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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Reichsgewalt und Landesverfassung in" Reichslande

der Landesregierung. Ernennung und Jnstruierung der Bundesratsbevollmäch-
ligten durch den Statthalter, in Kraft sind.

Unter diesen Voraussetzungen ist die Teilnahme am Bundesrate dem
Reichslande reichsverfassungsmäßig gewährleistet. Änderung des Stimmrechts
-- durch Entziehung, Erweiterung. Beschränkung --. während jene in Art. 6a
genannten Vorschriften der elsaß-lothringischen Verfassung fortbestehen, würde
daher eine Änderung der Reichsverfassung bedeuten.

Sehr auffällig ist, daß die Reichsverfassung in Art. 1 bei der Bestimmung
des Bundesgebiets durch Aufzählung der Teilgebiete nur die Bundesstaaten
nennt. Elsaß-Lothringen nicht erwähnt, dagegen im Art. 6 a dem Reichslande
Stimmrecht im Bundesrate beilegt. Man hat eben vergessen, die Reichs¬
verfassung, bei deren Zustandekommen das staatsrechtliche Schicksal Elsaß-
Lothringens noch nicht entschieden war, gemäß § 2 des Reichsgesetzes vom
25. Juni 1873 über Einführung der Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen
formell zu ergänzen, im Art. I unter den Reichsteilen neben den Bundesstaaten
auch das Reichsland aufzuführen. Ebenso blieb die weitere bedeutsame ver-
fassungsändernde Bestimmung des Gesetzes von 1873, Beteiligung des Reichs-
landes mit 15 Abgeordneten am Reichstage, dem Text der Reichsverfassung
fern. Besonders die erstere Auslassung wäre bei gründlicherer Gesetzgebungs¬
arbeit doch nicht möglich geivesen!

Im Entwurf des elsaß-lothringischen Verfassungsgesetzes von 1911 war
das Stimmrecht im Bundesrate noch nicht vorgesehen, die Reichstags-Kommission
aber trat dafür ein und die Reichsregierung gab nach.

Doch nur mit Einschränkungen wurde das Stimmrecht gewährt. Die
Auffassung gewann Boden und setzte sich durch, daß die Neuerung unbedingt
nicht zu einer Erhöhung des preußischen Einflusses im Bundesrate führen dürfe;
würden doch, so meinte man, die Stimmen des Reichslandes, da der König von
Preußen als Kaiser zugleich Träger der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen sei,
regelmäßig in gleichem Sinne wie die preußischen abgegeben werden, also diese
verstärken. Man fügte daher, in eigentümlichem Kontrast zu den Sonderrechten
mehrerer Staaten in der Reichsverfassung, dieser die antipreußische Klausel ein:
die elsaß-lothringischen Stimmen sollen nicht zählen, wenn nur mit ihnen die
Präsidialstimme die Mehrheit sür sich erlangen oder zufolge dann vorhandener
Stimmengleichheit den Ausschlag geben würde. Die gleiche Beschränkung wurde
beschlossen für Abstimmungen des Bundesrath über Änderungen der Reichs¬
verfassung. Daraus folgt denn auch, daß Elsaß-Lothringen über eine Änderung
seines Stimmrechts -- solange dessen reichsverfassungsmäßige Voraussetzung
(Art. 6a Abs. 1) überhaupt besteht -- nicht mit abzustimmen hat.

In diesen beiden Beziehungen sind die Stimmen des Reichslandes von
geringerem Gewicht als die der Reichsstaaten.

Für dieVertretung in denBundesrats-Ausschüssen steht Elsaß-Lothringen einem
Bundesstaate völlig gleich und hat insofern das Stimmrecht unbeschränkt, Art. 6 a Abs.3.


Reichsgewalt und Landesverfassung in» Reichslande

der Landesregierung. Ernennung und Jnstruierung der Bundesratsbevollmäch-
ligten durch den Statthalter, in Kraft sind.

Unter diesen Voraussetzungen ist die Teilnahme am Bundesrate dem
Reichslande reichsverfassungsmäßig gewährleistet. Änderung des Stimmrechts
— durch Entziehung, Erweiterung. Beschränkung —. während jene in Art. 6a
genannten Vorschriften der elsaß-lothringischen Verfassung fortbestehen, würde
daher eine Änderung der Reichsverfassung bedeuten.

Sehr auffällig ist, daß die Reichsverfassung in Art. 1 bei der Bestimmung
des Bundesgebiets durch Aufzählung der Teilgebiete nur die Bundesstaaten
nennt. Elsaß-Lothringen nicht erwähnt, dagegen im Art. 6 a dem Reichslande
Stimmrecht im Bundesrate beilegt. Man hat eben vergessen, die Reichs¬
verfassung, bei deren Zustandekommen das staatsrechtliche Schicksal Elsaß-
Lothringens noch nicht entschieden war, gemäß § 2 des Reichsgesetzes vom
25. Juni 1873 über Einführung der Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen
formell zu ergänzen, im Art. I unter den Reichsteilen neben den Bundesstaaten
auch das Reichsland aufzuführen. Ebenso blieb die weitere bedeutsame ver-
fassungsändernde Bestimmung des Gesetzes von 1873, Beteiligung des Reichs-
landes mit 15 Abgeordneten am Reichstage, dem Text der Reichsverfassung
fern. Besonders die erstere Auslassung wäre bei gründlicherer Gesetzgebungs¬
arbeit doch nicht möglich geivesen!

Im Entwurf des elsaß-lothringischen Verfassungsgesetzes von 1911 war
das Stimmrecht im Bundesrate noch nicht vorgesehen, die Reichstags-Kommission
aber trat dafür ein und die Reichsregierung gab nach.

Doch nur mit Einschränkungen wurde das Stimmrecht gewährt. Die
Auffassung gewann Boden und setzte sich durch, daß die Neuerung unbedingt
nicht zu einer Erhöhung des preußischen Einflusses im Bundesrate führen dürfe;
würden doch, so meinte man, die Stimmen des Reichslandes, da der König von
Preußen als Kaiser zugleich Träger der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen sei,
regelmäßig in gleichem Sinne wie die preußischen abgegeben werden, also diese
verstärken. Man fügte daher, in eigentümlichem Kontrast zu den Sonderrechten
mehrerer Staaten in der Reichsverfassung, dieser die antipreußische Klausel ein:
die elsaß-lothringischen Stimmen sollen nicht zählen, wenn nur mit ihnen die
Präsidialstimme die Mehrheit sür sich erlangen oder zufolge dann vorhandener
Stimmengleichheit den Ausschlag geben würde. Die gleiche Beschränkung wurde
beschlossen für Abstimmungen des Bundesrath über Änderungen der Reichs¬
verfassung. Daraus folgt denn auch, daß Elsaß-Lothringen über eine Änderung
seines Stimmrechts — solange dessen reichsverfassungsmäßige Voraussetzung
(Art. 6a Abs. 1) überhaupt besteht — nicht mit abzustimmen hat.

In diesen beiden Beziehungen sind die Stimmen des Reichslandes von
geringerem Gewicht als die der Reichsstaaten.

Für dieVertretung in denBundesrats-Ausschüssen steht Elsaß-Lothringen einem
Bundesstaate völlig gleich und hat insofern das Stimmrecht unbeschränkt, Art. 6 a Abs.3.


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[0407] Reichsgewalt und Landesverfassung in» Reichslande der Landesregierung. Ernennung und Jnstruierung der Bundesratsbevollmäch- ligten durch den Statthalter, in Kraft sind. Unter diesen Voraussetzungen ist die Teilnahme am Bundesrate dem Reichslande reichsverfassungsmäßig gewährleistet. Änderung des Stimmrechts — durch Entziehung, Erweiterung. Beschränkung —. während jene in Art. 6a genannten Vorschriften der elsaß-lothringischen Verfassung fortbestehen, würde daher eine Änderung der Reichsverfassung bedeuten. Sehr auffällig ist, daß die Reichsverfassung in Art. 1 bei der Bestimmung des Bundesgebiets durch Aufzählung der Teilgebiete nur die Bundesstaaten nennt. Elsaß-Lothringen nicht erwähnt, dagegen im Art. 6 a dem Reichslande Stimmrecht im Bundesrate beilegt. Man hat eben vergessen, die Reichs¬ verfassung, bei deren Zustandekommen das staatsrechtliche Schicksal Elsaß- Lothringens noch nicht entschieden war, gemäß § 2 des Reichsgesetzes vom 25. Juni 1873 über Einführung der Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen formell zu ergänzen, im Art. I unter den Reichsteilen neben den Bundesstaaten auch das Reichsland aufzuführen. Ebenso blieb die weitere bedeutsame ver- fassungsändernde Bestimmung des Gesetzes von 1873, Beteiligung des Reichs- landes mit 15 Abgeordneten am Reichstage, dem Text der Reichsverfassung fern. Besonders die erstere Auslassung wäre bei gründlicherer Gesetzgebungs¬ arbeit doch nicht möglich geivesen! Im Entwurf des elsaß-lothringischen Verfassungsgesetzes von 1911 war das Stimmrecht im Bundesrate noch nicht vorgesehen, die Reichstags-Kommission aber trat dafür ein und die Reichsregierung gab nach. Doch nur mit Einschränkungen wurde das Stimmrecht gewährt. Die Auffassung gewann Boden und setzte sich durch, daß die Neuerung unbedingt nicht zu einer Erhöhung des preußischen Einflusses im Bundesrate führen dürfe; würden doch, so meinte man, die Stimmen des Reichslandes, da der König von Preußen als Kaiser zugleich Träger der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen sei, regelmäßig in gleichem Sinne wie die preußischen abgegeben werden, also diese verstärken. Man fügte daher, in eigentümlichem Kontrast zu den Sonderrechten mehrerer Staaten in der Reichsverfassung, dieser die antipreußische Klausel ein: die elsaß-lothringischen Stimmen sollen nicht zählen, wenn nur mit ihnen die Präsidialstimme die Mehrheit sür sich erlangen oder zufolge dann vorhandener Stimmengleichheit den Ausschlag geben würde. Die gleiche Beschränkung wurde beschlossen für Abstimmungen des Bundesrath über Änderungen der Reichs¬ verfassung. Daraus folgt denn auch, daß Elsaß-Lothringen über eine Änderung seines Stimmrechts — solange dessen reichsverfassungsmäßige Voraussetzung (Art. 6a Abs. 1) überhaupt besteht — nicht mit abzustimmen hat. In diesen beiden Beziehungen sind die Stimmen des Reichslandes von geringerem Gewicht als die der Reichsstaaten. Für dieVertretung in denBundesrats-Ausschüssen steht Elsaß-Lothringen einem Bundesstaate völlig gleich und hat insofern das Stimmrecht unbeschränkt, Art. 6 a Abs.3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/407>, abgerufen am 01.07.2024.