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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Zukunft dos britischen Weltreiches

derben deutschen und skandinavischen Bauerntums verdanken..." Englisch
oder eine Lesart des Englischen spreche das Volk der Vereinigten Staaten nur,
weil es die Vorteile einer gemeinsamen Sprache für Geschäfts- und andere
Zwecke würdige, und weil es bisher zu beschäftigt war, um irgendwelchen
radikalen Wechsel in der Sprache in Betracht zu ziehen, die ihm von seinen
kolonialen Tagen her überkommen ist. Schließlich fertigte jener auf Neuseeland
lebende Amerikaner noch die schon damals aktuelle Behauptung ab, daß eine
"Föderation der englisch sprechenden Völker" der übrigen Welt den Frieden
diktieren könnte! "Wo würde der Vorteil liegen? England wünscht keinen
Frieden, es sei denn, es könnte die Bedingungen allein festsetzen, während die
Vereinigten Staaten einen europäischen Krieg gewiß nicht als ein ungemischtes
Übel betrachten würden. Aus einem solchen Kriege würden sich für dieses in
allererster Linie große Aufträge auf alle Arten von Munition und Material
und höhere Löhne für eine große Zahl amerikanischer Handarbeiter ergeben;
während ein lange andauernder Kampf die Preise für Getreide und Fleisch
erhöhen und dadurch amerikanischen Farmern und Schweinezüchtern Vorteile
bringen würde. Soweit die Zwistigkeiten zwischen England und Europa in
Betracht kommen, wird Onkel Sam nie etwas anderes sein als ein Zuschauer;
ein interessierter Zuschauer, wie er offen zugibt, wenn daraus zufällig irgend¬
welcher Gewinn für ihn erwächst.. . ." Das ist eine amerikanische Stimnie
aus dem Jahre 1900. Warum sie hier so ausführlich wiedergegeben wurde?
Weil aus ihr herauszuhören ist, wie planmäßig die englische Regierung die
Geister im Mutterlande wie in den Kolonien schon damals auf die kommende
Auseinandersetzung mit Deutschland vorbereiten, wie geflissentlich sie die "Vettern
an der anderen Seite des Atlantik" umschmeicheln ließ, und weil ein Amerikaner
damals unbefangen aussprechen konnte, was man in Amerika bei einem
europäischen Kriege unter Neutralität versteht. Der Verlauf des gegenwärtigen
Krieges hat dem Gewährsmann des australischen Blattes im allgemeinen recht
gegeben: Onkel Sam hat sich ganz so verhalten, wie er es von ihm erwartete;
nur ließ sich natürlich nicht voraussehen, daß die Sorge um die Sicherheit auf¬
stehender Forderungen für Kriegslieferungen Onkel Sam schließlich doch noch
in einen europäischen Krieg mit verwickeln könnte. Je mehr aber die Haltung
der Vereinigten Staaten während des Krieges von geschäftlichen Interessen be¬
stimmt war und ist, desto weniger braucht dies nach dem Kriege der Fall zu
sein. Im übrigen wird die europäische Einwanderung, die schon vor dem
Kriege vorwiegend anderer als angelsächsischer Herkunft war, nach Friedens¬
schluß erst recht fortfahren, die Stellung des Angelsachsentums in der nord¬
amerikanischen Union zu erschüttern, und schon bei den Friedensverhandlungen
dürften in der Frage internationalen Wettbewerbs in englischen Kolonien Lon¬
doner und Washingtoner Meinungen hart aufeinanderstoßen.

Am Ende bedeutet der Krieg für England ein Hasardspiel, bei dem es
sowohl seine Kolonien wie die Freundschaft der Vereinigten Staaten einsetzte:


Die Zukunft dos britischen Weltreiches

derben deutschen und skandinavischen Bauerntums verdanken..." Englisch
oder eine Lesart des Englischen spreche das Volk der Vereinigten Staaten nur,
weil es die Vorteile einer gemeinsamen Sprache für Geschäfts- und andere
Zwecke würdige, und weil es bisher zu beschäftigt war, um irgendwelchen
radikalen Wechsel in der Sprache in Betracht zu ziehen, die ihm von seinen
kolonialen Tagen her überkommen ist. Schließlich fertigte jener auf Neuseeland
lebende Amerikaner noch die schon damals aktuelle Behauptung ab, daß eine
„Föderation der englisch sprechenden Völker" der übrigen Welt den Frieden
diktieren könnte! „Wo würde der Vorteil liegen? England wünscht keinen
Frieden, es sei denn, es könnte die Bedingungen allein festsetzen, während die
Vereinigten Staaten einen europäischen Krieg gewiß nicht als ein ungemischtes
Übel betrachten würden. Aus einem solchen Kriege würden sich für dieses in
allererster Linie große Aufträge auf alle Arten von Munition und Material
und höhere Löhne für eine große Zahl amerikanischer Handarbeiter ergeben;
während ein lange andauernder Kampf die Preise für Getreide und Fleisch
erhöhen und dadurch amerikanischen Farmern und Schweinezüchtern Vorteile
bringen würde. Soweit die Zwistigkeiten zwischen England und Europa in
Betracht kommen, wird Onkel Sam nie etwas anderes sein als ein Zuschauer;
ein interessierter Zuschauer, wie er offen zugibt, wenn daraus zufällig irgend¬
welcher Gewinn für ihn erwächst.. . ." Das ist eine amerikanische Stimnie
aus dem Jahre 1900. Warum sie hier so ausführlich wiedergegeben wurde?
Weil aus ihr herauszuhören ist, wie planmäßig die englische Regierung die
Geister im Mutterlande wie in den Kolonien schon damals auf die kommende
Auseinandersetzung mit Deutschland vorbereiten, wie geflissentlich sie die „Vettern
an der anderen Seite des Atlantik" umschmeicheln ließ, und weil ein Amerikaner
damals unbefangen aussprechen konnte, was man in Amerika bei einem
europäischen Kriege unter Neutralität versteht. Der Verlauf des gegenwärtigen
Krieges hat dem Gewährsmann des australischen Blattes im allgemeinen recht
gegeben: Onkel Sam hat sich ganz so verhalten, wie er es von ihm erwartete;
nur ließ sich natürlich nicht voraussehen, daß die Sorge um die Sicherheit auf¬
stehender Forderungen für Kriegslieferungen Onkel Sam schließlich doch noch
in einen europäischen Krieg mit verwickeln könnte. Je mehr aber die Haltung
der Vereinigten Staaten während des Krieges von geschäftlichen Interessen be¬
stimmt war und ist, desto weniger braucht dies nach dem Kriege der Fall zu
sein. Im übrigen wird die europäische Einwanderung, die schon vor dem
Kriege vorwiegend anderer als angelsächsischer Herkunft war, nach Friedens¬
schluß erst recht fortfahren, die Stellung des Angelsachsentums in der nord¬
amerikanischen Union zu erschüttern, und schon bei den Friedensverhandlungen
dürften in der Frage internationalen Wettbewerbs in englischen Kolonien Lon¬
doner und Washingtoner Meinungen hart aufeinanderstoßen.

Am Ende bedeutet der Krieg für England ein Hasardspiel, bei dem es
sowohl seine Kolonien wie die Freundschaft der Vereinigten Staaten einsetzte:


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[0416] Die Zukunft dos britischen Weltreiches derben deutschen und skandinavischen Bauerntums verdanken..." Englisch oder eine Lesart des Englischen spreche das Volk der Vereinigten Staaten nur, weil es die Vorteile einer gemeinsamen Sprache für Geschäfts- und andere Zwecke würdige, und weil es bisher zu beschäftigt war, um irgendwelchen radikalen Wechsel in der Sprache in Betracht zu ziehen, die ihm von seinen kolonialen Tagen her überkommen ist. Schließlich fertigte jener auf Neuseeland lebende Amerikaner noch die schon damals aktuelle Behauptung ab, daß eine „Föderation der englisch sprechenden Völker" der übrigen Welt den Frieden diktieren könnte! „Wo würde der Vorteil liegen? England wünscht keinen Frieden, es sei denn, es könnte die Bedingungen allein festsetzen, während die Vereinigten Staaten einen europäischen Krieg gewiß nicht als ein ungemischtes Übel betrachten würden. Aus einem solchen Kriege würden sich für dieses in allererster Linie große Aufträge auf alle Arten von Munition und Material und höhere Löhne für eine große Zahl amerikanischer Handarbeiter ergeben; während ein lange andauernder Kampf die Preise für Getreide und Fleisch erhöhen und dadurch amerikanischen Farmern und Schweinezüchtern Vorteile bringen würde. Soweit die Zwistigkeiten zwischen England und Europa in Betracht kommen, wird Onkel Sam nie etwas anderes sein als ein Zuschauer; ein interessierter Zuschauer, wie er offen zugibt, wenn daraus zufällig irgend¬ welcher Gewinn für ihn erwächst.. . ." Das ist eine amerikanische Stimnie aus dem Jahre 1900. Warum sie hier so ausführlich wiedergegeben wurde? Weil aus ihr herauszuhören ist, wie planmäßig die englische Regierung die Geister im Mutterlande wie in den Kolonien schon damals auf die kommende Auseinandersetzung mit Deutschland vorbereiten, wie geflissentlich sie die „Vettern an der anderen Seite des Atlantik" umschmeicheln ließ, und weil ein Amerikaner damals unbefangen aussprechen konnte, was man in Amerika bei einem europäischen Kriege unter Neutralität versteht. Der Verlauf des gegenwärtigen Krieges hat dem Gewährsmann des australischen Blattes im allgemeinen recht gegeben: Onkel Sam hat sich ganz so verhalten, wie er es von ihm erwartete; nur ließ sich natürlich nicht voraussehen, daß die Sorge um die Sicherheit auf¬ stehender Forderungen für Kriegslieferungen Onkel Sam schließlich doch noch in einen europäischen Krieg mit verwickeln könnte. Je mehr aber die Haltung der Vereinigten Staaten während des Krieges von geschäftlichen Interessen be¬ stimmt war und ist, desto weniger braucht dies nach dem Kriege der Fall zu sein. Im übrigen wird die europäische Einwanderung, die schon vor dem Kriege vorwiegend anderer als angelsächsischer Herkunft war, nach Friedens¬ schluß erst recht fortfahren, die Stellung des Angelsachsentums in der nord¬ amerikanischen Union zu erschüttern, und schon bei den Friedensverhandlungen dürften in der Frage internationalen Wettbewerbs in englischen Kolonien Lon¬ doner und Washingtoner Meinungen hart aufeinanderstoßen. Am Ende bedeutet der Krieg für England ein Hasardspiel, bei dem es sowohl seine Kolonien wie die Freundschaft der Vereinigten Staaten einsetzte:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/416>, abgerufen am 01.07.2024.