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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Verzinsung und Tilgung unserer Rriegscmleihen

wie wir sie die Russen bei ihrem Rückzüge 1915 unsinnigerweise im eigenen
Lande verüben sahen, verschont geblieben sind. Ist aber erst der Friede da,
so wird, selbst wenn es nur ein Hubertusburger ist, -- ich glaube, das Wort
sagt uns mehr wie die abgedroschene Wendung vom "Scheidemannfrieden" --
das deutsche Volk nach kurzer Erschlaffung rasch wieder die Kraft finden, in
demselben Sturmschritt der Entwicklung neue Werte zu schaffen, wie dies vor
dem Kriege geschah. Dann werden auch Sie. Herr Meier, rasch Ihre Jeremiaden
vergessen haben. Freilich, es wird eine Zeitspanne nach dem Kriege geben,
wo auch wir. wie sämtliche am Kriege beteiligten Völker Europas, nach dem
drastischen Ausspruche Friedrich des Großen, "wie die Hunde nach einer großen
Beißerei dasitzen und uns die Wunden lecken" werden. Dieser Zeitpunkt der
"Übergangswirtschaft" wird kritisch sein. Denn Sie, Herr Meier, und Ihre
Freunde sind leider bereits am Werke, die Negierung zu bestimmen, möglichst
rasch nach Beendigung des Krieges, gleich dem ehrbaren Kaufmanne nach einem
verlustreichen Geschäfte, das ja leider dieser gewaltige Krieg in Ihren Augen
nur ist. die Kosten auf Verlustkonto abzuschreiben. Es ist hier wieder dieselbe
Verwechselung des Staates mit dem Einzelindividuum, die Macaulay mit Recht
so scharf tadelt. Gerade in diesem kritischen Augenblicke wird der Staat die
Steuerkraft seiner Glieder schonen müssen, um die neu erwachende Arbeitslust
des Volkes, die ihm neue Werte schaffen soll, nicht im vorhinein zu lahmen.
Hier könnte eine verfrüht einsetzende scharfe Steuerpolitik unsäglichen Schaden
schaffen, während es kaum von Belang wäre, wenn in den ersten Jahren ein
Teil der Zinsen erneut auf Anleihe genommen würde. Ein warnendes Beispiel
vor Übereilungen in der Steuerpolitik nach einem derartigen Kriege ist doch
sicher die Erzählung Macaulays von Englands Verhalten nach dem sieben¬
jährigen Kriege, das auch zunächst glaubte, die Staatsschuld nicht tragen zu
können, und daher törichterweise sie auf die amerikanischen Kolonien abzubürden
versuchte mit dem Enderfolg, daß es die Kolonien verlor und weitere zwei
Milliarden Schulden machte, die es schließlich zusammen mit der alten Schuld
leicht trug.

Es gibt aber noch ein drittes Moment, das bei der Abbürdung von
Staatsschxlden wirksam ist. Auch Macaulay übersieht es. Und doch ist es
das wichtigste von allen. Ich meine die Entwertung des Geldes, die sich bei
allen Kulturvölkern in einem allmählichen Sinken der Kaufkraft des Geldes
äußert, und die bisweilen durch besondere Ereignisse -- ich nenne die Ent¬
deckung Amerikas, die Kriege Napoleons, die kalifornischen Goldfunde, und,
für uns alle merkbar, der jetzige Krieg -- außerordentlich beschleunigt
wird.

Sie lachen, Herr Meier, weil ich von einer Entwertung des Geldes durch
diesen Krieg^spreche, während Ihnen Ihr Bankier gesagt hat, das Geld werde
nach dem Kriege sehr teuer werden. Nun, Herr Meier, der Mann kann recht
haben. Aber Sie haben mich gründlich mißverstanden.


Die Verzinsung und Tilgung unserer Rriegscmleihen

wie wir sie die Russen bei ihrem Rückzüge 1915 unsinnigerweise im eigenen
Lande verüben sahen, verschont geblieben sind. Ist aber erst der Friede da,
so wird, selbst wenn es nur ein Hubertusburger ist, — ich glaube, das Wort
sagt uns mehr wie die abgedroschene Wendung vom „Scheidemannfrieden" —
das deutsche Volk nach kurzer Erschlaffung rasch wieder die Kraft finden, in
demselben Sturmschritt der Entwicklung neue Werte zu schaffen, wie dies vor
dem Kriege geschah. Dann werden auch Sie. Herr Meier, rasch Ihre Jeremiaden
vergessen haben. Freilich, es wird eine Zeitspanne nach dem Kriege geben,
wo auch wir. wie sämtliche am Kriege beteiligten Völker Europas, nach dem
drastischen Ausspruche Friedrich des Großen, „wie die Hunde nach einer großen
Beißerei dasitzen und uns die Wunden lecken" werden. Dieser Zeitpunkt der
„Übergangswirtschaft" wird kritisch sein. Denn Sie, Herr Meier, und Ihre
Freunde sind leider bereits am Werke, die Negierung zu bestimmen, möglichst
rasch nach Beendigung des Krieges, gleich dem ehrbaren Kaufmanne nach einem
verlustreichen Geschäfte, das ja leider dieser gewaltige Krieg in Ihren Augen
nur ist. die Kosten auf Verlustkonto abzuschreiben. Es ist hier wieder dieselbe
Verwechselung des Staates mit dem Einzelindividuum, die Macaulay mit Recht
so scharf tadelt. Gerade in diesem kritischen Augenblicke wird der Staat die
Steuerkraft seiner Glieder schonen müssen, um die neu erwachende Arbeitslust
des Volkes, die ihm neue Werte schaffen soll, nicht im vorhinein zu lahmen.
Hier könnte eine verfrüht einsetzende scharfe Steuerpolitik unsäglichen Schaden
schaffen, während es kaum von Belang wäre, wenn in den ersten Jahren ein
Teil der Zinsen erneut auf Anleihe genommen würde. Ein warnendes Beispiel
vor Übereilungen in der Steuerpolitik nach einem derartigen Kriege ist doch
sicher die Erzählung Macaulays von Englands Verhalten nach dem sieben¬
jährigen Kriege, das auch zunächst glaubte, die Staatsschuld nicht tragen zu
können, und daher törichterweise sie auf die amerikanischen Kolonien abzubürden
versuchte mit dem Enderfolg, daß es die Kolonien verlor und weitere zwei
Milliarden Schulden machte, die es schließlich zusammen mit der alten Schuld
leicht trug.

Es gibt aber noch ein drittes Moment, das bei der Abbürdung von
Staatsschxlden wirksam ist. Auch Macaulay übersieht es. Und doch ist es
das wichtigste von allen. Ich meine die Entwertung des Geldes, die sich bei
allen Kulturvölkern in einem allmählichen Sinken der Kaufkraft des Geldes
äußert, und die bisweilen durch besondere Ereignisse — ich nenne die Ent¬
deckung Amerikas, die Kriege Napoleons, die kalifornischen Goldfunde, und,
für uns alle merkbar, der jetzige Krieg — außerordentlich beschleunigt
wird.

Sie lachen, Herr Meier, weil ich von einer Entwertung des Geldes durch
diesen Krieg^spreche, während Ihnen Ihr Bankier gesagt hat, das Geld werde
nach dem Kriege sehr teuer werden. Nun, Herr Meier, der Mann kann recht
haben. Aber Sie haben mich gründlich mißverstanden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/250>, abgerufen am 01.07.2024.