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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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gebracht. Zuweilen wird letztere auch bloß mit der RadewelleRowelle
hinausgefahren. Mit der Mistkrail, einem zweizinkigen Gerät, wird er ab¬
geladen. Mit dem Pflug werden die Furchen, Ferrer, gezogen; der breite
Querstreifen am Anfang und Ende des Ackers ist die Anewand oder Amel.
Die Egge heißt mundartlich Eiden, eggen schlichten. Welch schöne Anschauung
hat da der Vogtländer für die Redensart "einen Streit schlichten", die Uneben¬
heiten zwischen den Streitenden ausgleichen! Unkraut im Feld wurde durch
"pecker" gelockert; dieser Ausdruck -- er bezeichnet ein kurzes, schnelles Hacken --
hängt ohne Zweifel mit picken zusammen. Schwere Arbeiten wurden mit der
Spitz- oder Keilhaue ausgeführt, sie besteht aus dem Stiel, dem Helm, und
dem keilartigen Eisen. Ungebetene Gäste soll die Vogelscheuche und der Kraut¬
popel vom Felde fernhalten; ob das "popel" nicht eine Verstümmelung aus
Popanz ist?

Die Heuernte ist im Vogtlande die H5ad. die Getreideernte der Schule.
die Garben werden gesammt gesammelt und in Puppen Docken aufgestellt.
Die Sense (S^sel) wird auf dem Dengelstock gedengelt. Die langen Gras¬
reihen heißen Schwaden, die zu Schütten ausgebreitet werden; am Abend aber
wird das oft fast trockene Gras zu "Schobern" zusammengeschoben, um es vor
dem Durchnässen zu schützen. In der Zeit der Ernte wendet der Landmann
dem heimatlichen Himmel mehr Sorgfalt zu als sonst. Bei den Wetterstudien
meiner Mutter spielte der sogenannte "Gerische Winkel", weil er in der Richtung
der Stadt Gera lag, eine gewichtige Rolle; war dort der Himmel klar, so
glaubte sie gutes Wetter prophezeien zu können. Wie oft hörten wir sie sagen:
Morgen gibt's schlechtes Wetter, die Sonne kreicht nei nen Popel. -- Am meisten
fürchtet sich der Bauer, der seine Ernte nicht versichert hat, vor dem Hagel oder den
schloßen; "es greißt". sagt der Volksmund. Nicht gefürchtet sind die Graupeln.

Wohl jeder Vogtländer kennt die "GemÄapainten". Gemeindepainte. Die
Beunde, die Beute ist nach Grimms Wörterbuch sehr alt. In der Schweiz
heißt's Bennde, Bünde; in Bayern Peunte, Pinne, Paine. Das Wort bedeutet
Feld. Wiese, sehr oft ein Grundstück, das dem Gemeindeviehbetrieb verschlossen
werden kann und sehr oft eine Wiese, die nur zur Grasbenutzung, nicht zur
Heugewinnung gebraucht wird. Diese Painten sind gut bewässert, haben guten
Boden und üppigen Graswuchs. Das trifft auch für die Gemeindepainte
in Ebmath zu.

Kehren wir zum Haus zurück. An seiner Giebelseite liegt der Wünet-
garten. das ist Kleinodgarten, wie ihn auch das Protokoll über die Kirchen-
' Visitation in Zwickau i. I. 1533 nennt. In ihm fehlt die Laube, das Lust¬
haus, nicht, am Zaun hängt die Gießkanne, die Sprengstitz.

Die Hausfrau kommt eben aus dem Garten, wo sie Zwiebelröhren
-° schluchtern und Schmieling Schnittlauch geholt hat. Mit einem "Schnitzer"
wacht sie Späne, Sprietzele oder Schleifen zum Aufeuern. -- Noch kann ich
wich gut auf das Lummelmefser besinnen (Sta. kämet); das Heft ganz roh


gebracht. Zuweilen wird letztere auch bloß mit der RadewelleRowelle
hinausgefahren. Mit der Mistkrail, einem zweizinkigen Gerät, wird er ab¬
geladen. Mit dem Pflug werden die Furchen, Ferrer, gezogen; der breite
Querstreifen am Anfang und Ende des Ackers ist die Anewand oder Amel.
Die Egge heißt mundartlich Eiden, eggen schlichten. Welch schöne Anschauung
hat da der Vogtländer für die Redensart „einen Streit schlichten", die Uneben¬
heiten zwischen den Streitenden ausgleichen! Unkraut im Feld wurde durch
„pecker" gelockert; dieser Ausdruck — er bezeichnet ein kurzes, schnelles Hacken —
hängt ohne Zweifel mit picken zusammen. Schwere Arbeiten wurden mit der
Spitz- oder Keilhaue ausgeführt, sie besteht aus dem Stiel, dem Helm, und
dem keilartigen Eisen. Ungebetene Gäste soll die Vogelscheuche und der Kraut¬
popel vom Felde fernhalten; ob das „popel" nicht eine Verstümmelung aus
Popanz ist?

Die Heuernte ist im Vogtlande die H5ad. die Getreideernte der Schule.
die Garben werden gesammt gesammelt und in Puppen Docken aufgestellt.
Die Sense (S^sel) wird auf dem Dengelstock gedengelt. Die langen Gras¬
reihen heißen Schwaden, die zu Schütten ausgebreitet werden; am Abend aber
wird das oft fast trockene Gras zu „Schobern" zusammengeschoben, um es vor
dem Durchnässen zu schützen. In der Zeit der Ernte wendet der Landmann
dem heimatlichen Himmel mehr Sorgfalt zu als sonst. Bei den Wetterstudien
meiner Mutter spielte der sogenannte „Gerische Winkel", weil er in der Richtung
der Stadt Gera lag, eine gewichtige Rolle; war dort der Himmel klar, so
glaubte sie gutes Wetter prophezeien zu können. Wie oft hörten wir sie sagen:
Morgen gibt's schlechtes Wetter, die Sonne kreicht nei nen Popel. — Am meisten
fürchtet sich der Bauer, der seine Ernte nicht versichert hat, vor dem Hagel oder den
schloßen; „es greißt". sagt der Volksmund. Nicht gefürchtet sind die Graupeln.

Wohl jeder Vogtländer kennt die „GemÄapainten". Gemeindepainte. Die
Beunde, die Beute ist nach Grimms Wörterbuch sehr alt. In der Schweiz
heißt's Bennde, Bünde; in Bayern Peunte, Pinne, Paine. Das Wort bedeutet
Feld. Wiese, sehr oft ein Grundstück, das dem Gemeindeviehbetrieb verschlossen
werden kann und sehr oft eine Wiese, die nur zur Grasbenutzung, nicht zur
Heugewinnung gebraucht wird. Diese Painten sind gut bewässert, haben guten
Boden und üppigen Graswuchs. Das trifft auch für die Gemeindepainte
in Ebmath zu.

Kehren wir zum Haus zurück. An seiner Giebelseite liegt der Wünet-
garten. das ist Kleinodgarten, wie ihn auch das Protokoll über die Kirchen-
' Visitation in Zwickau i. I. 1533 nennt. In ihm fehlt die Laube, das Lust¬
haus, nicht, am Zaun hängt die Gießkanne, die Sprengstitz.

Die Hausfrau kommt eben aus dem Garten, wo sie Zwiebelröhren
-° schluchtern und Schmieling Schnittlauch geholt hat. Mit einem „Schnitzer"
wacht sie Späne, Sprietzele oder Schleifen zum Aufeuern. — Noch kann ich
wich gut auf das Lummelmefser besinnen (Sta. kämet); das Heft ganz roh


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/167>, abgerufen am 01.07.2024.