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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Lhincrpolitik

Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, wie die Chinapolitik der Vereinigten
Staaten zweimal von ihrer Höhe herabgestürzt worden ist und einen beträcht¬
lichen Teil ihrer anfänglichen Erfolge wieder hat aufgeben müssen. Das
erstemal ist England, das zweitemal Japan der überlegene Feind. Aber die
amerikanische Diplomatie hat aus den älteren Erfahrungen nicht gelernt, sondern
ihre ostasiatische, besonders den chinesischen Teil ihrer Japanpolitik je länger,
je deutlicher nach englischen Gesichtspunkten eingerichtet. Wäre die amerikanische
Chinapolitik wirklich nur von chinapolitischen oder allgemein ostasiatischen Ge¬
sichtspunkten ausgegangen, so hätte sie schon deshalb bessere Erfolge gezeitigt,
weil sie dann auf Japan und Japans Chinainteressen weniger hätte Rücksicht
M nehmen brauchen. Aber indem sich auch die amerikanische Chinapolitik
teilweise in den Dienst der englischen, mehr oder minder gegen Deutschland
gerichteten Weltpolitik stellte, mußte sich diese Politik fortgesetzt bemühen, die
reizbaren Japaner bei guter Laune zu halten. Diese Bemühungen sind im
Laufe des Krieges immer lebhafter geworden. Sonst hätte Japan nicht ein¬
gewilligt, daß China die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach.
Sonst hätte Japan auch nicht selbst eine anscheinend weitergreifende Ver¬
ständigung mit Amerika geduldet und dadurch der Union die für den Krieg
gegen Deutschland nötige Nückenfreiheit verschafft.




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Amerikanische Lhincrpolitik

Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, wie die Chinapolitik der Vereinigten
Staaten zweimal von ihrer Höhe herabgestürzt worden ist und einen beträcht¬
lichen Teil ihrer anfänglichen Erfolge wieder hat aufgeben müssen. Das
erstemal ist England, das zweitemal Japan der überlegene Feind. Aber die
amerikanische Diplomatie hat aus den älteren Erfahrungen nicht gelernt, sondern
ihre ostasiatische, besonders den chinesischen Teil ihrer Japanpolitik je länger,
je deutlicher nach englischen Gesichtspunkten eingerichtet. Wäre die amerikanische
Chinapolitik wirklich nur von chinapolitischen oder allgemein ostasiatischen Ge¬
sichtspunkten ausgegangen, so hätte sie schon deshalb bessere Erfolge gezeitigt,
weil sie dann auf Japan und Japans Chinainteressen weniger hätte Rücksicht
M nehmen brauchen. Aber indem sich auch die amerikanische Chinapolitik
teilweise in den Dienst der englischen, mehr oder minder gegen Deutschland
gerichteten Weltpolitik stellte, mußte sich diese Politik fortgesetzt bemühen, die
reizbaren Japaner bei guter Laune zu halten. Diese Bemühungen sind im
Laufe des Krieges immer lebhafter geworden. Sonst hätte Japan nicht ein¬
gewilligt, daß China die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach.
Sonst hätte Japan auch nicht selbst eine anscheinend weitergreifende Ver¬
ständigung mit Amerika geduldet und dadurch der Union die für den Krieg
gegen Deutschland nötige Nückenfreiheit verschafft.




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[0191] Amerikanische Lhincrpolitik Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, wie die Chinapolitik der Vereinigten Staaten zweimal von ihrer Höhe herabgestürzt worden ist und einen beträcht¬ lichen Teil ihrer anfänglichen Erfolge wieder hat aufgeben müssen. Das erstemal ist England, das zweitemal Japan der überlegene Feind. Aber die amerikanische Diplomatie hat aus den älteren Erfahrungen nicht gelernt, sondern ihre ostasiatische, besonders den chinesischen Teil ihrer Japanpolitik je länger, je deutlicher nach englischen Gesichtspunkten eingerichtet. Wäre die amerikanische Chinapolitik wirklich nur von chinapolitischen oder allgemein ostasiatischen Ge¬ sichtspunkten ausgegangen, so hätte sie schon deshalb bessere Erfolge gezeitigt, weil sie dann auf Japan und Japans Chinainteressen weniger hätte Rücksicht M nehmen brauchen. Aber indem sich auch die amerikanische Chinapolitik teilweise in den Dienst der englischen, mehr oder minder gegen Deutschland gerichteten Weltpolitik stellte, mußte sich diese Politik fortgesetzt bemühen, die reizbaren Japaner bei guter Laune zu halten. Diese Bemühungen sind im Laufe des Krieges immer lebhafter geworden. Sonst hätte Japan nicht ein¬ gewilligt, daß China die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach. Sonst hätte Japan auch nicht selbst eine anscheinend weitergreifende Ver¬ ständigung mit Amerika geduldet und dadurch der Union die für den Krieg gegen Deutschland nötige Nückenfreiheit verschafft. 12»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/191>, abgerufen am 01.07.2024.