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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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körperlichen Erben ist angebracht und entspricht dem Grundgedanken des Ge¬
setzes: wenn Kinder vor dem Erblasser gestorben sind, dann ist der Vor¬
empfang, der ihnen durch die Erziehung zuteil geworden, auf das Pflichtteil
der Fehlerben in Anrechnung zu bringen. Wenn hierbei die Grenzen des Vor¬
empfanges etwas weiter gezogen werden als gewöhnlich, läßt dies sich wohl
verstehen.

Die Frage des Vorempfanges bringt uns auf eine wichtige Ergänzung
des Gesetzes: Es gilt zu vermeiden, daß das Vermögen durch verschleierten
Vorempfang den Erben zugeführt wird, noch mehr aber, daß das Vermögen
vergeudet werde. Denn niemals bestand mehr für uns die Notwendigkeit der
Kapitalbildung, als sie nach diesem Kriege bestehen wird, niemals hatte der
Staat ein größeres Interesse an der Hebung des Spartriebes, an der Be¬
kämpfung jeden, aber auch jeden entbehrlichen Aufwandes.

Gegen die Übertragung des Vermögens auf die Kinder (oder auf das
Kind) bei Lebzeiten des Erblassers steht dem Reich selbstverständlich das gleiche
Recht zu wie jedem Miterben, der auf diese Weise um seinen Pflichtteil be¬
trogen werden soll. Vielleicht läßt sich aber das Schwergewicht dieses Ein¬
spruches erhöhen durch ein besonderes Recht der einstweiligen Verfügung oder
durch Übertragung des Urteils erster Instanz an die mit Wahrung der Fehl-
erbenrechte beauftragte Behörde, der Spruchkammern anzugliedern wären. Wo
es alter Brauch ist, daß der Hof stets weit unter Wert an den ältesten (oder
jüngsten) Sohn verkauft wurde, da müssen auch die Kammern das Recht haben,
diesem Brauch Rechnung zu tragen, wenigstens solange der Ertrag des Hofes
nicht einen gewissen Wert übersteigt. Das geschieht nicht dem einzelnen zu¬
liebe, sondern weil die Gesamtheit ein Interesse an der Erhaltung eines ge¬
sunden Mittelbauernstandes hat.

Selbstverständlich muß verhindert werden, daß zur Umgehung der Fehl¬
erbenabgabe ein größerer Betrag für die Erziehung oder Ausstattung der
Kinder aufgewandt wird, als sonst der Fall gewesen wäre. Das läßt sich
aber ohne weiteres erreichen, indem von einer gewissen Grenze an der Vor¬
empfang angerechnet wird. Dies muß auch in all den Fällen geschehen, in
denen die Familie besonderen Aufwand getrieben hat. um die Fehlerben, also
das Reich, um ihren Anteil zu bringen. Scharfe Bestimmungen für diesen
Fall, gestaffelt nach dem Einkommen, werden zusammen mit Aufwandsteuern
der Neigung zur Verschwendung entgegenwirken, nicht um der Erziehung des
einzelnen willen, sondern weil der Mangel an wirtschaftlich werdenden Werten
Verarmung des Volkes und damit die Gefahr weiteren Geburtenrückganges
bedeutet.

Aus der Eigenart der Abgabe, die eben keine Steuer ist, sondern eine
Rechtsübertragung auf den Staat, ergibt sich die Folgerung, daß eine Erhebung
des Betrages, wie sie bei Steuern durchgeführt wird, nicht angeht. Wenn in
jedem einzelnen Falle eine Versteigerung "erbteilungshalber" stattfinden müßte.


körperlichen Erben ist angebracht und entspricht dem Grundgedanken des Ge¬
setzes: wenn Kinder vor dem Erblasser gestorben sind, dann ist der Vor¬
empfang, der ihnen durch die Erziehung zuteil geworden, auf das Pflichtteil
der Fehlerben in Anrechnung zu bringen. Wenn hierbei die Grenzen des Vor¬
empfanges etwas weiter gezogen werden als gewöhnlich, läßt dies sich wohl
verstehen.

Die Frage des Vorempfanges bringt uns auf eine wichtige Ergänzung
des Gesetzes: Es gilt zu vermeiden, daß das Vermögen durch verschleierten
Vorempfang den Erben zugeführt wird, noch mehr aber, daß das Vermögen
vergeudet werde. Denn niemals bestand mehr für uns die Notwendigkeit der
Kapitalbildung, als sie nach diesem Kriege bestehen wird, niemals hatte der
Staat ein größeres Interesse an der Hebung des Spartriebes, an der Be¬
kämpfung jeden, aber auch jeden entbehrlichen Aufwandes.

Gegen die Übertragung des Vermögens auf die Kinder (oder auf das
Kind) bei Lebzeiten des Erblassers steht dem Reich selbstverständlich das gleiche
Recht zu wie jedem Miterben, der auf diese Weise um seinen Pflichtteil be¬
trogen werden soll. Vielleicht läßt sich aber das Schwergewicht dieses Ein¬
spruches erhöhen durch ein besonderes Recht der einstweiligen Verfügung oder
durch Übertragung des Urteils erster Instanz an die mit Wahrung der Fehl-
erbenrechte beauftragte Behörde, der Spruchkammern anzugliedern wären. Wo
es alter Brauch ist, daß der Hof stets weit unter Wert an den ältesten (oder
jüngsten) Sohn verkauft wurde, da müssen auch die Kammern das Recht haben,
diesem Brauch Rechnung zu tragen, wenigstens solange der Ertrag des Hofes
nicht einen gewissen Wert übersteigt. Das geschieht nicht dem einzelnen zu¬
liebe, sondern weil die Gesamtheit ein Interesse an der Erhaltung eines ge¬
sunden Mittelbauernstandes hat.

Selbstverständlich muß verhindert werden, daß zur Umgehung der Fehl¬
erbenabgabe ein größerer Betrag für die Erziehung oder Ausstattung der
Kinder aufgewandt wird, als sonst der Fall gewesen wäre. Das läßt sich
aber ohne weiteres erreichen, indem von einer gewissen Grenze an der Vor¬
empfang angerechnet wird. Dies muß auch in all den Fällen geschehen, in
denen die Familie besonderen Aufwand getrieben hat. um die Fehlerben, also
das Reich, um ihren Anteil zu bringen. Scharfe Bestimmungen für diesen
Fall, gestaffelt nach dem Einkommen, werden zusammen mit Aufwandsteuern
der Neigung zur Verschwendung entgegenwirken, nicht um der Erziehung des
einzelnen willen, sondern weil der Mangel an wirtschaftlich werdenden Werten
Verarmung des Volkes und damit die Gefahr weiteren Geburtenrückganges
bedeutet.

Aus der Eigenart der Abgabe, die eben keine Steuer ist, sondern eine
Rechtsübertragung auf den Staat, ergibt sich die Folgerung, daß eine Erhebung
des Betrages, wie sie bei Steuern durchgeführt wird, nicht angeht. Wenn in
jedem einzelnen Falle eine Versteigerung „erbteilungshalber" stattfinden müßte.


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[0311] körperlichen Erben ist angebracht und entspricht dem Grundgedanken des Ge¬ setzes: wenn Kinder vor dem Erblasser gestorben sind, dann ist der Vor¬ empfang, der ihnen durch die Erziehung zuteil geworden, auf das Pflichtteil der Fehlerben in Anrechnung zu bringen. Wenn hierbei die Grenzen des Vor¬ empfanges etwas weiter gezogen werden als gewöhnlich, läßt dies sich wohl verstehen. Die Frage des Vorempfanges bringt uns auf eine wichtige Ergänzung des Gesetzes: Es gilt zu vermeiden, daß das Vermögen durch verschleierten Vorempfang den Erben zugeführt wird, noch mehr aber, daß das Vermögen vergeudet werde. Denn niemals bestand mehr für uns die Notwendigkeit der Kapitalbildung, als sie nach diesem Kriege bestehen wird, niemals hatte der Staat ein größeres Interesse an der Hebung des Spartriebes, an der Be¬ kämpfung jeden, aber auch jeden entbehrlichen Aufwandes. Gegen die Übertragung des Vermögens auf die Kinder (oder auf das Kind) bei Lebzeiten des Erblassers steht dem Reich selbstverständlich das gleiche Recht zu wie jedem Miterben, der auf diese Weise um seinen Pflichtteil be¬ trogen werden soll. Vielleicht läßt sich aber das Schwergewicht dieses Ein¬ spruches erhöhen durch ein besonderes Recht der einstweiligen Verfügung oder durch Übertragung des Urteils erster Instanz an die mit Wahrung der Fehl- erbenrechte beauftragte Behörde, der Spruchkammern anzugliedern wären. Wo es alter Brauch ist, daß der Hof stets weit unter Wert an den ältesten (oder jüngsten) Sohn verkauft wurde, da müssen auch die Kammern das Recht haben, diesem Brauch Rechnung zu tragen, wenigstens solange der Ertrag des Hofes nicht einen gewissen Wert übersteigt. Das geschieht nicht dem einzelnen zu¬ liebe, sondern weil die Gesamtheit ein Interesse an der Erhaltung eines ge¬ sunden Mittelbauernstandes hat. Selbstverständlich muß verhindert werden, daß zur Umgehung der Fehl¬ erbenabgabe ein größerer Betrag für die Erziehung oder Ausstattung der Kinder aufgewandt wird, als sonst der Fall gewesen wäre. Das läßt sich aber ohne weiteres erreichen, indem von einer gewissen Grenze an der Vor¬ empfang angerechnet wird. Dies muß auch in all den Fällen geschehen, in denen die Familie besonderen Aufwand getrieben hat. um die Fehlerben, also das Reich, um ihren Anteil zu bringen. Scharfe Bestimmungen für diesen Fall, gestaffelt nach dem Einkommen, werden zusammen mit Aufwandsteuern der Neigung zur Verschwendung entgegenwirken, nicht um der Erziehung des einzelnen willen, sondern weil der Mangel an wirtschaftlich werdenden Werten Verarmung des Volkes und damit die Gefahr weiteren Geburtenrückganges bedeutet. Aus der Eigenart der Abgabe, die eben keine Steuer ist, sondern eine Rechtsübertragung auf den Staat, ergibt sich die Folgerung, daß eine Erhebung des Betrages, wie sie bei Steuern durchgeführt wird, nicht angeht. Wenn in jedem einzelnen Falle eine Versteigerung „erbteilungshalber" stattfinden müßte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/311>, abgerufen am 03.07.2024.