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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland

fällig erwachte Rodsianko, der sie hütete wie ein alter Gockel, aus dem Schlafe
der, Vergessenheit und rief sie zusammen. -- Durch den Nebel der kommenden
Tage sieht er bereits den Rettungsanker winken. Wenn die Provisorische
Regierung fällt, wenn sich die sozialistische Kommune ausgelebt, dann wird die
Bevölkerung nach einer sicheren, festen Regierungsgewalt verlangen, dann wird
der Moment gekommen sein, da die Drushina der vierten Reichsduma auf dem
Plane erscheinen muß ..."

Eine flüchtige Bekanntschaft mit der Physiognomie des damals lagerten
Allrussischen Kosakenkongresses und den dort gehaltenen "hochpatriotischen"
Reden gegen den inneren Feind läßt keinen Zweifel an den dunklen Absichten
der Weiheredner Rodsianko, Miljukow, Gutschkow usw.

"Auf euch. Kosaken, setzt die Duma ihre Hoffnung -- erklärte Rodsianko. --
Rußland hat nur drei Wege: Separatfriede, Separatwaffenstillstand oder Sieg. --
Mir scheint, daß eine drohende Stunde kommt. Rußland steht am Scheidewege:
Sein oder Nichtsein, gilt die Losung! Ich rufe euch alle auf. groß und klein,
Rußlands Ehre und Würde zu verteidigen. Glaubt nicht jenen Leuten, welche
die Reichsduma reaktionärer Pläne zeihen, das ist Lüge. -- Die Duma wird
für die wahre Verwirklichung der Freiheit kämpfen und das Land vom Unter¬
gang zu retten versuchen. ."

"Ich bin überzeugt, daß dieser Kongreß eine gewaltige Rolle spielen wird
-- erklärte der frühere Kriegsminister Gutschkow -- daß er ein Wendepunkt
sein wird in unserer Stimmung; ich bin überzeugt, daß Ihr Eure Arbeiten
nicht auf die engen Aufgaben der Kosakenschaft beschränken, vielmehr auf die
allgemeinen Fragen reagieren werdet, die unser Vaterland bewegen". ... --
Gutschkow erinnerte dann daran, daß die Kosaken ihre Macht und Rußlands
Größe auf dem Wege der Annexionen und Kontributionen aufbauten.

"Dieser Weg führte Rußland zu seiner Größe, und wenn jetzt das Land
einen anderen Weg geht, so geht es rückwärts und eure Nachkommen werden
das russische Land wieder aufsammeln müssen. Helft uns die Heimat retten .." I!

Noch viele solcher patriotischen Reden wurden gehalten und die Kosaken
schwuren, Rußland zu retten vor den Verrätern, den Lenins und Grimms, und
der Anarchie ein Ende zu bereiten.

Der "Djen" schrieb damals gemütvoll: Wenn Lenin und sein Stab auf
dem Kongreß der "Natur-Bolschewiki" gewesen wären, wäre es ihnen wahr¬
scheinlich nicht besonders ergangen!

In den Kosaken haben die Konterrevolutionäre schon deshalb einen starken
Rückhalt, weil die ureigensten Interessen der Kosakenschaft auf dem Spiele
stehen: Wenn die von der revolutionären Demokratie beabsichtigte Landaufteilung
durchgeführt wird -- urteilt die Kosakenschaft -- müßte auch der große Land¬
fonds der Kosaken selbst in Mitleidenschaft gezogen werden und seine Verminderung
Zugunsten der Bauernschaft im Reich eintreten. -- Diese Auffassung der Kosaken
vird n"t"rund von den Kadetten und Reaktionären kräftig ausgenützt, denen


Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland

fällig erwachte Rodsianko, der sie hütete wie ein alter Gockel, aus dem Schlafe
der, Vergessenheit und rief sie zusammen. — Durch den Nebel der kommenden
Tage sieht er bereits den Rettungsanker winken. Wenn die Provisorische
Regierung fällt, wenn sich die sozialistische Kommune ausgelebt, dann wird die
Bevölkerung nach einer sicheren, festen Regierungsgewalt verlangen, dann wird
der Moment gekommen sein, da die Drushina der vierten Reichsduma auf dem
Plane erscheinen muß ..."

Eine flüchtige Bekanntschaft mit der Physiognomie des damals lagerten
Allrussischen Kosakenkongresses und den dort gehaltenen „hochpatriotischen"
Reden gegen den inneren Feind läßt keinen Zweifel an den dunklen Absichten
der Weiheredner Rodsianko, Miljukow, Gutschkow usw.

„Auf euch. Kosaken, setzt die Duma ihre Hoffnung — erklärte Rodsianko. —
Rußland hat nur drei Wege: Separatfriede, Separatwaffenstillstand oder Sieg. —
Mir scheint, daß eine drohende Stunde kommt. Rußland steht am Scheidewege:
Sein oder Nichtsein, gilt die Losung! Ich rufe euch alle auf. groß und klein,
Rußlands Ehre und Würde zu verteidigen. Glaubt nicht jenen Leuten, welche
die Reichsduma reaktionärer Pläne zeihen, das ist Lüge. — Die Duma wird
für die wahre Verwirklichung der Freiheit kämpfen und das Land vom Unter¬
gang zu retten versuchen. ."

„Ich bin überzeugt, daß dieser Kongreß eine gewaltige Rolle spielen wird
— erklärte der frühere Kriegsminister Gutschkow — daß er ein Wendepunkt
sein wird in unserer Stimmung; ich bin überzeugt, daß Ihr Eure Arbeiten
nicht auf die engen Aufgaben der Kosakenschaft beschränken, vielmehr auf die
allgemeinen Fragen reagieren werdet, die unser Vaterland bewegen". ... —
Gutschkow erinnerte dann daran, daß die Kosaken ihre Macht und Rußlands
Größe auf dem Wege der Annexionen und Kontributionen aufbauten.

„Dieser Weg führte Rußland zu seiner Größe, und wenn jetzt das Land
einen anderen Weg geht, so geht es rückwärts und eure Nachkommen werden
das russische Land wieder aufsammeln müssen. Helft uns die Heimat retten .." I!

Noch viele solcher patriotischen Reden wurden gehalten und die Kosaken
schwuren, Rußland zu retten vor den Verrätern, den Lenins und Grimms, und
der Anarchie ein Ende zu bereiten.

Der „Djen" schrieb damals gemütvoll: Wenn Lenin und sein Stab auf
dem Kongreß der „Natur-Bolschewiki" gewesen wären, wäre es ihnen wahr¬
scheinlich nicht besonders ergangen!

In den Kosaken haben die Konterrevolutionäre schon deshalb einen starken
Rückhalt, weil die ureigensten Interessen der Kosakenschaft auf dem Spiele
stehen: Wenn die von der revolutionären Demokratie beabsichtigte Landaufteilung
durchgeführt wird — urteilt die Kosakenschaft — müßte auch der große Land¬
fonds der Kosaken selbst in Mitleidenschaft gezogen werden und seine Verminderung
Zugunsten der Bauernschaft im Reich eintreten. — Diese Auffassung der Kosaken
vird n»t»rund von den Kadetten und Reaktionären kräftig ausgenützt, denen


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[0275] Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland fällig erwachte Rodsianko, der sie hütete wie ein alter Gockel, aus dem Schlafe der, Vergessenheit und rief sie zusammen. — Durch den Nebel der kommenden Tage sieht er bereits den Rettungsanker winken. Wenn die Provisorische Regierung fällt, wenn sich die sozialistische Kommune ausgelebt, dann wird die Bevölkerung nach einer sicheren, festen Regierungsgewalt verlangen, dann wird der Moment gekommen sein, da die Drushina der vierten Reichsduma auf dem Plane erscheinen muß ..." Eine flüchtige Bekanntschaft mit der Physiognomie des damals lagerten Allrussischen Kosakenkongresses und den dort gehaltenen „hochpatriotischen" Reden gegen den inneren Feind läßt keinen Zweifel an den dunklen Absichten der Weiheredner Rodsianko, Miljukow, Gutschkow usw. „Auf euch. Kosaken, setzt die Duma ihre Hoffnung — erklärte Rodsianko. — Rußland hat nur drei Wege: Separatfriede, Separatwaffenstillstand oder Sieg. — Mir scheint, daß eine drohende Stunde kommt. Rußland steht am Scheidewege: Sein oder Nichtsein, gilt die Losung! Ich rufe euch alle auf. groß und klein, Rußlands Ehre und Würde zu verteidigen. Glaubt nicht jenen Leuten, welche die Reichsduma reaktionärer Pläne zeihen, das ist Lüge. — Die Duma wird für die wahre Verwirklichung der Freiheit kämpfen und das Land vom Unter¬ gang zu retten versuchen. ." „Ich bin überzeugt, daß dieser Kongreß eine gewaltige Rolle spielen wird — erklärte der frühere Kriegsminister Gutschkow — daß er ein Wendepunkt sein wird in unserer Stimmung; ich bin überzeugt, daß Ihr Eure Arbeiten nicht auf die engen Aufgaben der Kosakenschaft beschränken, vielmehr auf die allgemeinen Fragen reagieren werdet, die unser Vaterland bewegen". ... — Gutschkow erinnerte dann daran, daß die Kosaken ihre Macht und Rußlands Größe auf dem Wege der Annexionen und Kontributionen aufbauten. „Dieser Weg führte Rußland zu seiner Größe, und wenn jetzt das Land einen anderen Weg geht, so geht es rückwärts und eure Nachkommen werden das russische Land wieder aufsammeln müssen. Helft uns die Heimat retten .." I! Noch viele solcher patriotischen Reden wurden gehalten und die Kosaken schwuren, Rußland zu retten vor den Verrätern, den Lenins und Grimms, und der Anarchie ein Ende zu bereiten. Der „Djen" schrieb damals gemütvoll: Wenn Lenin und sein Stab auf dem Kongreß der „Natur-Bolschewiki" gewesen wären, wäre es ihnen wahr¬ scheinlich nicht besonders ergangen! In den Kosaken haben die Konterrevolutionäre schon deshalb einen starken Rückhalt, weil die ureigensten Interessen der Kosakenschaft auf dem Spiele stehen: Wenn die von der revolutionären Demokratie beabsichtigte Landaufteilung durchgeführt wird — urteilt die Kosakenschaft — müßte auch der große Land¬ fonds der Kosaken selbst in Mitleidenschaft gezogen werden und seine Verminderung Zugunsten der Bauernschaft im Reich eintreten. — Diese Auffassung der Kosaken vird n»t»rund von den Kadetten und Reaktionären kräftig ausgenützt, denen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/275>, abgerufen am 02.07.2024.