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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Stellung des höheren tehrcrstandes

Dingen beherrscht wird, die zu dem Ernste unserer Zukunftsaufgaben im
schroffsten Widerspruche stehen. Daß durch solche Lebensauffassung der Standes¬
dünkel, der mit Verachtung auf den Nicht-Akademiker herabsieht, den günstigsten
Nährboden findet und politische wie religiöse Gegensätze unnötig verschärft
werden, kann nicht wundernehmen. Und die hier eingewurzelten Vorurteile
werden auch im späteren Leben nicht immer überwunden.

Bei den angehenden Philologen werden zwar diese Auswüchse des
Studentenlebens aus naheliegenden Gründen nicht so sehr in die Erscheinung
treten wie bei anderen Fakultäten. Aber die Gesamtauffassung war doch auch
hier nicht wesentlich anders. Gerade aber für den zukünftigen Oberlehrer
müßte die Studienzeit in höherem Maße als bisher eine Vorbereitung und
Hinleitung auf seine ganze demnächstige Lebensstellung und nicht ausschließlich
Berufsausbildung im engsten Sinne sein. Vor allem sollte er davon durch¬
drungen sein, daß die Ansammlung von Wissen und das Bestehen der Staats¬
prüfung für ihn nicht die ganze Aufgabe umfaßt. Schon auf der Hochschule,
muß das Fachstudium getragen sein von einem allgemeinen Erzieher- und
Kulturbewußtsein, das allerdings an das bestimmte Fach als seinen Ausgangs¬
punkt anknüpfen muß. Wie eine solche Auffassung hauptsächlich durch feste
Begründung der Einzelwissenschaft in einer philosophiscksen Gesamtanschauung
zu gewinnen ist, kann hier nicht näher auseinandergesetzt werden. Besonders
wichtig aber ist es, daß der Lehrer, der auf der Universität die strenge Methode
"reiner" Wissenschaft durchgemacht hat, dann auch den Lebenswert der Wissen¬
schaft, der nur nicht mit platter Nützlichkeit zu verwechseln ist, erfaßt. Denn
darauf kommt es im Schulunterricht vor allem an; darauf auch kann eine
öffentliche Wirksamkeit allein aufbauen.

Die wissenschaftliche und schriftstellerische Tätigkeit des Oberlehrerstand es
die, was die Menge der Erzeugnisse angeht, sehr beträchtlich ist und zweifellos
auch viele hervorragende Leistungen aufweist, spielt doch für die Fühlung mit
dem öffentlichen Leben keine maßgebende Rolle. Die eigentliche Brücke zu
diesem bildet vielmehr das Verhältnis zwischen Schule und Elternhaus. Die
Beziehung zwischen beiden wird sich dann am leichtesten anknüpfen und fruchtbar
gestalten, wenn vom Lehrer vor allem den Erziehungsaufgaben im Unterschiede
vom eigentlichen Unterricht verständnisvolle Teilnahme entgegengebracht wird.
Dazu bedarf es freilich auf seiner Seite einer Steigerung des pädagogischen
Interesses und eines freieren Blickes für allgemeine Erziehungsfragen, als bis¬
lang infolge mangelhafter Vorbildung durchweg anzutreffen war. Auch im
Verkehr mit einer weiteren Öffentlichkeit, also im Gespräch mit Angehörigen
anderer Berufsklassen, sollte der Oberlehrer in erster Linie seine Stellung als
Erzieher hervortreten lassen, dagegen sehr zurückhaltend sein in der Erörterung
des eigentlich Technischen, schulmäßigen, sowohl was den Lehr- und Lern¬
betrieb wie auch die Zucht angeht. Diese Dinge werden von dem Außen-
stehenden als kleinlich und schulmeisterlich empfunden, so notwendig sie nun


Die Stellung des höheren tehrcrstandes

Dingen beherrscht wird, die zu dem Ernste unserer Zukunftsaufgaben im
schroffsten Widerspruche stehen. Daß durch solche Lebensauffassung der Standes¬
dünkel, der mit Verachtung auf den Nicht-Akademiker herabsieht, den günstigsten
Nährboden findet und politische wie religiöse Gegensätze unnötig verschärft
werden, kann nicht wundernehmen. Und die hier eingewurzelten Vorurteile
werden auch im späteren Leben nicht immer überwunden.

Bei den angehenden Philologen werden zwar diese Auswüchse des
Studentenlebens aus naheliegenden Gründen nicht so sehr in die Erscheinung
treten wie bei anderen Fakultäten. Aber die Gesamtauffassung war doch auch
hier nicht wesentlich anders. Gerade aber für den zukünftigen Oberlehrer
müßte die Studienzeit in höherem Maße als bisher eine Vorbereitung und
Hinleitung auf seine ganze demnächstige Lebensstellung und nicht ausschließlich
Berufsausbildung im engsten Sinne sein. Vor allem sollte er davon durch¬
drungen sein, daß die Ansammlung von Wissen und das Bestehen der Staats¬
prüfung für ihn nicht die ganze Aufgabe umfaßt. Schon auf der Hochschule,
muß das Fachstudium getragen sein von einem allgemeinen Erzieher- und
Kulturbewußtsein, das allerdings an das bestimmte Fach als seinen Ausgangs¬
punkt anknüpfen muß. Wie eine solche Auffassung hauptsächlich durch feste
Begründung der Einzelwissenschaft in einer philosophiscksen Gesamtanschauung
zu gewinnen ist, kann hier nicht näher auseinandergesetzt werden. Besonders
wichtig aber ist es, daß der Lehrer, der auf der Universität die strenge Methode
„reiner" Wissenschaft durchgemacht hat, dann auch den Lebenswert der Wissen¬
schaft, der nur nicht mit platter Nützlichkeit zu verwechseln ist, erfaßt. Denn
darauf kommt es im Schulunterricht vor allem an; darauf auch kann eine
öffentliche Wirksamkeit allein aufbauen.

Die wissenschaftliche und schriftstellerische Tätigkeit des Oberlehrerstand es
die, was die Menge der Erzeugnisse angeht, sehr beträchtlich ist und zweifellos
auch viele hervorragende Leistungen aufweist, spielt doch für die Fühlung mit
dem öffentlichen Leben keine maßgebende Rolle. Die eigentliche Brücke zu
diesem bildet vielmehr das Verhältnis zwischen Schule und Elternhaus. Die
Beziehung zwischen beiden wird sich dann am leichtesten anknüpfen und fruchtbar
gestalten, wenn vom Lehrer vor allem den Erziehungsaufgaben im Unterschiede
vom eigentlichen Unterricht verständnisvolle Teilnahme entgegengebracht wird.
Dazu bedarf es freilich auf seiner Seite einer Steigerung des pädagogischen
Interesses und eines freieren Blickes für allgemeine Erziehungsfragen, als bis¬
lang infolge mangelhafter Vorbildung durchweg anzutreffen war. Auch im
Verkehr mit einer weiteren Öffentlichkeit, also im Gespräch mit Angehörigen
anderer Berufsklassen, sollte der Oberlehrer in erster Linie seine Stellung als
Erzieher hervortreten lassen, dagegen sehr zurückhaltend sein in der Erörterung
des eigentlich Technischen, schulmäßigen, sowohl was den Lehr- und Lern¬
betrieb wie auch die Zucht angeht. Diese Dinge werden von dem Außen-
stehenden als kleinlich und schulmeisterlich empfunden, so notwendig sie nun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/288>, abgerufen am 03.07.2024.