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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Erweitertes Erbrecht des Reiches

behält immer etwas vom Almosen, zum mindesten in der Anschauung weiter
Kreise, und wirkt deshalb nicht erzieherisch auf die hienieden Anschauungen ein.
Das aber muß gerade ein Hauptvorteil der Erbabgabe ans Reich sein.

Wer nur ein Kind großzieht, anstatt der Durchschnittszahl von vier,
schädigt dadurch die Allgemeinheit. Er bringt weniger Opfer an Behagen, als
die anderen. Sei es immerhin, denn er hat auch den Nachteil zu tragen: die
Erziehung eines einzelnen Kindes ist viel schwieriger, die Sorge um das einzige
größer. -- Aber es besteht kein sittlicher Grund, warum das einzige Kind, das
schon die erhöhte Sorgfalt der Eltern genossen hat, viermal soviel erben soll,
als die Sprossen einer Familie in ungefähr gleicher Vermögenslage mit vier
Kindern. Daß es bisher so war, ist kein Grund, daß es so bleiben muß.
Der Krieg hat uns manches mit anderen Augen betrachten gelehrt. Und wenn
der Geburtenrückgang nicht eingedämmt wird, dann ist all das junge Blut in
diesem Kriege vergebens geflossen, dann wird uns im nächsten Kriege (und
wenn's auch noch ein Jahrhundert bis dahin dauert) der Russe sicherlich er¬
drücken.

So heißt denn mein Vorschlag: wo die Zahl der Kinder (oder Stämme)
weniger als vier beträgt, tritt an Stelle dieser fehlenden das Reich und er¬
hebt ihren Pflichtteil.

Dadurch wird zum mindesten dem materiellen Anreiz zur Verminderung
der Geburtenzahl entgegengewirkt, und das Reich bekommt Mittel von außer¬
ordentlich großem Umfang. Ein bestimmter Teil davon könnte dem ursprüng¬
lichen Zweck der Abgabe nochmals dienstbar gemacht werden, indem er einer
besonderen Reichskasse für Erziehungsbeihilfen an kinderreiche Familien über¬
wiesen wird.

Selbstverständlich bedarf ein derartiges Gesetz der Einschränkungen und
auch Ergänzungen. Der Einschränkungen, denn seine allgemeine Durchführung
würde dem Reiche Kosten bereiten, die den Eingang wesentlich verminderten.
Außerdem hat der Staat als solcher kein Interesse an der Zerstückelung der
kleinen und kleinsten Vermögen, sie ist eine an sich unerfreuliche Begleit¬
erscheinung der Bevölkerungszunahme. Wohl aber muß der Staat den höchsten
Wert darauf legen, daß der Steigerung der großen und größten Vermögen
durch Verringerung der Erbenzahl endlich Einhalt geboten werde. Je mehr
die Entwicklung des Kapitalismus darauf hinausgeht, alle Vermögen in wenigen
Händen zusammenzufassen, desto wichtiger wird es, dieser Vermögensumschichtung
entgegenzutreten. So bietet das Fehlerbenrecht eine wirksame Handhabe zur
Erhaltung eines gesunden Mittelstandes. Wo aber die Erbsumme (nach Ein-
rechnung aller Vorempfänge) unter einer gewissen Summe bleibt, da hört das
Interesse des Staates an der Teilung des Kapitals als solcher auf. So
empfiehlt sich die Bestimmung, daß das Miterbrecht des Staates ruht, wenn die
Erbanteile der körperlich vorhandenen Erben einen gewissen Betrag (etwa
20000 Mark) nicht überschreiten. Noch eine weitere Maßnahme zugunsten der


Erweitertes Erbrecht des Reiches

behält immer etwas vom Almosen, zum mindesten in der Anschauung weiter
Kreise, und wirkt deshalb nicht erzieherisch auf die hienieden Anschauungen ein.
Das aber muß gerade ein Hauptvorteil der Erbabgabe ans Reich sein.

Wer nur ein Kind großzieht, anstatt der Durchschnittszahl von vier,
schädigt dadurch die Allgemeinheit. Er bringt weniger Opfer an Behagen, als
die anderen. Sei es immerhin, denn er hat auch den Nachteil zu tragen: die
Erziehung eines einzelnen Kindes ist viel schwieriger, die Sorge um das einzige
größer. — Aber es besteht kein sittlicher Grund, warum das einzige Kind, das
schon die erhöhte Sorgfalt der Eltern genossen hat, viermal soviel erben soll,
als die Sprossen einer Familie in ungefähr gleicher Vermögenslage mit vier
Kindern. Daß es bisher so war, ist kein Grund, daß es so bleiben muß.
Der Krieg hat uns manches mit anderen Augen betrachten gelehrt. Und wenn
der Geburtenrückgang nicht eingedämmt wird, dann ist all das junge Blut in
diesem Kriege vergebens geflossen, dann wird uns im nächsten Kriege (und
wenn's auch noch ein Jahrhundert bis dahin dauert) der Russe sicherlich er¬
drücken.

So heißt denn mein Vorschlag: wo die Zahl der Kinder (oder Stämme)
weniger als vier beträgt, tritt an Stelle dieser fehlenden das Reich und er¬
hebt ihren Pflichtteil.

Dadurch wird zum mindesten dem materiellen Anreiz zur Verminderung
der Geburtenzahl entgegengewirkt, und das Reich bekommt Mittel von außer¬
ordentlich großem Umfang. Ein bestimmter Teil davon könnte dem ursprüng¬
lichen Zweck der Abgabe nochmals dienstbar gemacht werden, indem er einer
besonderen Reichskasse für Erziehungsbeihilfen an kinderreiche Familien über¬
wiesen wird.

Selbstverständlich bedarf ein derartiges Gesetz der Einschränkungen und
auch Ergänzungen. Der Einschränkungen, denn seine allgemeine Durchführung
würde dem Reiche Kosten bereiten, die den Eingang wesentlich verminderten.
Außerdem hat der Staat als solcher kein Interesse an der Zerstückelung der
kleinen und kleinsten Vermögen, sie ist eine an sich unerfreuliche Begleit¬
erscheinung der Bevölkerungszunahme. Wohl aber muß der Staat den höchsten
Wert darauf legen, daß der Steigerung der großen und größten Vermögen
durch Verringerung der Erbenzahl endlich Einhalt geboten werde. Je mehr
die Entwicklung des Kapitalismus darauf hinausgeht, alle Vermögen in wenigen
Händen zusammenzufassen, desto wichtiger wird es, dieser Vermögensumschichtung
entgegenzutreten. So bietet das Fehlerbenrecht eine wirksame Handhabe zur
Erhaltung eines gesunden Mittelstandes. Wo aber die Erbsumme (nach Ein-
rechnung aller Vorempfänge) unter einer gewissen Summe bleibt, da hört das
Interesse des Staates an der Teilung des Kapitals als solcher auf. So
empfiehlt sich die Bestimmung, daß das Miterbrecht des Staates ruht, wenn die
Erbanteile der körperlich vorhandenen Erben einen gewissen Betrag (etwa
20000 Mark) nicht überschreiten. Noch eine weitere Maßnahme zugunsten der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/310>, abgerufen am 24.07.2024.