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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Lhinapolitik

wandten Engländer alleine belasten. Während des kurzen, aber erbitterten
Kampfes bleiben die Amerikaner sorgfältig neutral und hüten sich auch sonst
vor jeder offenen Vergewaltigung des Himmlischen Reiches, obschon auch
Amerikaner am Opiumhandel lebhaft beteiligt sind. Als dann aber die Chi¬
nesen von den Engländern gefügig gemacht worden sind, erscheinen auch die
Amerikaner wieder auf der Bildfläche und lassen sich von China 1844 den
ersten Handelsvertrag bewilligen, auf Grund dessen sich dann das amerikanische
Wnageschäft ebenso wie die politisch brauchbare und fruchtbare Tätigkeit der
amerikanischen Missionare bis zum Ausbruche des amerikanischen Bürgerkrieges
lui Jahre 1861 glänzend entwickeln, zumal da Amerikas Stellung im Fernen
Dsten noch weiter dadurch verbessert wird, daß ein Geschwader der Union 1854
°und Japan eröffnet.

Der amerikanische Bürgerkrieg (1861 bis 1864) versetzt dann allerdings
auch dem amerikanischem Chinageschäfte einen schweren Schlag. Dem verhaßten
englischen Erbfeinde gelingt es, einen großen Teil der amerikanischen Tonnage
5U vernichten. Aber mit angelsächsischer Zähigkeit und Hingabe widmen sich
Amerikaner bald dem Wiederaufbau des Verlorenen. Sie weichen in China
U'ehe von der Stelle, und nach Beilegung der Taipingrevolution und Beendigung
englisch-französischen gegen China geführten Krieges verstehen es die Ver¬
ewigten Staaten aufs beste, sich bald doch wieder als eine der einflußreichsten
^hinamächte zu allgemeiner Anerkennung zu bringen. Besonders mit Hilfe
einer geschickt ausgebauten und bei allen nur denkbaren Gelegenheiten zur An¬
wendung gebrachten Politik der moralischen Eroberungen gelingt es der ameri-
"tscheu Regierung und den amerikanischen Vertretern in China selbst, die
Sympathien der Söhne des Reiches der Mitte in weitem Maße für sich zu
gewinnen. Keine Gruppe der "fremden Teufel" ist deshalb in Peking so beliebt
une die amerikanische.

Obwohl die amerikanische ebenso wie die europäische Chinapolitik einfache
-"acht- und Interessenpolitik ist, so macht die amerikanische Regierung im Bunde
"Ut der amerikanischen Intelligenz und der Kaufmannschaft den Chinesen doch
unmer wieder begreiflich, die Union verfolge keine eigennützigen Ziele in
^n'na, sondern ihr liege besonders das Wohl Chinas und -- der Menschheit
^ Herzen. Für die moralisierende Geste sind gerade die Chinesen besonders
^pfänglich. Die Amerikaner nutzen diese Schwäche nach Kräften aus. Sie
scheuen sich gar nicht, gelegentlich einen ehemaligen Missionar mit der amtlichen
ertretung der amerikanischen Interessen in Peking oder auch mit der nicht
Minder einflußreichen Wahrnehmung der Konsulatsgeschäfte in einem der größeren
ertragshäfen zu betrauen. Die amerikanische Chinapolitik zieht nicht nur aus
eigenen politischen und besonders wirtschaftlichen Schwergewichte der Union
. "hen. sondern sie macht eine Zeitlang nicht zuletzt deshalb so gute Fort-
Mitte, weil sie sich hinter der breiten Kulisse humanitärer Uneigennützigkeit
>o ungestört entfalten kann. Die Amerikaner sind gelehrige Schüler der Eng.


Grenzkoten III 1917 12
Amerikanische Lhinapolitik

wandten Engländer alleine belasten. Während des kurzen, aber erbitterten
Kampfes bleiben die Amerikaner sorgfältig neutral und hüten sich auch sonst
vor jeder offenen Vergewaltigung des Himmlischen Reiches, obschon auch
Amerikaner am Opiumhandel lebhaft beteiligt sind. Als dann aber die Chi¬
nesen von den Engländern gefügig gemacht worden sind, erscheinen auch die
Amerikaner wieder auf der Bildfläche und lassen sich von China 1844 den
ersten Handelsvertrag bewilligen, auf Grund dessen sich dann das amerikanische
Wnageschäft ebenso wie die politisch brauchbare und fruchtbare Tätigkeit der
amerikanischen Missionare bis zum Ausbruche des amerikanischen Bürgerkrieges
lui Jahre 1861 glänzend entwickeln, zumal da Amerikas Stellung im Fernen
Dsten noch weiter dadurch verbessert wird, daß ein Geschwader der Union 1854
°und Japan eröffnet.

Der amerikanische Bürgerkrieg (1861 bis 1864) versetzt dann allerdings
auch dem amerikanischem Chinageschäfte einen schweren Schlag. Dem verhaßten
englischen Erbfeinde gelingt es, einen großen Teil der amerikanischen Tonnage
5U vernichten. Aber mit angelsächsischer Zähigkeit und Hingabe widmen sich
Amerikaner bald dem Wiederaufbau des Verlorenen. Sie weichen in China
U'ehe von der Stelle, und nach Beilegung der Taipingrevolution und Beendigung
englisch-französischen gegen China geführten Krieges verstehen es die Ver¬
ewigten Staaten aufs beste, sich bald doch wieder als eine der einflußreichsten
^hinamächte zu allgemeiner Anerkennung zu bringen. Besonders mit Hilfe
einer geschickt ausgebauten und bei allen nur denkbaren Gelegenheiten zur An¬
wendung gebrachten Politik der moralischen Eroberungen gelingt es der ameri-
"tscheu Regierung und den amerikanischen Vertretern in China selbst, die
Sympathien der Söhne des Reiches der Mitte in weitem Maße für sich zu
gewinnen. Keine Gruppe der „fremden Teufel" ist deshalb in Peking so beliebt
une die amerikanische.

Obwohl die amerikanische ebenso wie die europäische Chinapolitik einfache
-"acht- und Interessenpolitik ist, so macht die amerikanische Regierung im Bunde
"Ut der amerikanischen Intelligenz und der Kaufmannschaft den Chinesen doch
unmer wieder begreiflich, die Union verfolge keine eigennützigen Ziele in
^n'na, sondern ihr liege besonders das Wohl Chinas und — der Menschheit
^ Herzen. Für die moralisierende Geste sind gerade die Chinesen besonders
^pfänglich. Die Amerikaner nutzen diese Schwäche nach Kräften aus. Sie
scheuen sich gar nicht, gelegentlich einen ehemaligen Missionar mit der amtlichen
ertretung der amerikanischen Interessen in Peking oder auch mit der nicht
Minder einflußreichen Wahrnehmung der Konsulatsgeschäfte in einem der größeren
ertragshäfen zu betrauen. Die amerikanische Chinapolitik zieht nicht nur aus
eigenen politischen und besonders wirtschaftlichen Schwergewichte der Union
. "hen. sondern sie macht eine Zeitlang nicht zuletzt deshalb so gute Fort-
Mitte, weil sie sich hinter der breiten Kulisse humanitärer Uneigennützigkeit
>o ungestört entfalten kann. Die Amerikaner sind gelehrige Schüler der Eng.


Grenzkoten III 1917 12
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[0189] Amerikanische Lhinapolitik wandten Engländer alleine belasten. Während des kurzen, aber erbitterten Kampfes bleiben die Amerikaner sorgfältig neutral und hüten sich auch sonst vor jeder offenen Vergewaltigung des Himmlischen Reiches, obschon auch Amerikaner am Opiumhandel lebhaft beteiligt sind. Als dann aber die Chi¬ nesen von den Engländern gefügig gemacht worden sind, erscheinen auch die Amerikaner wieder auf der Bildfläche und lassen sich von China 1844 den ersten Handelsvertrag bewilligen, auf Grund dessen sich dann das amerikanische Wnageschäft ebenso wie die politisch brauchbare und fruchtbare Tätigkeit der amerikanischen Missionare bis zum Ausbruche des amerikanischen Bürgerkrieges lui Jahre 1861 glänzend entwickeln, zumal da Amerikas Stellung im Fernen Dsten noch weiter dadurch verbessert wird, daß ein Geschwader der Union 1854 °und Japan eröffnet. Der amerikanische Bürgerkrieg (1861 bis 1864) versetzt dann allerdings auch dem amerikanischem Chinageschäfte einen schweren Schlag. Dem verhaßten englischen Erbfeinde gelingt es, einen großen Teil der amerikanischen Tonnage 5U vernichten. Aber mit angelsächsischer Zähigkeit und Hingabe widmen sich Amerikaner bald dem Wiederaufbau des Verlorenen. Sie weichen in China U'ehe von der Stelle, und nach Beilegung der Taipingrevolution und Beendigung englisch-französischen gegen China geführten Krieges verstehen es die Ver¬ ewigten Staaten aufs beste, sich bald doch wieder als eine der einflußreichsten ^hinamächte zu allgemeiner Anerkennung zu bringen. Besonders mit Hilfe einer geschickt ausgebauten und bei allen nur denkbaren Gelegenheiten zur An¬ wendung gebrachten Politik der moralischen Eroberungen gelingt es der ameri- "tscheu Regierung und den amerikanischen Vertretern in China selbst, die Sympathien der Söhne des Reiches der Mitte in weitem Maße für sich zu gewinnen. Keine Gruppe der „fremden Teufel" ist deshalb in Peking so beliebt une die amerikanische. Obwohl die amerikanische ebenso wie die europäische Chinapolitik einfache -"acht- und Interessenpolitik ist, so macht die amerikanische Regierung im Bunde "Ut der amerikanischen Intelligenz und der Kaufmannschaft den Chinesen doch unmer wieder begreiflich, die Union verfolge keine eigennützigen Ziele in ^n'na, sondern ihr liege besonders das Wohl Chinas und — der Menschheit ^ Herzen. Für die moralisierende Geste sind gerade die Chinesen besonders ^pfänglich. Die Amerikaner nutzen diese Schwäche nach Kräften aus. Sie scheuen sich gar nicht, gelegentlich einen ehemaligen Missionar mit der amtlichen ertretung der amerikanischen Interessen in Peking oder auch mit der nicht Minder einflußreichen Wahrnehmung der Konsulatsgeschäfte in einem der größeren ertragshäfen zu betrauen. Die amerikanische Chinapolitik zieht nicht nur aus eigenen politischen und besonders wirtschaftlichen Schwergewichte der Union . "hen. sondern sie macht eine Zeitlang nicht zuletzt deshalb so gute Fort- Mitte, weil sie sich hinter der breiten Kulisse humanitärer Uneigennützigkeit >o ungestört entfalten kann. Die Amerikaner sind gelehrige Schüler der Eng. Grenzkoten III 1917 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/189>, abgerufen am 29.06.2024.