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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland

kadettische antisemitische Tätigkeit). -- Das Hauptaugenmerk des kadettischen
Stabes bleibt daher nach wie vor auf Petersburg gerichtet, von wo aus sich
ja seinerzeit auch die Revolution über das ganze Land verbreitete. In Peters¬
burg ist der Sitz der revolutionären Provisorischen Regierung, welche die
Kadetten und ihre Hintermänner offen und versteckt bekämpfen; hier ist auch
das "Revolutionsparlament", dem ebenfalls der Kampf gilt, und auch das
Hauptquartier der Bolschewik, welche die Kadetten besonders für ihre Zwecke
benötigen; in Petersburg ist auch das reaktionäre Interimistische Reichsduma¬
komitee; hier ist die Auslese der reaktionären Beamtenschaft, Offiziere und der
spröd, überhaupt alle die unfreiwilligen Mitläufer der Revolution und vor
allem ... die Kosaken -- (anscheinend zwei Regimenter?), alle jene Elemente,
denen die Verwirklichung der großzügigen demokratischen Losungen höchst un¬
erwünscht käme.

Ein Haupthindernis für die erfolgreiche Durchführung der Konterrevolution
erwächst den Kadetten und Reaktionären in der großen Petersburger Garnison,
in welcher das maximalistische Element stark vertreten ist.

"Die Petersburger Garnison muß ein starker Rückhalt sein für die Ver¬
teidigung der Revolution gegen reaktionäre Umtriebe", heißt es in einer von
Vertretern der Petersburger Garnison dem Kriegsministerium überreichten
Protestresolution gegen die geplant gewesene Umformierung und Verlegung der
Garnison, welche damit motiviert wurde, daß Petersburg gegen etwaige
Landungsversuche des Feindes am Finnischen Meerbusen (wofür man sichere
Anhaltspunkte haben wollte) geschützt werden müßte.

Die von der Maßnahme betroffenen Petersburger Regimenter (mit Aus¬
nahme des Keksholmer- und des Preobrashenski-Regiments protestierten damals
-- etwa Mitte Juni n. Se. -- energisch dagegen und erklärten, wenn der
Feind am Finnischen Meerbusen zu landen versuchen sollte, würde er ohnedies
auf eine Millionenarmee stoßen.

Der Versuch, die Petersburger Garnison unter diesem Vorwande aus
Petersburg herauszubekommen, den man wohl zu einem guten Teil auch auf
das Konto der kadettischen Regisseure setzen kann, war jedenfalls mißglückt.
Bezeichnenderweise fällt dieser Versuch gerade in eine Zeit, in der man auf
Überraschungen wohl gefaßt sein konnte: Der Allrussische Kongreß der Arbeiter¬
und Soldatenräte hatte die Heimschickung der "reaktionären Duma" verlangt;
zur selben Zeit tagte in Petersburg der Allrussische Kosakenkongreß, und zur
gleichen Zeit -- am 23. Juni n. Se. -- sollte auch eine noch in zwölfter
Stunde abgeblasene bewaffnete Demonstration der Bolschewik! in Petersburg
stattfinden.

Die Duma rührte sich und protestierte energisch gegen diesen Attentats¬
versuch von links. Der "Djen" schrieb damals:

"Man hatte der Dumamitglieder fast vergessen, aber sie bringen sich selbst
in Erinnerung. -- Sie warten noch immer auf irgendetwas. ^ Nicht M


Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland

kadettische antisemitische Tätigkeit). — Das Hauptaugenmerk des kadettischen
Stabes bleibt daher nach wie vor auf Petersburg gerichtet, von wo aus sich
ja seinerzeit auch die Revolution über das ganze Land verbreitete. In Peters¬
burg ist der Sitz der revolutionären Provisorischen Regierung, welche die
Kadetten und ihre Hintermänner offen und versteckt bekämpfen; hier ist auch
das „Revolutionsparlament", dem ebenfalls der Kampf gilt, und auch das
Hauptquartier der Bolschewik, welche die Kadetten besonders für ihre Zwecke
benötigen; in Petersburg ist auch das reaktionäre Interimistische Reichsduma¬
komitee; hier ist die Auslese der reaktionären Beamtenschaft, Offiziere und der
spröd, überhaupt alle die unfreiwilligen Mitläufer der Revolution und vor
allem ... die Kosaken — (anscheinend zwei Regimenter?), alle jene Elemente,
denen die Verwirklichung der großzügigen demokratischen Losungen höchst un¬
erwünscht käme.

Ein Haupthindernis für die erfolgreiche Durchführung der Konterrevolution
erwächst den Kadetten und Reaktionären in der großen Petersburger Garnison,
in welcher das maximalistische Element stark vertreten ist.

„Die Petersburger Garnison muß ein starker Rückhalt sein für die Ver¬
teidigung der Revolution gegen reaktionäre Umtriebe", heißt es in einer von
Vertretern der Petersburger Garnison dem Kriegsministerium überreichten
Protestresolution gegen die geplant gewesene Umformierung und Verlegung der
Garnison, welche damit motiviert wurde, daß Petersburg gegen etwaige
Landungsversuche des Feindes am Finnischen Meerbusen (wofür man sichere
Anhaltspunkte haben wollte) geschützt werden müßte.

Die von der Maßnahme betroffenen Petersburger Regimenter (mit Aus¬
nahme des Keksholmer- und des Preobrashenski-Regiments protestierten damals
— etwa Mitte Juni n. Se. — energisch dagegen und erklärten, wenn der
Feind am Finnischen Meerbusen zu landen versuchen sollte, würde er ohnedies
auf eine Millionenarmee stoßen.

Der Versuch, die Petersburger Garnison unter diesem Vorwande aus
Petersburg herauszubekommen, den man wohl zu einem guten Teil auch auf
das Konto der kadettischen Regisseure setzen kann, war jedenfalls mißglückt.
Bezeichnenderweise fällt dieser Versuch gerade in eine Zeit, in der man auf
Überraschungen wohl gefaßt sein konnte: Der Allrussische Kongreß der Arbeiter¬
und Soldatenräte hatte die Heimschickung der „reaktionären Duma" verlangt;
zur selben Zeit tagte in Petersburg der Allrussische Kosakenkongreß, und zur
gleichen Zeit — am 23. Juni n. Se. — sollte auch eine noch in zwölfter
Stunde abgeblasene bewaffnete Demonstration der Bolschewik! in Petersburg
stattfinden.

Die Duma rührte sich und protestierte energisch gegen diesen Attentats¬
versuch von links. Der „Djen" schrieb damals:

„Man hatte der Dumamitglieder fast vergessen, aber sie bringen sich selbst
in Erinnerung. — Sie warten noch immer auf irgendetwas. ^ Nicht M


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[0274] Die konterrevolutionäre Bewegung in Rußland kadettische antisemitische Tätigkeit). — Das Hauptaugenmerk des kadettischen Stabes bleibt daher nach wie vor auf Petersburg gerichtet, von wo aus sich ja seinerzeit auch die Revolution über das ganze Land verbreitete. In Peters¬ burg ist der Sitz der revolutionären Provisorischen Regierung, welche die Kadetten und ihre Hintermänner offen und versteckt bekämpfen; hier ist auch das „Revolutionsparlament", dem ebenfalls der Kampf gilt, und auch das Hauptquartier der Bolschewik, welche die Kadetten besonders für ihre Zwecke benötigen; in Petersburg ist auch das reaktionäre Interimistische Reichsduma¬ komitee; hier ist die Auslese der reaktionären Beamtenschaft, Offiziere und der spröd, überhaupt alle die unfreiwilligen Mitläufer der Revolution und vor allem ... die Kosaken — (anscheinend zwei Regimenter?), alle jene Elemente, denen die Verwirklichung der großzügigen demokratischen Losungen höchst un¬ erwünscht käme. Ein Haupthindernis für die erfolgreiche Durchführung der Konterrevolution erwächst den Kadetten und Reaktionären in der großen Petersburger Garnison, in welcher das maximalistische Element stark vertreten ist. „Die Petersburger Garnison muß ein starker Rückhalt sein für die Ver¬ teidigung der Revolution gegen reaktionäre Umtriebe", heißt es in einer von Vertretern der Petersburger Garnison dem Kriegsministerium überreichten Protestresolution gegen die geplant gewesene Umformierung und Verlegung der Garnison, welche damit motiviert wurde, daß Petersburg gegen etwaige Landungsversuche des Feindes am Finnischen Meerbusen (wofür man sichere Anhaltspunkte haben wollte) geschützt werden müßte. Die von der Maßnahme betroffenen Petersburger Regimenter (mit Aus¬ nahme des Keksholmer- und des Preobrashenski-Regiments protestierten damals — etwa Mitte Juni n. Se. — energisch dagegen und erklärten, wenn der Feind am Finnischen Meerbusen zu landen versuchen sollte, würde er ohnedies auf eine Millionenarmee stoßen. Der Versuch, die Petersburger Garnison unter diesem Vorwande aus Petersburg herauszubekommen, den man wohl zu einem guten Teil auch auf das Konto der kadettischen Regisseure setzen kann, war jedenfalls mißglückt. Bezeichnenderweise fällt dieser Versuch gerade in eine Zeit, in der man auf Überraschungen wohl gefaßt sein konnte: Der Allrussische Kongreß der Arbeiter¬ und Soldatenräte hatte die Heimschickung der „reaktionären Duma" verlangt; zur selben Zeit tagte in Petersburg der Allrussische Kosakenkongreß, und zur gleichen Zeit — am 23. Juni n. Se. — sollte auch eine noch in zwölfter Stunde abgeblasene bewaffnete Demonstration der Bolschewik! in Petersburg stattfinden. Die Duma rührte sich und protestierte energisch gegen diesen Attentats¬ versuch von links. Der „Djen" schrieb damals: „Man hatte der Dumamitglieder fast vergessen, aber sie bringen sich selbst in Erinnerung. — Sie warten noch immer auf irgendetwas. ^ Nicht M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/274>, abgerufen am 03.07.2024.