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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Lhinapolitik

lauter. was aber diese zu Beginn der sechziger Jahre nicht hindert, den
größten Teil des amerikanischen Chinageschäftes zu zerstören.




Wie die erste Glanzperiode der amerikanischen Chinapolitik infolge der
zielbewußter Gegenwirkung Englands ihr Ende gefunden hat, so die zweite,
die etwa vor zwanzig Jahren einsetzte, infolge der noch gefährlicheren Gegen¬
wirkung Japans. Wenn Japan so viel Gut- und Blutopfer an die Gewinnung
Koreas und der südlichen Mandschurei wandte, so geschah es nicht nur, um
die Russen aus beiden Zukunftsgebieten zu verdrängen, sondern die koreanisch¬
mandschurische Vorwärtspoliti! Japans ist in großem Umfange und mit großem
Erfolge auch gegen die Vereinigten Staaten gerichtet. Auch im eigentlichen
China bereiten die Japaner den Amerikanern je länger desto größere Schwierig-
eiten. Infolge des Sieges Japans über Nußland vergrößern sich diese
Schwierigkeiten ins Un gemessene.

Die Amerikaner haben sich dagegen zur Wehr gesetzt. Sie haben nicht
nur, schon während des Boxeraufstandes, ihre Politik der moralischen Er¬
oberungen in China und am chinesischen Hofe weiter befestigt, sondern auch
noch 1908 den energischen Versuch gemacht, zu einem förmlichen Bündnisse
mit dem seit Jahren befreundeten China zu gelangen. Der chinesische Spezial-
gesandte, mit weitgehenden Instruktionen versehen, war schon bereit. Aber
Japan trat dazwischen. Seitdem werden die Mißerfolge der neuesten ameri¬
kanischen Chinapolitik noch deutlicher.

Und doch hatten die Amerikaner auf die schon mit dem Boxeraufstand
in lebhaften Gang gekommene chinesische Reformbewegung große Hoffnungen
gesetzt. Schon als Kriegsminister hatte der spätere Präsident Taft in einer
vielbeachteten Rede in Schanghai ihnen Ausdruck verliehen. Besonders der
radikale, südchinesische Flügel der chinesischen Revolutionsparteien wurde von
der anderen Seite des Ozeans her eifrig unterstützt. China soll der Demokratie
zugeführt und damit dem amerikanischen Handel um so weiter geöffnet werden-
Jndem aber dies Ziel mit Erklärung der chinesischen Republik erreicht ist¬
wird es vom amerikanischen Standpunkte doch zugleich verfehlt. Denn abermals
tritt Japan dazwischen und sorgt dafür, daß die Revolution die Autorität des
chinesischen Staates soweit untergräbt, daß Chinas Bündnisfähigkeit dadurch
völlig beeinträchtigt wird. Außerdem stoßen die Amerikaner in China selbst
jetzt noch mehr als jemals früher auf die von Japan gelegten Gegenminen-

Was sich vor dem Weltkriege schon angebahnt hat, wird dann während
des Weltkrieges immer deutlicher: den Japanern gelingt die Aufrichtung einer
Art von Protektorat über das fast wehrlose China. Das ist aber nicht nur
ein Sieg über China, sondern auch ein Sieg über die Chinapolitik der Ver-
einigten Staaten, gegen die sich endlich seit Mitte 1917 in der sich wieder
regenden Mandschudynastie ein weiterer unerwarteter Gegner erhebt. --


Amerikanische Lhinapolitik

lauter. was aber diese zu Beginn der sechziger Jahre nicht hindert, den
größten Teil des amerikanischen Chinageschäftes zu zerstören.




Wie die erste Glanzperiode der amerikanischen Chinapolitik infolge der
zielbewußter Gegenwirkung Englands ihr Ende gefunden hat, so die zweite,
die etwa vor zwanzig Jahren einsetzte, infolge der noch gefährlicheren Gegen¬
wirkung Japans. Wenn Japan so viel Gut- und Blutopfer an die Gewinnung
Koreas und der südlichen Mandschurei wandte, so geschah es nicht nur, um
die Russen aus beiden Zukunftsgebieten zu verdrängen, sondern die koreanisch¬
mandschurische Vorwärtspoliti! Japans ist in großem Umfange und mit großem
Erfolge auch gegen die Vereinigten Staaten gerichtet. Auch im eigentlichen
China bereiten die Japaner den Amerikanern je länger desto größere Schwierig-
eiten. Infolge des Sieges Japans über Nußland vergrößern sich diese
Schwierigkeiten ins Un gemessene.

Die Amerikaner haben sich dagegen zur Wehr gesetzt. Sie haben nicht
nur, schon während des Boxeraufstandes, ihre Politik der moralischen Er¬
oberungen in China und am chinesischen Hofe weiter befestigt, sondern auch
noch 1908 den energischen Versuch gemacht, zu einem förmlichen Bündnisse
mit dem seit Jahren befreundeten China zu gelangen. Der chinesische Spezial-
gesandte, mit weitgehenden Instruktionen versehen, war schon bereit. Aber
Japan trat dazwischen. Seitdem werden die Mißerfolge der neuesten ameri¬
kanischen Chinapolitik noch deutlicher.

Und doch hatten die Amerikaner auf die schon mit dem Boxeraufstand
in lebhaften Gang gekommene chinesische Reformbewegung große Hoffnungen
gesetzt. Schon als Kriegsminister hatte der spätere Präsident Taft in einer
vielbeachteten Rede in Schanghai ihnen Ausdruck verliehen. Besonders der
radikale, südchinesische Flügel der chinesischen Revolutionsparteien wurde von
der anderen Seite des Ozeans her eifrig unterstützt. China soll der Demokratie
zugeführt und damit dem amerikanischen Handel um so weiter geöffnet werden-
Jndem aber dies Ziel mit Erklärung der chinesischen Republik erreicht ist¬
wird es vom amerikanischen Standpunkte doch zugleich verfehlt. Denn abermals
tritt Japan dazwischen und sorgt dafür, daß die Revolution die Autorität des
chinesischen Staates soweit untergräbt, daß Chinas Bündnisfähigkeit dadurch
völlig beeinträchtigt wird. Außerdem stoßen die Amerikaner in China selbst
jetzt noch mehr als jemals früher auf die von Japan gelegten Gegenminen-

Was sich vor dem Weltkriege schon angebahnt hat, wird dann während
des Weltkrieges immer deutlicher: den Japanern gelingt die Aufrichtung einer
Art von Protektorat über das fast wehrlose China. Das ist aber nicht nur
ein Sieg über China, sondern auch ein Sieg über die Chinapolitik der Ver-
einigten Staaten, gegen die sich endlich seit Mitte 1917 in der sich wieder
regenden Mandschudynastie ein weiterer unerwarteter Gegner erhebt. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/190>, abgerufen am 01.07.2024.