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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Rechtschreibung

oder Zikare. Namentlich dem Soldaten wird ja an schwierigen Fremdwörtern
das Denkbare zugemutet, und da ihm kein anderes Mittel bleibt, rächt er sich
durch Schreibungen wie Adollerie, Pompatament. Etabe. Karnesou, Jnfiliten-
Gelt. Kameratte. Korberalschaft. Mußik. Offenziffe. Negrutentepo. Schärschand.
Sohltad. Exerzieren, Patrouille. Quartier sind die stärksten Zumutungen an
seine Feder, sie werden denn auch am schwersten mitgenommen: Eckserzieren.
Egsanziren. Egssazieren oder Egsizieren; Batrolle. Battrolle. Patrole oder
Batrolie; Guahtür. Gwatier, Kuattier oder Kwatir find einige der betrübten
Folgeerscheinungen.

Um der Entstehung all dieser Wortungetüme nachzugehen, bedürfte es oft
weitgreifender grammatischer Erwägungen. An drei Fällen sei derartiges aus¬
geführt. Wer seine Eingabe "An endliches Eliktritätswerk" richtet, der ergänzt
das abgekürzte litt., das er auf anderen Briefanschriften gelesen hat, wie er ein
abgekürztes freundl. zu freundlich auflösen würde. Aus lebendigem Gebrauch
kennt er dieses tituliert nicht; wer es besser weiß, schreibt: "An das ditllirte
Eliktritätzwerk." Wer Karthar mit einem überschüssigen r schreibt, der pflegt
in Wörtern wie Arthur. Parterre, Kärzer das erste r nicht auszusprechen und
handelt nun aus dem Gefühl heraus, ein Übriges tun zu müssen -- es ist
also eine "umgekehrte Schreibung". Wer unter der gleichen Wirkung eines
mißdeuteten Vorbilds auch Kardolog und kartholisch schreibt, übersieht, daß bei
den Wörtern der ersten Gruppe dem t-Laut noch ein zweites r folgte, das am
Ausfall des ersten schuld war. Schweiß statt Schweiz ist umgekehrte Schreibung
bei Alemannen, die z. B. büezen. grüezen sagen, aber wissen, daß büßen und
grüßen die Schriftformen find und die von daher die dunkle Vorstellung haben,
man müßte ß schreiben, wo man z spricht.

Dies der Befund, der sich leicht erweitern ließe, aber immer dasselbe Bild
ergeben würde: Störungen ärgster Art auf dem ganzen Feld der deutschen
Rechtschreibung und damit (das ist die ernsthafte Seite der Sache) Entfernung
weitester Kreise unseres sonst so gut geschulten und hochbegabten Volkes von
jeder Art literarischen Lebens. Wie soll abgeholfen werden? Nun, zunächst
soll man den Fremdwörtern, die die Schuld am ärgsten Schaden tragen, allen
redlichen Abbruch tun und zwar durch gutes Beispiel von oben her. Denn ein
Fremdwort, das in den oberen Ständen eingeführt ist. sickert mit der Sache
auch in die Tiefe, andere Quellen für das Fremdwort gibt es nicht im Volk.
Sodann hätte mancher unserer Briefschreiber in der Schule besser aufmerken
und noch etwas mehr gezaust werden sollen, hätte auch nach der Schulzeit öfter
w ein gutes Buch schauen dürfen. Aber soll die Schule ernsthaft noch mehr
Zeit und Kraft an einen Gegenstand vergeuden, der für das Gemütsleben völlig
unfruchtbar ist und fast auch für den Verstand? Der höchstens an einem von
Willkür und Zufall gehäuften Berg von Verdrießlichkeiten die Gedächtniskraft
üben läßt?! Offenbar liegt die Abhilfe vielmehr in der Richtung von Mohammeds
Weisheit: Will der Hügel nicht zum Propheten kommen, nun so kommt der


Deutsche Rechtschreibung

oder Zikare. Namentlich dem Soldaten wird ja an schwierigen Fremdwörtern
das Denkbare zugemutet, und da ihm kein anderes Mittel bleibt, rächt er sich
durch Schreibungen wie Adollerie, Pompatament. Etabe. Karnesou, Jnfiliten-
Gelt. Kameratte. Korberalschaft. Mußik. Offenziffe. Negrutentepo. Schärschand.
Sohltad. Exerzieren, Patrouille. Quartier sind die stärksten Zumutungen an
seine Feder, sie werden denn auch am schwersten mitgenommen: Eckserzieren.
Egsanziren. Egssazieren oder Egsizieren; Batrolle. Battrolle. Patrole oder
Batrolie; Guahtür. Gwatier, Kuattier oder Kwatir find einige der betrübten
Folgeerscheinungen.

Um der Entstehung all dieser Wortungetüme nachzugehen, bedürfte es oft
weitgreifender grammatischer Erwägungen. An drei Fällen sei derartiges aus¬
geführt. Wer seine Eingabe „An endliches Eliktritätswerk" richtet, der ergänzt
das abgekürzte litt., das er auf anderen Briefanschriften gelesen hat, wie er ein
abgekürztes freundl. zu freundlich auflösen würde. Aus lebendigem Gebrauch
kennt er dieses tituliert nicht; wer es besser weiß, schreibt: „An das ditllirte
Eliktritätzwerk." Wer Karthar mit einem überschüssigen r schreibt, der pflegt
in Wörtern wie Arthur. Parterre, Kärzer das erste r nicht auszusprechen und
handelt nun aus dem Gefühl heraus, ein Übriges tun zu müssen — es ist
also eine „umgekehrte Schreibung". Wer unter der gleichen Wirkung eines
mißdeuteten Vorbilds auch Kardolog und kartholisch schreibt, übersieht, daß bei
den Wörtern der ersten Gruppe dem t-Laut noch ein zweites r folgte, das am
Ausfall des ersten schuld war. Schweiß statt Schweiz ist umgekehrte Schreibung
bei Alemannen, die z. B. büezen. grüezen sagen, aber wissen, daß büßen und
grüßen die Schriftformen find und die von daher die dunkle Vorstellung haben,
man müßte ß schreiben, wo man z spricht.

Dies der Befund, der sich leicht erweitern ließe, aber immer dasselbe Bild
ergeben würde: Störungen ärgster Art auf dem ganzen Feld der deutschen
Rechtschreibung und damit (das ist die ernsthafte Seite der Sache) Entfernung
weitester Kreise unseres sonst so gut geschulten und hochbegabten Volkes von
jeder Art literarischen Lebens. Wie soll abgeholfen werden? Nun, zunächst
soll man den Fremdwörtern, die die Schuld am ärgsten Schaden tragen, allen
redlichen Abbruch tun und zwar durch gutes Beispiel von oben her. Denn ein
Fremdwort, das in den oberen Ständen eingeführt ist. sickert mit der Sache
auch in die Tiefe, andere Quellen für das Fremdwort gibt es nicht im Volk.
Sodann hätte mancher unserer Briefschreiber in der Schule besser aufmerken
und noch etwas mehr gezaust werden sollen, hätte auch nach der Schulzeit öfter
w ein gutes Buch schauen dürfen. Aber soll die Schule ernsthaft noch mehr
Zeit und Kraft an einen Gegenstand vergeuden, der für das Gemütsleben völlig
unfruchtbar ist und fast auch für den Verstand? Der höchstens an einem von
Willkür und Zufall gehäuften Berg von Verdrießlichkeiten die Gedächtniskraft
üben läßt?! Offenbar liegt die Abhilfe vielmehr in der Richtung von Mohammeds
Weisheit: Will der Hügel nicht zum Propheten kommen, nun so kommt der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/261>, abgerufen am 28.06.2024.