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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

Wesen; da aber meine Krankheit eine so herzerfreuende Ursache hat, so habe ich
alles mit Gedult und frohen Mühe ertragen; erst seid einigen Tagen fange ich
an mich etwas beßer zu fühlen, kan aber dennoch wenige Stunden des Tags
außer dem Bet zubringen. Schreiben Sie mir bald lieber Freund! Ihrer
lieben Frau empfehlen Sie mich freundschaftlich; ihre Bekantschaft zu machen
würde meine größte Lebensfreude außmachen. Wird sie mir auch ein wenig
gut sein? Ich liebe sie schon als ob ich sie lange gekaut hätte. -- Meine
Kinder empfehlen sich bestens


Sophie) TisschbeinZ. Ihre Freundin

Die Vorstellungen des treuen Freundes und der einst schwärmerisch ver¬
ehrten schönen Freundin machten Eindruck. Schon im folgenden Monate stellte
sich der junge Gatte in Dessau ein "°). Caroline. die in Jena geblieben war,
berichtet darüber in der Nachschrift eines Briefes an Luise Götter vom
!7. Oktobers:

"Eben ist Schlegel wieder zu Haus gekommen, der liebe Mensch... Er
ist in Deßau bey Tischbeins gewesen." In Dessau brachte Schlegel, wie er
unterm 21. November 1796 an Böttiger schreibt""), anderthalb sehr glückliche
Tage zu. Denn es machte ihm Freude, einerseits die von Tischbein vor
Jahresfrist in Weimar gemalten Bildnisse Herders, Wielands und Böttigers,
die er alle drei aufrichtig verehrte, in Augenschein zu nehmen, zum andern
aber den literaturverständigen, aufmerksam zuhörenden Freunden, wie einst in
Amsterdam, das Neueste vorzulesen. Er hatte ihnen etwas ganz außergewöhnlich
Interessantes, das damals gerade in aller Munde war, zu bieten: Schillers
Musenalmanach für das Jahr 1797 mit den Xenien und dem Pygmalion.
Tischbein erzählt davon in einem am 22. November 1796 an Böttiger ge¬
richteten Briefe: "Schillers Musen-Almanach hat uns Schlegel meist ganz vor-
gelesen; denn Sie wissen doch, daß er mich auf einen Tag nach Dessau be¬
gleitet hat" und macht dazu am unteren Rande der ersten Briefseite die Be-
wertung: "Daß Ihr Urtheil über diese poetischen Frevel"") so genau brecht-
fertiget freuet mich; denn "ich hatZ ohnerachtet aller genommenen Mühe der
allzupartheyische Schlegel keines andern überreden können."

In der zweiten Märzwoche des Jahres 1797 wurde Tischbeins ein Knabe.
Karl Wilhelm^) mit Namen, nachmals Porträtmaler in Leipzig und später







"°) Schlegel war vorher mit Frommann in Leipzig gewesen und dort mit Tischbein
zusammengetroffen, vgl. Caroline I 398 f.
Vgl. Caroline I 401.
"°) Vgl. Archiv für Literaturgeschichte 1874 III 152 f.
"°) Wer den Widerspruch, den die Xenien durch Herder, Wieland, Völliger und Mele
andere erfuhren, vgl. Ed. Boas, Schiller und Goethe im Xenienkampf II 2 und Schuften der
Goethe-Gesellschaft 1893 VIII S. XXIII.
°°) Irrtümlich zumeist Carl Ludwig genannt - so neuerdings wieder von Kurzwelly,
Porträt in Leipzig SV -, während er tatsächlich Carl Wilhelm hieß, vgl. Stoll
O. S8.
Grenzboten III 1917 ^
Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

Wesen; da aber meine Krankheit eine so herzerfreuende Ursache hat, so habe ich
alles mit Gedult und frohen Mühe ertragen; erst seid einigen Tagen fange ich
an mich etwas beßer zu fühlen, kan aber dennoch wenige Stunden des Tags
außer dem Bet zubringen. Schreiben Sie mir bald lieber Freund! Ihrer
lieben Frau empfehlen Sie mich freundschaftlich; ihre Bekantschaft zu machen
würde meine größte Lebensfreude außmachen. Wird sie mir auch ein wenig
gut sein? Ich liebe sie schon als ob ich sie lange gekaut hätte. — Meine
Kinder empfehlen sich bestens


Sophie) TisschbeinZ. Ihre Freundin

Die Vorstellungen des treuen Freundes und der einst schwärmerisch ver¬
ehrten schönen Freundin machten Eindruck. Schon im folgenden Monate stellte
sich der junge Gatte in Dessau ein «°). Caroline. die in Jena geblieben war,
berichtet darüber in der Nachschrift eines Briefes an Luise Götter vom
!7. Oktobers:

„Eben ist Schlegel wieder zu Haus gekommen, der liebe Mensch... Er
ist in Deßau bey Tischbeins gewesen." In Dessau brachte Schlegel, wie er
unterm 21. November 1796 an Böttiger schreibt««), anderthalb sehr glückliche
Tage zu. Denn es machte ihm Freude, einerseits die von Tischbein vor
Jahresfrist in Weimar gemalten Bildnisse Herders, Wielands und Böttigers,
die er alle drei aufrichtig verehrte, in Augenschein zu nehmen, zum andern
aber den literaturverständigen, aufmerksam zuhörenden Freunden, wie einst in
Amsterdam, das Neueste vorzulesen. Er hatte ihnen etwas ganz außergewöhnlich
Interessantes, das damals gerade in aller Munde war, zu bieten: Schillers
Musenalmanach für das Jahr 1797 mit den Xenien und dem Pygmalion.
Tischbein erzählt davon in einem am 22. November 1796 an Böttiger ge¬
richteten Briefe: „Schillers Musen-Almanach hat uns Schlegel meist ganz vor-
gelesen; denn Sie wissen doch, daß er mich auf einen Tag nach Dessau be¬
gleitet hat" und macht dazu am unteren Rande der ersten Briefseite die Be-
wertung: „Daß Ihr Urtheil über diese poetischen Frevel««) so genau brecht-
fertiget freuet mich; denn »ich hatZ ohnerachtet aller genommenen Mühe der
allzupartheyische Schlegel keines andern überreden können."

In der zweiten Märzwoche des Jahres 1797 wurde Tischbeins ein Knabe.
Karl Wilhelm^) mit Namen, nachmals Porträtmaler in Leipzig und später







«°) Schlegel war vorher mit Frommann in Leipzig gewesen und dort mit Tischbein
zusammengetroffen, vgl. Caroline I 398 f.
Vgl. Caroline I 401.
"°) Vgl. Archiv für Literaturgeschichte 1874 III 152 f.
«°) Wer den Widerspruch, den die Xenien durch Herder, Wieland, Völliger und Mele
andere erfuhren, vgl. Ed. Boas, Schiller und Goethe im Xenienkampf II 2 und Schuften der
Goethe-Gesellschaft 1893 VIII S. XXIII.
°°) Irrtümlich zumeist Carl Ludwig genannt - so neuerdings wieder von Kurzwelly,
Porträt in Leipzig SV -, während er tatsächlich Carl Wilhelm hieß, vgl. Stoll
O. S8.
Grenzboten III 1917 ^
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[0349] Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel Wesen; da aber meine Krankheit eine so herzerfreuende Ursache hat, so habe ich alles mit Gedult und frohen Mühe ertragen; erst seid einigen Tagen fange ich an mich etwas beßer zu fühlen, kan aber dennoch wenige Stunden des Tags außer dem Bet zubringen. Schreiben Sie mir bald lieber Freund! Ihrer lieben Frau empfehlen Sie mich freundschaftlich; ihre Bekantschaft zu machen würde meine größte Lebensfreude außmachen. Wird sie mir auch ein wenig gut sein? Ich liebe sie schon als ob ich sie lange gekaut hätte. — Meine Kinder empfehlen sich bestens Sophie) TisschbeinZ. Ihre Freundin Die Vorstellungen des treuen Freundes und der einst schwärmerisch ver¬ ehrten schönen Freundin machten Eindruck. Schon im folgenden Monate stellte sich der junge Gatte in Dessau ein «°). Caroline. die in Jena geblieben war, berichtet darüber in der Nachschrift eines Briefes an Luise Götter vom !7. Oktobers: „Eben ist Schlegel wieder zu Haus gekommen, der liebe Mensch... Er ist in Deßau bey Tischbeins gewesen." In Dessau brachte Schlegel, wie er unterm 21. November 1796 an Böttiger schreibt««), anderthalb sehr glückliche Tage zu. Denn es machte ihm Freude, einerseits die von Tischbein vor Jahresfrist in Weimar gemalten Bildnisse Herders, Wielands und Böttigers, die er alle drei aufrichtig verehrte, in Augenschein zu nehmen, zum andern aber den literaturverständigen, aufmerksam zuhörenden Freunden, wie einst in Amsterdam, das Neueste vorzulesen. Er hatte ihnen etwas ganz außergewöhnlich Interessantes, das damals gerade in aller Munde war, zu bieten: Schillers Musenalmanach für das Jahr 1797 mit den Xenien und dem Pygmalion. Tischbein erzählt davon in einem am 22. November 1796 an Böttiger ge¬ richteten Briefe: „Schillers Musen-Almanach hat uns Schlegel meist ganz vor- gelesen; denn Sie wissen doch, daß er mich auf einen Tag nach Dessau be¬ gleitet hat" und macht dazu am unteren Rande der ersten Briefseite die Be- wertung: „Daß Ihr Urtheil über diese poetischen Frevel««) so genau brecht- fertiget freuet mich; denn »ich hatZ ohnerachtet aller genommenen Mühe der allzupartheyische Schlegel keines andern überreden können." In der zweiten Märzwoche des Jahres 1797 wurde Tischbeins ein Knabe. Karl Wilhelm^) mit Namen, nachmals Porträtmaler in Leipzig und später «°) Schlegel war vorher mit Frommann in Leipzig gewesen und dort mit Tischbein zusammengetroffen, vgl. Caroline I 398 f. Vgl. Caroline I 401. "°) Vgl. Archiv für Literaturgeschichte 1874 III 152 f. «°) Wer den Widerspruch, den die Xenien durch Herder, Wieland, Völliger und Mele andere erfuhren, vgl. Ed. Boas, Schiller und Goethe im Xenienkampf II 2 und Schuften der Goethe-Gesellschaft 1893 VIII S. XXIII. °°) Irrtümlich zumeist Carl Ludwig genannt - so neuerdings wieder von Kurzwelly, Porträt in Leipzig SV -, während er tatsächlich Carl Wilhelm hieß, vgl. Stoll O. S8. Grenzboten III 1917 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/349>, abgerufen am 03.07.2024.