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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Verzinsung und Tilgung unserer llriegsanleihen

Wenn Ihr Bankier meint, daß das Geld nach dem Kriege teuer werden
wird, so versteht er darunter, daß Geld höhere Zinsen, als gegenwärtig gezahlt
werden, beim Darlehensgeschäft bedingen wird. Das ist aber ganz etwas anderes,
als die geminderte Kaufkraft des Geldes, von der ich spreche. Sie klagten ja
eben, daß Ihre Köchin höheren Lohn und Ihr Hauswirt höhere Miete ver¬
lange, ganz abgesehen von dem Steigen der Preise vieler anderer Dinge, ins¬
besondere der Nahrungsmittel, die durch die kriegerischen Ereignisse direkt
bedingt sind.

Sie glauben doch nicht etwa, daß Ihre Köchin sich nach dem Kriege mit dem
alten Lohne begnügen und Ihr Hauswirt die Miete wieder heruntersetzen wird?

Sehen Sie, das nenne ich die geminderte Kaufkraft des Geldes. Geld,
Gold, ist schließlich eine Ware, wie jede andere auch. Der Mensch hat es zum
Wertmesser, zum "Gelde", gemacht, weil sein Wert gegenüber anderen Waren
infolge seiner relativen Seltenheit nur geringen Schwankungen ausgesetzt ist.
Das Geld hat nun aber bei allen Kulturvölkern die Neigung, gerade gegen¬
über den wichtigsten Waren (Gütern) an Kaufkraft allmählich einzubüßen. Sie
mußten im Jahre 1900 ein erheblich größeres Stück Gold für einen Scheffel
Weizen geben, wie Ihr Urgroßvater im Jahre 1800. Der Tagelohn eines
ungelernten Arbeiters ist in dem Zeitraum von 1800 bis 1900 um das Viel¬
fache gestiegen, ebenso der Preis eines Morgen Ackerlandes. Diese Entwicklung
ist eine unabänderliche Folge dessen, was die Zeitung "Kulturfortschritte" nennt.
Auf die Gründe will ich nicht eingehen. Es würde zu weit führen. Die Ver¬
minderung der Kaufkraft des Geldes ist. an längeren Zeiträumen gemessen,
eine ganz gewaltige. Zwei Beispiele: Wie ich aus den Grundakten eines
größeren Besitzes in rein landwirtschaftlicher Gegend feststellte, wurde die Be¬
sitzung im Jahre 1803 von dem preußischen Fiskus nach eingehender Schätzung
für 90 000 Taler verkauft. Eine gerichtliche Taxe im Jahr 1910 ergab einen
Wert von über 8 Millionen Mark. In einer anderen rein ländlichen Gegend
Preußens mit überwiegendem Kleinbesitz verdoppelte sich der Wert der Grund¬
stücke bereits in der kurzen Zeit von 1900 bis zu Beginn des Krieges. Und nun
denken Sie einmal an die Wertsteigerungen des Grund und Bodens in Schöneberg.

Die Folge ist, daß der Wert des Geldes einer nach 50 Jahren zurück¬
gezahlten Schuld ein viel geringerer ist, als der Wert bei Hingabe des Darlehns,
auch wenn die Rückzahlung in genau den gleichen Münzen, wie die Hingabe,
erfolgt. Die Kaufkraft des Geldes ist gegenüber den wichtigsten Gütern in¬
zwischen um ein Mehrfaches gesunken. Die gleichartige, aber viel rascher vor
sich gehende Entwertung des Silbers ist seinerzeit mit Recht als entscheidender
Grund gegen die Silberwährung ins Feld geführt worden.

Der einzelne Mensch ist in der Regel nicht in der Lage, von dieser Ent¬
wertung des Geldes in erheblichem Umfange Nutzen zu ziehen. Die Dauer
des menschlichen Lebens ist hierzu zu kurz. Die Mahnung:

"Mensch, bezahle deine Schulden",


Die Verzinsung und Tilgung unserer llriegsanleihen

Wenn Ihr Bankier meint, daß das Geld nach dem Kriege teuer werden
wird, so versteht er darunter, daß Geld höhere Zinsen, als gegenwärtig gezahlt
werden, beim Darlehensgeschäft bedingen wird. Das ist aber ganz etwas anderes,
als die geminderte Kaufkraft des Geldes, von der ich spreche. Sie klagten ja
eben, daß Ihre Köchin höheren Lohn und Ihr Hauswirt höhere Miete ver¬
lange, ganz abgesehen von dem Steigen der Preise vieler anderer Dinge, ins¬
besondere der Nahrungsmittel, die durch die kriegerischen Ereignisse direkt
bedingt sind.

Sie glauben doch nicht etwa, daß Ihre Köchin sich nach dem Kriege mit dem
alten Lohne begnügen und Ihr Hauswirt die Miete wieder heruntersetzen wird?

Sehen Sie, das nenne ich die geminderte Kaufkraft des Geldes. Geld,
Gold, ist schließlich eine Ware, wie jede andere auch. Der Mensch hat es zum
Wertmesser, zum „Gelde", gemacht, weil sein Wert gegenüber anderen Waren
infolge seiner relativen Seltenheit nur geringen Schwankungen ausgesetzt ist.
Das Geld hat nun aber bei allen Kulturvölkern die Neigung, gerade gegen¬
über den wichtigsten Waren (Gütern) an Kaufkraft allmählich einzubüßen. Sie
mußten im Jahre 1900 ein erheblich größeres Stück Gold für einen Scheffel
Weizen geben, wie Ihr Urgroßvater im Jahre 1800. Der Tagelohn eines
ungelernten Arbeiters ist in dem Zeitraum von 1800 bis 1900 um das Viel¬
fache gestiegen, ebenso der Preis eines Morgen Ackerlandes. Diese Entwicklung
ist eine unabänderliche Folge dessen, was die Zeitung „Kulturfortschritte" nennt.
Auf die Gründe will ich nicht eingehen. Es würde zu weit führen. Die Ver¬
minderung der Kaufkraft des Geldes ist. an längeren Zeiträumen gemessen,
eine ganz gewaltige. Zwei Beispiele: Wie ich aus den Grundakten eines
größeren Besitzes in rein landwirtschaftlicher Gegend feststellte, wurde die Be¬
sitzung im Jahre 1803 von dem preußischen Fiskus nach eingehender Schätzung
für 90 000 Taler verkauft. Eine gerichtliche Taxe im Jahr 1910 ergab einen
Wert von über 8 Millionen Mark. In einer anderen rein ländlichen Gegend
Preußens mit überwiegendem Kleinbesitz verdoppelte sich der Wert der Grund¬
stücke bereits in der kurzen Zeit von 1900 bis zu Beginn des Krieges. Und nun
denken Sie einmal an die Wertsteigerungen des Grund und Bodens in Schöneberg.

Die Folge ist, daß der Wert des Geldes einer nach 50 Jahren zurück¬
gezahlten Schuld ein viel geringerer ist, als der Wert bei Hingabe des Darlehns,
auch wenn die Rückzahlung in genau den gleichen Münzen, wie die Hingabe,
erfolgt. Die Kaufkraft des Geldes ist gegenüber den wichtigsten Gütern in¬
zwischen um ein Mehrfaches gesunken. Die gleichartige, aber viel rascher vor
sich gehende Entwertung des Silbers ist seinerzeit mit Recht als entscheidender
Grund gegen die Silberwährung ins Feld geführt worden.

Der einzelne Mensch ist in der Regel nicht in der Lage, von dieser Ent¬
wertung des Geldes in erheblichem Umfange Nutzen zu ziehen. Die Dauer
des menschlichen Lebens ist hierzu zu kurz. Die Mahnung:

„Mensch, bezahle deine Schulden",


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[0251] Die Verzinsung und Tilgung unserer llriegsanleihen Wenn Ihr Bankier meint, daß das Geld nach dem Kriege teuer werden wird, so versteht er darunter, daß Geld höhere Zinsen, als gegenwärtig gezahlt werden, beim Darlehensgeschäft bedingen wird. Das ist aber ganz etwas anderes, als die geminderte Kaufkraft des Geldes, von der ich spreche. Sie klagten ja eben, daß Ihre Köchin höheren Lohn und Ihr Hauswirt höhere Miete ver¬ lange, ganz abgesehen von dem Steigen der Preise vieler anderer Dinge, ins¬ besondere der Nahrungsmittel, die durch die kriegerischen Ereignisse direkt bedingt sind. Sie glauben doch nicht etwa, daß Ihre Köchin sich nach dem Kriege mit dem alten Lohne begnügen und Ihr Hauswirt die Miete wieder heruntersetzen wird? Sehen Sie, das nenne ich die geminderte Kaufkraft des Geldes. Geld, Gold, ist schließlich eine Ware, wie jede andere auch. Der Mensch hat es zum Wertmesser, zum „Gelde", gemacht, weil sein Wert gegenüber anderen Waren infolge seiner relativen Seltenheit nur geringen Schwankungen ausgesetzt ist. Das Geld hat nun aber bei allen Kulturvölkern die Neigung, gerade gegen¬ über den wichtigsten Waren (Gütern) an Kaufkraft allmählich einzubüßen. Sie mußten im Jahre 1900 ein erheblich größeres Stück Gold für einen Scheffel Weizen geben, wie Ihr Urgroßvater im Jahre 1800. Der Tagelohn eines ungelernten Arbeiters ist in dem Zeitraum von 1800 bis 1900 um das Viel¬ fache gestiegen, ebenso der Preis eines Morgen Ackerlandes. Diese Entwicklung ist eine unabänderliche Folge dessen, was die Zeitung „Kulturfortschritte" nennt. Auf die Gründe will ich nicht eingehen. Es würde zu weit führen. Die Ver¬ minderung der Kaufkraft des Geldes ist. an längeren Zeiträumen gemessen, eine ganz gewaltige. Zwei Beispiele: Wie ich aus den Grundakten eines größeren Besitzes in rein landwirtschaftlicher Gegend feststellte, wurde die Be¬ sitzung im Jahre 1803 von dem preußischen Fiskus nach eingehender Schätzung für 90 000 Taler verkauft. Eine gerichtliche Taxe im Jahr 1910 ergab einen Wert von über 8 Millionen Mark. In einer anderen rein ländlichen Gegend Preußens mit überwiegendem Kleinbesitz verdoppelte sich der Wert der Grund¬ stücke bereits in der kurzen Zeit von 1900 bis zu Beginn des Krieges. Und nun denken Sie einmal an die Wertsteigerungen des Grund und Bodens in Schöneberg. Die Folge ist, daß der Wert des Geldes einer nach 50 Jahren zurück¬ gezahlten Schuld ein viel geringerer ist, als der Wert bei Hingabe des Darlehns, auch wenn die Rückzahlung in genau den gleichen Münzen, wie die Hingabe, erfolgt. Die Kaufkraft des Geldes ist gegenüber den wichtigsten Gütern in¬ zwischen um ein Mehrfaches gesunken. Die gleichartige, aber viel rascher vor sich gehende Entwertung des Silbers ist seinerzeit mit Recht als entscheidender Grund gegen die Silberwährung ins Feld geführt worden. Der einzelne Mensch ist in der Regel nicht in der Lage, von dieser Ent¬ wertung des Geldes in erheblichem Umfange Nutzen zu ziehen. Die Dauer des menschlichen Lebens ist hierzu zu kurz. Die Mahnung: „Mensch, bezahle deine Schulden",

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/251>, abgerufen am 03.07.2024.