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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Von der Herkunft der baltischen Geschlechter*)
von Dr. Otto Schnettler

le fern schien uns immer dieses unbekannte baltische Land entrückt
und wie nahe liegt es uns doch, seit die russischen Grenzpfähle
verschwanden und unter Hindenburgs wuchtigen Schlägen die
russische Hülle zerbarst. Nahe -- nicht nur äußerlich, viel mehr
noch innerlich als ein Gebiet, in dem deutsches Wesen sich trotz
aller russischen Gewaltmaßnahmen unverfälscht erhalten hat.

Als unsere wackeren Feldgrauen Anfang 1915 in Kurland einrückten, ging
ihnen schier das Herz auf, wenn sie im Lande des Zaren so vielfach die Heimat
grüßte, wenn sich deutsche Orts- und Flußnamen fanden, wenn deutsche Sprüche
an den Häusern prangten, wenn sogar Adels-, Orts- und Flußnamen auf¬
tauchten, die namentlich den Söhnen der roten Erde von der Heimat her wohl¬
vertraut und bekannt waren.

In der Tat hat Westfalen, das Land zwischen Rhein und Weser nördlich
des deutschen Mittelgebirges, einen außerordentlich starken Prozentsatz der Be¬
gründer der ältesten und ersten Kolonie des Deutschen Reiches geliefert. Weit
über das Mittelalter hinaus haben die Söhne der roten Erde den beherr¬
schenden Einfluß in den baltischen Landen gehabt, und selbst heute sind ihre
Spuren noch nicht ganz verwischt, leben noch zahlreiche Nachkommen namentlich
des dort einst eingewanderten westfälischen Adels, Geschlechter, die in der Heimat
Zum Teil schon ausgestorben sind, wie z. B. Aldenbokum, Ascheberg, Brakel,
von dem Brock gen. Plater, Essen, Freytag. Loringhoven, Grotthus, Hollen,
Hoyningen gen. Hume, Korff, Plettenberg, Stromberg, Taube u. v. a. Manche
dieser Familien haben sich auch nach Schweden. Polen und dem eigentlichen
Rußland verbreitet. Die Grafen von dem Brock gen, Plater finden sich heute
uoch in Rußland und im polnischen Adel der Provinz Posen. In der west¬
fälischen Heimat sind sie ausgestorben. Der verstorbene schwedische Gesandte
in Berlin, Frhr. von Taube, und sein Nachfolger Frhr. von Essen entstammen
Zweigen der baltischen Familien dieses Namens. Die Heimat der letzteren ist
Kohl die Gegend von Osnabrück, die der Taube (ursprünglich Duve, Tuve von
^ub, lat. 8uräus) und der Brock-Plater die Grafschaft Mark (Unna-Soest).
Zum baltischen Geschlecht Freytag-Loringhoven gehört der Chef unseres im¬
mobilem Generalstabes, die Stammheimat liegt bei Necklinghausen. Als am



") Für Einzelheiten sei verwiesen auf meine Schrift "Westfalen und Livland",
Münster 1916.
Grenzboten III 1917 16


Von der Herkunft der baltischen Geschlechter*)
von Dr. Otto Schnettler

le fern schien uns immer dieses unbekannte baltische Land entrückt
und wie nahe liegt es uns doch, seit die russischen Grenzpfähle
verschwanden und unter Hindenburgs wuchtigen Schlägen die
russische Hülle zerbarst. Nahe — nicht nur äußerlich, viel mehr
noch innerlich als ein Gebiet, in dem deutsches Wesen sich trotz
aller russischen Gewaltmaßnahmen unverfälscht erhalten hat.

Als unsere wackeren Feldgrauen Anfang 1915 in Kurland einrückten, ging
ihnen schier das Herz auf, wenn sie im Lande des Zaren so vielfach die Heimat
grüßte, wenn sich deutsche Orts- und Flußnamen fanden, wenn deutsche Sprüche
an den Häusern prangten, wenn sogar Adels-, Orts- und Flußnamen auf¬
tauchten, die namentlich den Söhnen der roten Erde von der Heimat her wohl¬
vertraut und bekannt waren.

In der Tat hat Westfalen, das Land zwischen Rhein und Weser nördlich
des deutschen Mittelgebirges, einen außerordentlich starken Prozentsatz der Be¬
gründer der ältesten und ersten Kolonie des Deutschen Reiches geliefert. Weit
über das Mittelalter hinaus haben die Söhne der roten Erde den beherr¬
schenden Einfluß in den baltischen Landen gehabt, und selbst heute sind ihre
Spuren noch nicht ganz verwischt, leben noch zahlreiche Nachkommen namentlich
des dort einst eingewanderten westfälischen Adels, Geschlechter, die in der Heimat
Zum Teil schon ausgestorben sind, wie z. B. Aldenbokum, Ascheberg, Brakel,
von dem Brock gen. Plater, Essen, Freytag. Loringhoven, Grotthus, Hollen,
Hoyningen gen. Hume, Korff, Plettenberg, Stromberg, Taube u. v. a. Manche
dieser Familien haben sich auch nach Schweden. Polen und dem eigentlichen
Rußland verbreitet. Die Grafen von dem Brock gen, Plater finden sich heute
uoch in Rußland und im polnischen Adel der Provinz Posen. In der west¬
fälischen Heimat sind sie ausgestorben. Der verstorbene schwedische Gesandte
in Berlin, Frhr. von Taube, und sein Nachfolger Frhr. von Essen entstammen
Zweigen der baltischen Familien dieses Namens. Die Heimat der letzteren ist
Kohl die Gegend von Osnabrück, die der Taube (ursprünglich Duve, Tuve von
^ub, lat. 8uräus) und der Brock-Plater die Grafschaft Mark (Unna-Soest).
Zum baltischen Geschlecht Freytag-Loringhoven gehört der Chef unseres im¬
mobilem Generalstabes, die Stammheimat liegt bei Necklinghausen. Als am



") Für Einzelheiten sei verwiesen auf meine Schrift „Westfalen und Livland",
Münster 1916.
Grenzboten III 1917 16
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[0253] [Abbildung] Von der Herkunft der baltischen Geschlechter*) von Dr. Otto Schnettler le fern schien uns immer dieses unbekannte baltische Land entrückt und wie nahe liegt es uns doch, seit die russischen Grenzpfähle verschwanden und unter Hindenburgs wuchtigen Schlägen die russische Hülle zerbarst. Nahe — nicht nur äußerlich, viel mehr noch innerlich als ein Gebiet, in dem deutsches Wesen sich trotz aller russischen Gewaltmaßnahmen unverfälscht erhalten hat. Als unsere wackeren Feldgrauen Anfang 1915 in Kurland einrückten, ging ihnen schier das Herz auf, wenn sie im Lande des Zaren so vielfach die Heimat grüßte, wenn sich deutsche Orts- und Flußnamen fanden, wenn deutsche Sprüche an den Häusern prangten, wenn sogar Adels-, Orts- und Flußnamen auf¬ tauchten, die namentlich den Söhnen der roten Erde von der Heimat her wohl¬ vertraut und bekannt waren. In der Tat hat Westfalen, das Land zwischen Rhein und Weser nördlich des deutschen Mittelgebirges, einen außerordentlich starken Prozentsatz der Be¬ gründer der ältesten und ersten Kolonie des Deutschen Reiches geliefert. Weit über das Mittelalter hinaus haben die Söhne der roten Erde den beherr¬ schenden Einfluß in den baltischen Landen gehabt, und selbst heute sind ihre Spuren noch nicht ganz verwischt, leben noch zahlreiche Nachkommen namentlich des dort einst eingewanderten westfälischen Adels, Geschlechter, die in der Heimat Zum Teil schon ausgestorben sind, wie z. B. Aldenbokum, Ascheberg, Brakel, von dem Brock gen. Plater, Essen, Freytag. Loringhoven, Grotthus, Hollen, Hoyningen gen. Hume, Korff, Plettenberg, Stromberg, Taube u. v. a. Manche dieser Familien haben sich auch nach Schweden. Polen und dem eigentlichen Rußland verbreitet. Die Grafen von dem Brock gen, Plater finden sich heute uoch in Rußland und im polnischen Adel der Provinz Posen. In der west¬ fälischen Heimat sind sie ausgestorben. Der verstorbene schwedische Gesandte in Berlin, Frhr. von Taube, und sein Nachfolger Frhr. von Essen entstammen Zweigen der baltischen Familien dieses Namens. Die Heimat der letzteren ist Kohl die Gegend von Osnabrück, die der Taube (ursprünglich Duve, Tuve von ^ub, lat. 8uräus) und der Brock-Plater die Grafschaft Mark (Unna-Soest). Zum baltischen Geschlecht Freytag-Loringhoven gehört der Chef unseres im¬ mobilem Generalstabes, die Stammheimat liegt bei Necklinghausen. Als am ") Für Einzelheiten sei verwiesen auf meine Schrift „Westfalen und Livland", Münster 1916. Grenzboten III 1917 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/253>, abgerufen am 03.07.2024.