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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und der amerikanisch-japanische Gegensatz

Änderung der erst drei Jahre alten Vertragsbestimmungen, zunächst natürlich
im eigenen Interesse, dann aber auch im Interesse des stammverwandten, mit
England schon damals sympathisierenden amerikanischen Volkes. In diesem
dritten mit Japan abgeschlossenen Vertrage ließ sich England im Hinblick auf
einen möglichen Krieg seines japanischen Bundesgenossen gegen die Union von
der noch im zweiten Vertrage von 1905 vorgesehenen Waffenhilfe gegen
Amerika entbinden.

Schon dieser englisch-japanische Vertrag von 1911. der es an allgemeiner
weltpolitischer Bedeutung mit dem ersten von 1902 aufnehmen kann, wirft,
wenn man seinen wesentlichen Inhalt und den Zeitpunkt feines Abschlusses
berücksichtigt, ein Helles Licht auf die Art und Weife, wie England den schon
damals in Ostasien und in dem Riesengebiete des Stillen Ozeans klar ent¬
wickelten amerikanisch-japanischen Gegensatz zu seinen Gunsten und das heißt
stets zuungunsten Deutschlands ausnutzt. Gezwungen, zwischen Japan und
der Union zu wählen, schlägt England sich auf die Seite der letzteren. Es
verbessert damit seine weltpolitische Stellung nach verschiedenen Richtungen.
Einmal versetzt es dem schon damals vielfach recht unbequemen japanischen
Bundesgenossen einen empfindlichen Schlag. Außerdem verpflichtet es sich die
Amerikaner, indem es ihre schwächste Flanke diplomatisch zu decken unternimmt.

Indem aber England verpflichtet, übt es stets auch einen Druck aus.
Daraus erklärt sich seit alters ein Teil der Welterfolge der englischen Diplomatie.
Den Amerikanern geben die Engländer schon damals deutlich zu verstehen,
daß die Vereinigten Staaten auf englische Hilfe angewiesen sind: sie machen
sich ihnen in Ostasien und in der pazifischen Politik gegenüber Japan unent¬
behrlich. In der Hand der fähigen englischen Vertreter in Tokio und Peking
laufen die Fäden der amerikanisch-japanischen Beziehungen zusammen. Wie
Japan in englischen Händen früher als Druckmittel gegen Rußland treffliche
Dienste geleistet hat. so jetzt als Druckmittel gegen die Vereinigten Staaten.
Fortan kann die äußere Politik der Union noch stärker als in den Jahren
vorher den Interessen der englischen Weltpolitik dienstbar gemacht und also
für den Kampf gegen Deutschland eingespannt werden.

Verschärfungen der amerikanisch-japanischen Beziehungen, die ja schon in
dem letzten Jahrzehnt vor dem Ausbruche des Weltkrieges und nicht nur wegen
der pazifischen Einwanderungsfrage eingetreten sind, werden deshalb im Foreign
Office nicht ungern gesehen. Je drohender nämlich die Gesahr eines amerikanisch¬
japanischen Krieges, die schon vor dem Weltkriege nicht mehr als schreckhafte
Phantasie gelten konnte, am Horizonte heraufzieht, um so mehr ist Washington
auf London angewiesen, um so gefügiger zeigt sich die amerikanische Regierung
gegenüber anderen Wünschen des neuen englischen Freundes. Die Folge ist,
daß sich das weltpolitische Zusammenarbeiten zwischen den beiden angelsächsischen
Nationen (und zwar nicht nur in Ostasien) um so deutlicher bemerkbar macht,
je mehr sich der amerikanisch-japanische Gegensatz verschärft. Man kann sagen,


Deutschland und der amerikanisch-japanische Gegensatz

Änderung der erst drei Jahre alten Vertragsbestimmungen, zunächst natürlich
im eigenen Interesse, dann aber auch im Interesse des stammverwandten, mit
England schon damals sympathisierenden amerikanischen Volkes. In diesem
dritten mit Japan abgeschlossenen Vertrage ließ sich England im Hinblick auf
einen möglichen Krieg seines japanischen Bundesgenossen gegen die Union von
der noch im zweiten Vertrage von 1905 vorgesehenen Waffenhilfe gegen
Amerika entbinden.

Schon dieser englisch-japanische Vertrag von 1911. der es an allgemeiner
weltpolitischer Bedeutung mit dem ersten von 1902 aufnehmen kann, wirft,
wenn man seinen wesentlichen Inhalt und den Zeitpunkt feines Abschlusses
berücksichtigt, ein Helles Licht auf die Art und Weife, wie England den schon
damals in Ostasien und in dem Riesengebiete des Stillen Ozeans klar ent¬
wickelten amerikanisch-japanischen Gegensatz zu seinen Gunsten und das heißt
stets zuungunsten Deutschlands ausnutzt. Gezwungen, zwischen Japan und
der Union zu wählen, schlägt England sich auf die Seite der letzteren. Es
verbessert damit seine weltpolitische Stellung nach verschiedenen Richtungen.
Einmal versetzt es dem schon damals vielfach recht unbequemen japanischen
Bundesgenossen einen empfindlichen Schlag. Außerdem verpflichtet es sich die
Amerikaner, indem es ihre schwächste Flanke diplomatisch zu decken unternimmt.

Indem aber England verpflichtet, übt es stets auch einen Druck aus.
Daraus erklärt sich seit alters ein Teil der Welterfolge der englischen Diplomatie.
Den Amerikanern geben die Engländer schon damals deutlich zu verstehen,
daß die Vereinigten Staaten auf englische Hilfe angewiesen sind: sie machen
sich ihnen in Ostasien und in der pazifischen Politik gegenüber Japan unent¬
behrlich. In der Hand der fähigen englischen Vertreter in Tokio und Peking
laufen die Fäden der amerikanisch-japanischen Beziehungen zusammen. Wie
Japan in englischen Händen früher als Druckmittel gegen Rußland treffliche
Dienste geleistet hat. so jetzt als Druckmittel gegen die Vereinigten Staaten.
Fortan kann die äußere Politik der Union noch stärker als in den Jahren
vorher den Interessen der englischen Weltpolitik dienstbar gemacht und also
für den Kampf gegen Deutschland eingespannt werden.

Verschärfungen der amerikanisch-japanischen Beziehungen, die ja schon in
dem letzten Jahrzehnt vor dem Ausbruche des Weltkrieges und nicht nur wegen
der pazifischen Einwanderungsfrage eingetreten sind, werden deshalb im Foreign
Office nicht ungern gesehen. Je drohender nämlich die Gesahr eines amerikanisch¬
japanischen Krieges, die schon vor dem Weltkriege nicht mehr als schreckhafte
Phantasie gelten konnte, am Horizonte heraufzieht, um so mehr ist Washington
auf London angewiesen, um so gefügiger zeigt sich die amerikanische Regierung
gegenüber anderen Wünschen des neuen englischen Freundes. Die Folge ist,
daß sich das weltpolitische Zusammenarbeiten zwischen den beiden angelsächsischen
Nationen (und zwar nicht nur in Ostasien) um so deutlicher bemerkbar macht,
je mehr sich der amerikanisch-japanische Gegensatz verschärft. Man kann sagen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/23>, abgerufen am 29.06.2024.