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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Zukunft des britischen Weltreiches
von Gelo L"rbach

le Art und Weise, wie jetzt Vertreter der britischen Dominions
dem Mutterlande gegenüber auftreten, verrät, wie sehr das Selbst¬
bewußtsein der Bevölkerung der überseeischen Teile des britischen
Weltreiches während des Krieges überall gestiegen ist. "Der
Australier, der Kanadier, der Neuseeländer, wie ich ihn kenne,"
erklärte der Oberkommissar für den australischen Staatenbund, Andrew Fisher.
am 13. Februar 1917 in einer im Roval Colonial Institute in London ge¬
haltenen Rede, nachdem er über den Namen dieser alten Einrichtung gespottet
hatte, "macht keinen Anspruch darauf, ein Kolonialer genannt zu werden. Der
Australier ist eifersüchtig stolz auf das herrliche Land, in dem er geboren wurde.
Die Männer, die bei Anzac ruhen, starben mit demi Worte .Australien' auf den
Lippen. Der Australier fordert soviel Anrecht auf den Union Jack, wie sein
Bruder auf den britischen Inseln. Darum sollten wir uns die veraltete Idee
der Kolonien aus dem Kopfe schlagen, wenn wir von den Völkern der über¬
seeischen Gebiete reden, die sich in Wirklichkeit nicht abhängig fühlen, sondern
von einem ebenso idealen Patriotismus und Unabhängigkeitssinn beseelt sind,
wie die Bürger dieses älteren Landes." Man brauchte solchen Stimmen nicht
viel Beachtung zu schenken, wenn sie nur Ausbrüche eines überspannten Lokal¬
patriotismus wären; sie sind aber mehr, nämlich Anzeichen einer gründlichen
Wandlung im wirtschaftlichen Verhältnis zwischen Mutterland und Kolonien.
Vor dem Kriege sorgte die Abhängigkeit der Kolonien vom Londoner Geld¬
markte dafür, daß die Bäume der Selbstverwaltung in ihnen nicht in den
Himmel wuchsen. Australien mit einer Bevölkerung von nur fünf Millionen
war dem Mutterlande mit über 300 Millionen Mark jährlich tributpflichtig
geworden. Die Beteiligung englischer Kapitalisten an den australischen Berg¬
werken brachte eine Belastung der Betriebe mit einem ungeheuer kostspieligen
Stäbe kaufmännischer und technischer Beamten mit sich, was australische Blätter
immer wieder in Stoßseufzer über den "Fluch des .fremden' Kapitals" aus¬
brechen ließ. Nicht minder bitter war die Klage über in Australien zusammen¬
geraffte Reichtümer, die mit ihren Trägern sortgesetzt nach London abwanderten.
Dort konnten die Henniker Heatons, Samuel Wilsons und Daniel Coopers
Titel erwerben, ihre. Söhne in der englischen Armee unterbringen und ihre
Töchter in der englischen Aristokratie an den Mann bringen. Wenn aber


G"nzboten III 1917 26


Die Zukunft des britischen Weltreiches
von Gelo L«rbach

le Art und Weise, wie jetzt Vertreter der britischen Dominions
dem Mutterlande gegenüber auftreten, verrät, wie sehr das Selbst¬
bewußtsein der Bevölkerung der überseeischen Teile des britischen
Weltreiches während des Krieges überall gestiegen ist. „Der
Australier, der Kanadier, der Neuseeländer, wie ich ihn kenne,"
erklärte der Oberkommissar für den australischen Staatenbund, Andrew Fisher.
am 13. Februar 1917 in einer im Roval Colonial Institute in London ge¬
haltenen Rede, nachdem er über den Namen dieser alten Einrichtung gespottet
hatte, „macht keinen Anspruch darauf, ein Kolonialer genannt zu werden. Der
Australier ist eifersüchtig stolz auf das herrliche Land, in dem er geboren wurde.
Die Männer, die bei Anzac ruhen, starben mit demi Worte .Australien' auf den
Lippen. Der Australier fordert soviel Anrecht auf den Union Jack, wie sein
Bruder auf den britischen Inseln. Darum sollten wir uns die veraltete Idee
der Kolonien aus dem Kopfe schlagen, wenn wir von den Völkern der über¬
seeischen Gebiete reden, die sich in Wirklichkeit nicht abhängig fühlen, sondern
von einem ebenso idealen Patriotismus und Unabhängigkeitssinn beseelt sind,
wie die Bürger dieses älteren Landes." Man brauchte solchen Stimmen nicht
viel Beachtung zu schenken, wenn sie nur Ausbrüche eines überspannten Lokal¬
patriotismus wären; sie sind aber mehr, nämlich Anzeichen einer gründlichen
Wandlung im wirtschaftlichen Verhältnis zwischen Mutterland und Kolonien.
Vor dem Kriege sorgte die Abhängigkeit der Kolonien vom Londoner Geld¬
markte dafür, daß die Bäume der Selbstverwaltung in ihnen nicht in den
Himmel wuchsen. Australien mit einer Bevölkerung von nur fünf Millionen
war dem Mutterlande mit über 300 Millionen Mark jährlich tributpflichtig
geworden. Die Beteiligung englischer Kapitalisten an den australischen Berg¬
werken brachte eine Belastung der Betriebe mit einem ungeheuer kostspieligen
Stäbe kaufmännischer und technischer Beamten mit sich, was australische Blätter
immer wieder in Stoßseufzer über den „Fluch des .fremden' Kapitals" aus¬
brechen ließ. Nicht minder bitter war die Klage über in Australien zusammen¬
geraffte Reichtümer, die mit ihren Trägern sortgesetzt nach London abwanderten.
Dort konnten die Henniker Heatons, Samuel Wilsons und Daniel Coopers
Titel erwerben, ihre. Söhne in der englischen Armee unterbringen und ihre
Töchter in der englischen Aristokratie an den Mann bringen. Wenn aber


G«nzboten III 1917 26
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[0413] [Abbildung] Die Zukunft des britischen Weltreiches von Gelo L«rbach le Art und Weise, wie jetzt Vertreter der britischen Dominions dem Mutterlande gegenüber auftreten, verrät, wie sehr das Selbst¬ bewußtsein der Bevölkerung der überseeischen Teile des britischen Weltreiches während des Krieges überall gestiegen ist. „Der Australier, der Kanadier, der Neuseeländer, wie ich ihn kenne," erklärte der Oberkommissar für den australischen Staatenbund, Andrew Fisher. am 13. Februar 1917 in einer im Roval Colonial Institute in London ge¬ haltenen Rede, nachdem er über den Namen dieser alten Einrichtung gespottet hatte, „macht keinen Anspruch darauf, ein Kolonialer genannt zu werden. Der Australier ist eifersüchtig stolz auf das herrliche Land, in dem er geboren wurde. Die Männer, die bei Anzac ruhen, starben mit demi Worte .Australien' auf den Lippen. Der Australier fordert soviel Anrecht auf den Union Jack, wie sein Bruder auf den britischen Inseln. Darum sollten wir uns die veraltete Idee der Kolonien aus dem Kopfe schlagen, wenn wir von den Völkern der über¬ seeischen Gebiete reden, die sich in Wirklichkeit nicht abhängig fühlen, sondern von einem ebenso idealen Patriotismus und Unabhängigkeitssinn beseelt sind, wie die Bürger dieses älteren Landes." Man brauchte solchen Stimmen nicht viel Beachtung zu schenken, wenn sie nur Ausbrüche eines überspannten Lokal¬ patriotismus wären; sie sind aber mehr, nämlich Anzeichen einer gründlichen Wandlung im wirtschaftlichen Verhältnis zwischen Mutterland und Kolonien. Vor dem Kriege sorgte die Abhängigkeit der Kolonien vom Londoner Geld¬ markte dafür, daß die Bäume der Selbstverwaltung in ihnen nicht in den Himmel wuchsen. Australien mit einer Bevölkerung von nur fünf Millionen war dem Mutterlande mit über 300 Millionen Mark jährlich tributpflichtig geworden. Die Beteiligung englischer Kapitalisten an den australischen Berg¬ werken brachte eine Belastung der Betriebe mit einem ungeheuer kostspieligen Stäbe kaufmännischer und technischer Beamten mit sich, was australische Blätter immer wieder in Stoßseufzer über den „Fluch des .fremden' Kapitals" aus¬ brechen ließ. Nicht minder bitter war die Klage über in Australien zusammen¬ geraffte Reichtümer, die mit ihren Trägern sortgesetzt nach London abwanderten. Dort konnten die Henniker Heatons, Samuel Wilsons und Daniel Coopers Titel erwerben, ihre. Söhne in der englischen Armee unterbringen und ihre Töchter in der englischen Aristokratie an den Mann bringen. Wenn aber G«nzboten III 1917 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/413>, abgerufen am 01.07.2024.