicht so sehr die Privilegien Maximilians des Ersten
(f 1519) und Julius' des Zweiten (f 151Z) wie seines Legaten als vielniehr die
Wirksamkeit Luthers bedingten den raschen Aufstieg zur Höhe. Unermüdlich sorgte
der größte aller deutschen Professoren für sein Wijtenberg, eng verbündet mit dem
feinen Magister Philipp Melanchthon und anderen treuen Weggenossen, denen er
uicht immer ein bequemer Kollege, stets ein an die Sache des neuen Glaubens
denkender Helfer war. Wittenberg wurde ans einem Trutz-Leipzig zu einem
Trutz-Rom, der Mittelpunkt der jungen evangelischen Lehre und des protestantischen
Kirchentums. Die einander ablösenden und ergänzenden Ordnungen der Hoch¬
schule, ihre Lehrer und Schüler ziehen, von sicherer Hand geführt, am Auge
des Lesers vorüber. Es überrascht zu beobachten, welchen Reichtum kleinen
und großen Geschehens der Nahmen gerade der ersten Abschnitte umschließt,
wieviel des Neuen er in sich birgt und wieviel des Bekannten dank solcher
Umgebung in unerwartete Beleuchtung gerückt wird. Über der Hochschule wallten
als Wohltäter, Berater und Leiter die Londcsfürsten aus dem ernestinischen
Zweige der Wettiner; in welchem Geiste sie ihr Amt versahen, mögen allein
zwei Reihen von Sätzen veranschaulichen, die erste in den Statuten vom
Jahre 1508 und die zweite in den allgemeinen Vorschriften über die Studien
und das Verhalten der Universitätshörer aus dem Jahre 1545, die Melanchthon
ausgearbeitet hatte und Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige 1554)
verkündete. Im Jahre 1508 führte Friedrich der Weise aus: „Unsere Hoch¬
schule, die wir jüngst zum Preis des Allmächtigen, zur Förderung des Klerus
und zum gemeinen Nutzen der Studenten unter der Zustimmung des Pupstes
Julius und des Kaisers Maximilian errichtet habe», möge, das wünschen wir
von ganzem Herzen, dauernd und rühmlich bestehen als ein Markt der freien
Wissenschaften, auf dem die Besucher löbliche Kenntnisse und, die Vorbedingung
für solche, verfeinerte Sitten sich aneignen, derart daß sie dadurch fähig werden,
die Geschäfte Gottes wie auch der Welt, ein jeder zu seinem Teile, um so
besser zu besorgen; wo aber auch wir selbst mit unseren Getreuen und der
umwohnenden Bevölkerung in schwierigen Fällen wie zu einem Orakel unsere
Zuflucht nehmen können, um, wenn wir zweifelnd und unschlüssig herbei¬
kommen, hier eine Antwort entgegenzunehmen, mit der wir sicher und jedem
Zweifel entrückt heimkehren mögen." Im Jahre 1546 sodann meinte Johann
Friedrich der Großmütige: „Obschon unsere Arbeit von so manchen, die nur
Üppigkeit und Reichtum bewundern, gering geachtet wird, so mögen wir doch
eingedenk bleiben, welch ein gewaltiger Segen darin liegt, das Wahre, das
Sittliche und Heilsame getreulich zu lehren und zu schützen, wodurch wir sowohl
der Kirche als auch dem Gemeinwohl dienen. Und von solchem Tun sagt de
Apostel: Eure Arbeit ist nicht vergeblich in dem Herrn." Dort: die Geschäfte
Gottes und der Welt besorgen, hier: der Kirche und dem Gemeinwohl dienen —,
man empfindet den Nachhall des Mittelalters, das der Kirche so lange den


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[0422] Die Geschichte der Universität lvittenbcrg lassen so reichen Allerheiligenstiftes, dessen Pfründen die Anstellung und Tätigkeit der ersten Lehrer sicherstellten. Nicht so sehr die Privilegien Maximilians des Ersten (f 1519) und Julius' des Zweiten (f 151Z) wie seines Legaten als vielniehr die Wirksamkeit Luthers bedingten den raschen Aufstieg zur Höhe. Unermüdlich sorgte der größte aller deutschen Professoren für sein Wijtenberg, eng verbündet mit dem feinen Magister Philipp Melanchthon und anderen treuen Weggenossen, denen er uicht immer ein bequemer Kollege, stets ein an die Sache des neuen Glaubens denkender Helfer war. Wittenberg wurde ans einem Trutz-Leipzig zu einem Trutz-Rom, der Mittelpunkt der jungen evangelischen Lehre und des protestantischen Kirchentums. Die einander ablösenden und ergänzenden Ordnungen der Hoch¬ schule, ihre Lehrer und Schüler ziehen, von sicherer Hand geführt, am Auge des Lesers vorüber. Es überrascht zu beobachten, welchen Reichtum kleinen und großen Geschehens der Nahmen gerade der ersten Abschnitte umschließt, wieviel des Neuen er in sich birgt und wieviel des Bekannten dank solcher Umgebung in unerwartete Beleuchtung gerückt wird. Über der Hochschule wallten als Wohltäter, Berater und Leiter die Londcsfürsten aus dem ernestinischen Zweige der Wettiner; in welchem Geiste sie ihr Amt versahen, mögen allein zwei Reihen von Sätzen veranschaulichen, die erste in den Statuten vom Jahre 1508 und die zweite in den allgemeinen Vorschriften über die Studien und das Verhalten der Universitätshörer aus dem Jahre 1545, die Melanchthon ausgearbeitet hatte und Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige 1554) verkündete. Im Jahre 1508 führte Friedrich der Weise aus: „Unsere Hoch¬ schule, die wir jüngst zum Preis des Allmächtigen, zur Förderung des Klerus und zum gemeinen Nutzen der Studenten unter der Zustimmung des Pupstes Julius und des Kaisers Maximilian errichtet habe», möge, das wünschen wir von ganzem Herzen, dauernd und rühmlich bestehen als ein Markt der freien Wissenschaften, auf dem die Besucher löbliche Kenntnisse und, die Vorbedingung für solche, verfeinerte Sitten sich aneignen, derart daß sie dadurch fähig werden, die Geschäfte Gottes wie auch der Welt, ein jeder zu seinem Teile, um so besser zu besorgen; wo aber auch wir selbst mit unseren Getreuen und der umwohnenden Bevölkerung in schwierigen Fällen wie zu einem Orakel unsere Zuflucht nehmen können, um, wenn wir zweifelnd und unschlüssig herbei¬ kommen, hier eine Antwort entgegenzunehmen, mit der wir sicher und jedem Zweifel entrückt heimkehren mögen." Im Jahre 1546 sodann meinte Johann Friedrich der Großmütige: „Obschon unsere Arbeit von so manchen, die nur Üppigkeit und Reichtum bewundern, gering geachtet wird, so mögen wir doch eingedenk bleiben, welch ein gewaltiger Segen darin liegt, das Wahre, das Sittliche und Heilsame getreulich zu lehren und zu schützen, wodurch wir sowohl der Kirche als auch dem Gemeinwohl dienen. Und von solchem Tun sagt de Apostel: Eure Arbeit ist nicht vergeblich in dem Herrn." Dort: die Geschäfte Gottes und der Welt besorgen, hier: der Kirche und dem Gemeinwohl dienen —, man empfindet den Nachhall des Mittelalters, das der Kirche so lange den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/422>, abgerufen am 01.07.2024.