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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Zustände in Polen

Erfolge der Hindenburgschen Militärverwaltung (Oberbefehlshaber OstI) haben
die Zuversicht, daß trotz allem etwas Ersprießliches für das deutsche Interesse
in langer, zäher Arbeit geleistet werden könnte, gehoben. Diese Verwaltung
wurde abgelöst durch ein neues Verwaltungssystem, nicht weil es den Skeptikern
und Kritikern in der Heimat zu langsam ging mit der Gewinnung der polnischen
Herzen, sondern weil gerade Herrn von Massows "verantwortliche Persönlich-
keiten" glaubten, sie würden es viel gründlicher und schneller besorgen als jene.
Dies zur Wiederherstellung der historischen WahrheitI

Ähnlich ist auch der folgende Satz zu bewerten, in den Massow das
Motiv seines Schlußakkordes fügte: "Sehr genaue Kenner versichern, daß die
Abneigung gegen ein Zusammengehen mit Rußland immer entschiedener werde,
dagegen die Einsicht von der Notwendigkeit eines Anschlusses an Deutschland
immer mehr durchbreche, beides auch bei denen, die ihr Herz im Grunde mehr
Zum slawischen Brüderchen im Osten als zu Deutschland zieht." Vermutlich
soll damit gezeigt werden, welche Verdienste sich die Gewährsmänner Herrn
von Massows um den Stimmungsumschwung in Polen erworben haben. Nun.
was der neue Kurs gerade in dieser Beziehung in Warschau tatsächlich seit
Ende 1915. das ist seit der Ablösung des langjährigen mit Personen und
Dingen tief vertrauten Warschauer Generalkonsuls von seinem Beraterposten,
geleistet hat, verkündete vor einigen Wochen urbi et orbi der polnisch katholische
Erzbischof von Krakau Theodorowicz -- also gewiß ein unverdächtiger Zeuge --.
indem er darauf hinwies, daß die russophile Stimmung im Generalgouvernement
Warschau erschreckend zugenommen habe, verkündete kürzlich die "Kölnische
Zeitung" (Ur. 672) in ihrem Aufsatz schläfst du Polonia!, wo es
heißt: "Es gab eine Zeit (nämlich 19151). da kämpften die polnischen Legionen
w-it hoher Tapferkeit Schulter an Schulter mit uns gegen den russischen Feind;
diese Zeit ist verklungen. Seit die Legionen nur für Polen da find, seit sie
den Stamm des polnischen Heeres . . . abgeben, leben sie fern von der
Front . . ." und, so fügen wir aus eigenem Wissen hinzu, erziehen die Jugend
in der Provinz in der Feindseligkeit gegen das Deutschtum! Diese ernsten
Tatsachen sind es. die "Ouidam" wohl berechtigten, seinerzeit in der "Kreuzzeitung"
(Pstngstnummer). davon zu sprechen, daß wir eines schönen Tages aus Polen
"herauskomplimentiert" werden könnten, und Herr von Massow verkennt die tief
inneren politischen Gründe, wenn er für die "aschgrau gefärbten Stimmungs¬
berichte" aus Polen die Mißstimmung der deutschen Offiziere über mangelhaftes
Grüßen der "polnischen Legionäre und namentlich ihrer Offiziere" (S. 891)
verantwortlich machen will!

Herr von Massow redet als der Weisheit letzten Schluß dem Zuwarten das
Wort. Gewiß, das ist das bequemste. Man verfährt wie der Experimentator des Mittel-
"Iters: man läßt allen Kräften in einem fest abgeschlossenen Gefäß freien Spielraum,
^es zu entwickeln und wartet ab. ob sie die Retorte und das ganze Laboratorium in
die Luft sprengen oder sich zu einem neuzeitlichen Nahrungsersatzmittel entwickeln!


Die Zustände in Polen

Erfolge der Hindenburgschen Militärverwaltung (Oberbefehlshaber OstI) haben
die Zuversicht, daß trotz allem etwas Ersprießliches für das deutsche Interesse
in langer, zäher Arbeit geleistet werden könnte, gehoben. Diese Verwaltung
wurde abgelöst durch ein neues Verwaltungssystem, nicht weil es den Skeptikern
und Kritikern in der Heimat zu langsam ging mit der Gewinnung der polnischen
Herzen, sondern weil gerade Herrn von Massows „verantwortliche Persönlich-
keiten" glaubten, sie würden es viel gründlicher und schneller besorgen als jene.
Dies zur Wiederherstellung der historischen WahrheitI

Ähnlich ist auch der folgende Satz zu bewerten, in den Massow das
Motiv seines Schlußakkordes fügte: „Sehr genaue Kenner versichern, daß die
Abneigung gegen ein Zusammengehen mit Rußland immer entschiedener werde,
dagegen die Einsicht von der Notwendigkeit eines Anschlusses an Deutschland
immer mehr durchbreche, beides auch bei denen, die ihr Herz im Grunde mehr
Zum slawischen Brüderchen im Osten als zu Deutschland zieht." Vermutlich
soll damit gezeigt werden, welche Verdienste sich die Gewährsmänner Herrn
von Massows um den Stimmungsumschwung in Polen erworben haben. Nun.
was der neue Kurs gerade in dieser Beziehung in Warschau tatsächlich seit
Ende 1915. das ist seit der Ablösung des langjährigen mit Personen und
Dingen tief vertrauten Warschauer Generalkonsuls von seinem Beraterposten,
geleistet hat, verkündete vor einigen Wochen urbi et orbi der polnisch katholische
Erzbischof von Krakau Theodorowicz — also gewiß ein unverdächtiger Zeuge —.
indem er darauf hinwies, daß die russophile Stimmung im Generalgouvernement
Warschau erschreckend zugenommen habe, verkündete kürzlich die „Kölnische
Zeitung" (Ur. 672) in ihrem Aufsatz schläfst du Polonia!, wo es
heißt: „Es gab eine Zeit (nämlich 19151). da kämpften die polnischen Legionen
w-it hoher Tapferkeit Schulter an Schulter mit uns gegen den russischen Feind;
diese Zeit ist verklungen. Seit die Legionen nur für Polen da find, seit sie
den Stamm des polnischen Heeres . . . abgeben, leben sie fern von der
Front . . ." und, so fügen wir aus eigenem Wissen hinzu, erziehen die Jugend
in der Provinz in der Feindseligkeit gegen das Deutschtum! Diese ernsten
Tatsachen sind es. die „Ouidam" wohl berechtigten, seinerzeit in der „Kreuzzeitung"
(Pstngstnummer). davon zu sprechen, daß wir eines schönen Tages aus Polen
»herauskomplimentiert" werden könnten, und Herr von Massow verkennt die tief
inneren politischen Gründe, wenn er für die „aschgrau gefärbten Stimmungs¬
berichte" aus Polen die Mißstimmung der deutschen Offiziere über mangelhaftes
Grüßen der „polnischen Legionäre und namentlich ihrer Offiziere" (S. 891)
verantwortlich machen will!

Herr von Massow redet als der Weisheit letzten Schluß dem Zuwarten das
Wort. Gewiß, das ist das bequemste. Man verfährt wie der Experimentator des Mittel-
"Iters: man läßt allen Kräften in einem fest abgeschlossenen Gefäß freien Spielraum,
^es zu entwickeln und wartet ab. ob sie die Retorte und das ganze Laboratorium in
die Luft sprengen oder sich zu einem neuzeitlichen Nahrungsersatzmittel entwickeln!


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[0179] Die Zustände in Polen Erfolge der Hindenburgschen Militärverwaltung (Oberbefehlshaber OstI) haben die Zuversicht, daß trotz allem etwas Ersprießliches für das deutsche Interesse in langer, zäher Arbeit geleistet werden könnte, gehoben. Diese Verwaltung wurde abgelöst durch ein neues Verwaltungssystem, nicht weil es den Skeptikern und Kritikern in der Heimat zu langsam ging mit der Gewinnung der polnischen Herzen, sondern weil gerade Herrn von Massows „verantwortliche Persönlich- keiten" glaubten, sie würden es viel gründlicher und schneller besorgen als jene. Dies zur Wiederherstellung der historischen WahrheitI Ähnlich ist auch der folgende Satz zu bewerten, in den Massow das Motiv seines Schlußakkordes fügte: „Sehr genaue Kenner versichern, daß die Abneigung gegen ein Zusammengehen mit Rußland immer entschiedener werde, dagegen die Einsicht von der Notwendigkeit eines Anschlusses an Deutschland immer mehr durchbreche, beides auch bei denen, die ihr Herz im Grunde mehr Zum slawischen Brüderchen im Osten als zu Deutschland zieht." Vermutlich soll damit gezeigt werden, welche Verdienste sich die Gewährsmänner Herrn von Massows um den Stimmungsumschwung in Polen erworben haben. Nun. was der neue Kurs gerade in dieser Beziehung in Warschau tatsächlich seit Ende 1915. das ist seit der Ablösung des langjährigen mit Personen und Dingen tief vertrauten Warschauer Generalkonsuls von seinem Beraterposten, geleistet hat, verkündete vor einigen Wochen urbi et orbi der polnisch katholische Erzbischof von Krakau Theodorowicz — also gewiß ein unverdächtiger Zeuge —. indem er darauf hinwies, daß die russophile Stimmung im Generalgouvernement Warschau erschreckend zugenommen habe, verkündete kürzlich die „Kölnische Zeitung" (Ur. 672) in ihrem Aufsatz schläfst du Polonia!, wo es heißt: „Es gab eine Zeit (nämlich 19151). da kämpften die polnischen Legionen w-it hoher Tapferkeit Schulter an Schulter mit uns gegen den russischen Feind; diese Zeit ist verklungen. Seit die Legionen nur für Polen da find, seit sie den Stamm des polnischen Heeres . . . abgeben, leben sie fern von der Front . . ." und, so fügen wir aus eigenem Wissen hinzu, erziehen die Jugend in der Provinz in der Feindseligkeit gegen das Deutschtum! Diese ernsten Tatsachen sind es. die „Ouidam" wohl berechtigten, seinerzeit in der „Kreuzzeitung" (Pstngstnummer). davon zu sprechen, daß wir eines schönen Tages aus Polen »herauskomplimentiert" werden könnten, und Herr von Massow verkennt die tief inneren politischen Gründe, wenn er für die „aschgrau gefärbten Stimmungs¬ berichte" aus Polen die Mißstimmung der deutschen Offiziere über mangelhaftes Grüßen der „polnischen Legionäre und namentlich ihrer Offiziere" (S. 891) verantwortlich machen will! Herr von Massow redet als der Weisheit letzten Schluß dem Zuwarten das Wort. Gewiß, das ist das bequemste. Man verfährt wie der Experimentator des Mittel- "Iters: man läßt allen Kräften in einem fest abgeschlossenen Gefäß freien Spielraum, ^es zu entwickeln und wartet ab. ob sie die Retorte und das ganze Laboratorium in die Luft sprengen oder sich zu einem neuzeitlichen Nahrungsersatzmittel entwickeln!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/179>, abgerufen am 01.07.2024.