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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

und zwar auß der Trompete des vielerzählenden Redlichst) vernommen hatten,
Sie seyen samt Ihrer Gattin in der Schweiz. Wir glaubten Sie in unserer
Nachbarschaft, und dieser Gedanke that uns wohl. Nun sollten Sie auf einmahl
wieder so weit von uns seyn: äat pas in't Zeneel niet na on?en Ann^).
Sie sind also in Jena, und werden da Wurzel fassen^). Vortreflich. Wer
uns das vor einigen Jahren vorauß gesagt hätte. Auf diese Weise werden
wir uns doch von Zeit zu Zeit sehen, wenigstens einander oft schreiben können;
denn mit allzu entfernten Correspondenzen hat es doch keine rechte Art. Höchst
wahrscheinlich besuche ich Sie im nächsten Frühjahr. Wie mancherley werden
wir uns dann zu fragen und zu sagen haben. Daß Sie sich nun ganz den
Musen widmen können freuet mich sehr. Ihrem Pygmalion^) sehe ich mit
Ungeduld entgegen. Ist Ihre Absicht den ganzen ZWKe^year zu übersezen^)
so bin ich einer der hizigsten Subscribenten, um so viel mehr, da ich ihn
weder englisch noch deutsch besitze. Unsere englischen I^Ltursn hat das stäte
Wandern sehr gestöhret; hier fehlet uns überhaupt noch sehr an guter BüMer
Gesellschaft. Vielleicht ist das der Grund das meine Frau auf einen andern
Zeit-Vertreib gefallen ist. Sie hat sich auf den Anfang des künftigen Früjcchres
^vorgenommen^, zu wiegen und dazu zu singen: denn des Singens ohne Wiege
ist sie nun auch müde. Doch haben wir noch oft ein kleines häußliches Loncert
welches mir viel Freude macht. Carlinchen und Bettchen haben es seit Jahres¬
frist so weit gebracht, daß ihnen jedermann mit Vergnügen zuhöret. Sie sollten
einmahl hören, welche Trios -- Duetts und barons 6c bißweilen zwischen
unsern Wänden erschallen. Von meinem Aufenthalt in Berlin ein andermahl.
Vor jezo muß ich meiner Frau Plaz machen: Denn so gebietet sie, und einem
guten Ehemann geziemet zu gehorche^. Mit diesem löblichen Glaubens-
Bekenntniß empfiehlst sich ehrerbietig ob zwar noch unbekannt der Frau Räthin Ihr


unveränderter aufrichtiges Fr"und)
Tischbein.

Dann fuhr Frau Sophie fort:

Wohl Ihnen -- und auch mir -- daß Sie sagen konten: ich habe ein
Weib genommen darum tout ich nicht kommen -- ich würde es Ihnen sonst
nie haben vergeben können, daß Sie in Leibzig waren und uns nicht besucht
haben, da ich Sie doch so freundschaftlich darum ersucht hatte; nun aber ist







s°) Vermutlich der nämliche, dessen Bekanntschaft Schlegel in Amsterdam machte, vgl.
Briefe von und an Bürger IV 139.
"') Das war in der Tat nicht nach unseren, Sinn.
°2) über Schlegels Niederlassung in Jena Näheres bei Haym, Die romantische
Schule 16S ff.
Schlegels Pygmalion erschien in Schillers Musenalmanach für das Jahr 1797.
Vgl. dazu Haym a. a. O. los ff.
"") Der erste Band der Schlegelschen Shakespeareübersetzung kam zur Sommer 1797
bei Johann Friedrich Unger in Berlin heraus, vgl. Haym a. a. O. 167 und Mich. Bernays,
Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare, Leipzig 1372, 171 f.
Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

und zwar auß der Trompete des vielerzählenden Redlichst) vernommen hatten,
Sie seyen samt Ihrer Gattin in der Schweiz. Wir glaubten Sie in unserer
Nachbarschaft, und dieser Gedanke that uns wohl. Nun sollten Sie auf einmahl
wieder so weit von uns seyn: äat pas in't Zeneel niet na on?en Ann^).
Sie sind also in Jena, und werden da Wurzel fassen^). Vortreflich. Wer
uns das vor einigen Jahren vorauß gesagt hätte. Auf diese Weise werden
wir uns doch von Zeit zu Zeit sehen, wenigstens einander oft schreiben können;
denn mit allzu entfernten Correspondenzen hat es doch keine rechte Art. Höchst
wahrscheinlich besuche ich Sie im nächsten Frühjahr. Wie mancherley werden
wir uns dann zu fragen und zu sagen haben. Daß Sie sich nun ganz den
Musen widmen können freuet mich sehr. Ihrem Pygmalion^) sehe ich mit
Ungeduld entgegen. Ist Ihre Absicht den ganzen ZWKe^year zu übersezen^)
so bin ich einer der hizigsten Subscribenten, um so viel mehr, da ich ihn
weder englisch noch deutsch besitze. Unsere englischen I^Ltursn hat das stäte
Wandern sehr gestöhret; hier fehlet uns überhaupt noch sehr an guter BüMer
Gesellschaft. Vielleicht ist das der Grund das meine Frau auf einen andern
Zeit-Vertreib gefallen ist. Sie hat sich auf den Anfang des künftigen Früjcchres
^vorgenommen^, zu wiegen und dazu zu singen: denn des Singens ohne Wiege
ist sie nun auch müde. Doch haben wir noch oft ein kleines häußliches Loncert
welches mir viel Freude macht. Carlinchen und Bettchen haben es seit Jahres¬
frist so weit gebracht, daß ihnen jedermann mit Vergnügen zuhöret. Sie sollten
einmahl hören, welche Trios — Duetts und barons 6c bißweilen zwischen
unsern Wänden erschallen. Von meinem Aufenthalt in Berlin ein andermahl.
Vor jezo muß ich meiner Frau Plaz machen: Denn so gebietet sie, und einem
guten Ehemann geziemet zu gehorche^. Mit diesem löblichen Glaubens-
Bekenntniß empfiehlst sich ehrerbietig ob zwar noch unbekannt der Frau Räthin Ihr


unveränderter aufrichtiges Fr»und)
Tischbein.

Dann fuhr Frau Sophie fort:

Wohl Ihnen — und auch mir — daß Sie sagen konten: ich habe ein
Weib genommen darum tout ich nicht kommen — ich würde es Ihnen sonst
nie haben vergeben können, daß Sie in Leibzig waren und uns nicht besucht
haben, da ich Sie doch so freundschaftlich darum ersucht hatte; nun aber ist







s°) Vermutlich der nämliche, dessen Bekanntschaft Schlegel in Amsterdam machte, vgl.
Briefe von und an Bürger IV 139.
»') Das war in der Tat nicht nach unseren, Sinn.
°2) über Schlegels Niederlassung in Jena Näheres bei Haym, Die romantische
Schule 16S ff.
Schlegels Pygmalion erschien in Schillers Musenalmanach für das Jahr 1797.
Vgl. dazu Haym a. a. O. los ff.
««) Der erste Band der Schlegelschen Shakespeareübersetzung kam zur Sommer 1797
bei Johann Friedrich Unger in Berlin heraus, vgl. Haym a. a. O. 167 und Mich. Bernays,
Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare, Leipzig 1372, 171 f.
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[0347] Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel und zwar auß der Trompete des vielerzählenden Redlichst) vernommen hatten, Sie seyen samt Ihrer Gattin in der Schweiz. Wir glaubten Sie in unserer Nachbarschaft, und dieser Gedanke that uns wohl. Nun sollten Sie auf einmahl wieder so weit von uns seyn: äat pas in't Zeneel niet na on?en Ann^). Sie sind also in Jena, und werden da Wurzel fassen^). Vortreflich. Wer uns das vor einigen Jahren vorauß gesagt hätte. Auf diese Weise werden wir uns doch von Zeit zu Zeit sehen, wenigstens einander oft schreiben können; denn mit allzu entfernten Correspondenzen hat es doch keine rechte Art. Höchst wahrscheinlich besuche ich Sie im nächsten Frühjahr. Wie mancherley werden wir uns dann zu fragen und zu sagen haben. Daß Sie sich nun ganz den Musen widmen können freuet mich sehr. Ihrem Pygmalion^) sehe ich mit Ungeduld entgegen. Ist Ihre Absicht den ganzen ZWKe^year zu übersezen^) so bin ich einer der hizigsten Subscribenten, um so viel mehr, da ich ihn weder englisch noch deutsch besitze. Unsere englischen I^Ltursn hat das stäte Wandern sehr gestöhret; hier fehlet uns überhaupt noch sehr an guter BüMer Gesellschaft. Vielleicht ist das der Grund das meine Frau auf einen andern Zeit-Vertreib gefallen ist. Sie hat sich auf den Anfang des künftigen Früjcchres ^vorgenommen^, zu wiegen und dazu zu singen: denn des Singens ohne Wiege ist sie nun auch müde. Doch haben wir noch oft ein kleines häußliches Loncert welches mir viel Freude macht. Carlinchen und Bettchen haben es seit Jahres¬ frist so weit gebracht, daß ihnen jedermann mit Vergnügen zuhöret. Sie sollten einmahl hören, welche Trios — Duetts und barons 6c bißweilen zwischen unsern Wänden erschallen. Von meinem Aufenthalt in Berlin ein andermahl. Vor jezo muß ich meiner Frau Plaz machen: Denn so gebietet sie, und einem guten Ehemann geziemet zu gehorche^. Mit diesem löblichen Glaubens- Bekenntniß empfiehlst sich ehrerbietig ob zwar noch unbekannt der Frau Räthin Ihr unveränderter aufrichtiges Fr»und) Tischbein. Dann fuhr Frau Sophie fort: Wohl Ihnen — und auch mir — daß Sie sagen konten: ich habe ein Weib genommen darum tout ich nicht kommen — ich würde es Ihnen sonst nie haben vergeben können, daß Sie in Leibzig waren und uns nicht besucht haben, da ich Sie doch so freundschaftlich darum ersucht hatte; nun aber ist s°) Vermutlich der nämliche, dessen Bekanntschaft Schlegel in Amsterdam machte, vgl. Briefe von und an Bürger IV 139. »') Das war in der Tat nicht nach unseren, Sinn. °2) über Schlegels Niederlassung in Jena Näheres bei Haym, Die romantische Schule 16S ff. Schlegels Pygmalion erschien in Schillers Musenalmanach für das Jahr 1797. Vgl. dazu Haym a. a. O. los ff. ««) Der erste Band der Schlegelschen Shakespeareübersetzung kam zur Sommer 1797 bei Johann Friedrich Unger in Berlin heraus, vgl. Haym a. a. O. 167 und Mich. Bernays, Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare, Leipzig 1372, 171 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/347>, abgerufen am 03.07.2024.