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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Altes und mundartliches Sprachgut der voqtländischen Heimat

einhundert Jahren! Noch sehe ich die Mutter vor ihrem Wäschevorrat in der
Lade knien. "Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, die lang ich vergessen
geglaubt!"

Der Haustüre gegenüber steht die Pumpe, die Plumpen oder Pflumpf.
Mir fällt da ein spaßiges Verschen des vogtlündischen Dialektdichters Louis
Riedel ein, das ich vor Jahren auf einer Ansichtskarte in einem Wirtshause las:

In der väterlichen Scheune, der Schei. war die Schupfen der Lagerraum
für die Feuerung, die Bansen der für Heu und Grund, die Tennloh unterm
Dach der fürs Getreide und nach dem Ausdreschen, dem Drusch, der fürs
Stroh. Vom Hannebalken schmettert der Hahn sein Kikeriki in den jungen
Morgen hinein. Unter ihren Hennen aber hat die Hausfrau einige, die
glucksen oder gatzen. Darüber ist sie nicht gerade erbaut; weiß sie es auch
nicht ans den Fastnachtsspielen des Hans Sachs, -- der Vogtländer würde sie
Fosnetspiele nennen -- so kennt sie es hinlänglich aus Erfahrung, daß Hühner,
die gatzen, wenig Eier legen. In der Scheune stand die "Holmbänk" zur
Herstellung des Häcksels ans den Halmen und die Flachsbreche und -Hechel.
Wer die Leiden des Flachses unter den eisernen Stahlspitzen gesehen hat, der
hat volles Verständnis für den mundartlichen Ausdruck des Durchhechelns von
Menschen. An der Wand hängen die Siebe, die Reiter, mit denen der Bauer
die Spreu (Spraal) von den Körnern trennt. Und treibt der Wind den Staub
auf der Straße auf und wirbelt ihn hoch, so ist das eine Windspraal. In
der Scheune finden wir die Dreschflegel, die Drischeln. Sehr derb sagt der
Vogtländer: Nimm deinen Nischel (Kopf) weg, daß ich dir keins mit der
Drischel versetz. Sehr gern bringt der Bauer einen Taubenschlag, den Tauben-
höller, an der Scheune an.

Die technischen Ausdrücke des kleinen landwirtschaftlichen Betriebes der
Eltern waren nur der Mundart entlehnt. Die Jauche, der Odel, wurde mit
der "schufen", einer Gelee mit sehr langem Stiel, aus dem Odelfaß geschöpft.
Heu und Gras wurde Rind und Pferd in die Raufen (Raafe) gegeben;
"Kurzfutter" bekamen sie in den Barrn, mundartlich Boorn. Freudig wird
im Bauernhaus die Geburt eines Katheders, eines Mockels oder Mockeles,
begrüßt. Nun gibt's Mockelemilch und ."kließ-Klöße". Ist das Kalb abgesetzt,
so gibt's wieder mehr Milch. Hat die Bauersfrau genug Sahne oder Rahm
beisammen, so buttert sie. sie "rührt aus"; mitunter ist sie mit der Butter
nicht zufrieden, sie ist "grietzlich". hält nicht zusammen. Aus der Buttermilch
wird Quark, Streichmatz, hergestellt, der sehr begehrt ist: Quark macht stark.

Jauche und Dünger (Odel und Dung) sind für den Landwirt höchst
wichtig. Unter dem Zuruf: Wiste, hott links, rechts, wird beides aufs Feld


Altes und mundartliches Sprachgut der voqtländischen Heimat

einhundert Jahren! Noch sehe ich die Mutter vor ihrem Wäschevorrat in der
Lade knien. „Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, die lang ich vergessen
geglaubt!"

Der Haustüre gegenüber steht die Pumpe, die Plumpen oder Pflumpf.
Mir fällt da ein spaßiges Verschen des vogtlündischen Dialektdichters Louis
Riedel ein, das ich vor Jahren auf einer Ansichtskarte in einem Wirtshause las:

In der väterlichen Scheune, der Schei. war die Schupfen der Lagerraum
für die Feuerung, die Bansen der für Heu und Grund, die Tennloh unterm
Dach der fürs Getreide und nach dem Ausdreschen, dem Drusch, der fürs
Stroh. Vom Hannebalken schmettert der Hahn sein Kikeriki in den jungen
Morgen hinein. Unter ihren Hennen aber hat die Hausfrau einige, die
glucksen oder gatzen. Darüber ist sie nicht gerade erbaut; weiß sie es auch
nicht ans den Fastnachtsspielen des Hans Sachs, — der Vogtländer würde sie
Fosnetspiele nennen — so kennt sie es hinlänglich aus Erfahrung, daß Hühner,
die gatzen, wenig Eier legen. In der Scheune stand die „Holmbänk" zur
Herstellung des Häcksels ans den Halmen und die Flachsbreche und -Hechel.
Wer die Leiden des Flachses unter den eisernen Stahlspitzen gesehen hat, der
hat volles Verständnis für den mundartlichen Ausdruck des Durchhechelns von
Menschen. An der Wand hängen die Siebe, die Reiter, mit denen der Bauer
die Spreu (Spraal) von den Körnern trennt. Und treibt der Wind den Staub
auf der Straße auf und wirbelt ihn hoch, so ist das eine Windspraal. In
der Scheune finden wir die Dreschflegel, die Drischeln. Sehr derb sagt der
Vogtländer: Nimm deinen Nischel (Kopf) weg, daß ich dir keins mit der
Drischel versetz. Sehr gern bringt der Bauer einen Taubenschlag, den Tauben-
höller, an der Scheune an.

Die technischen Ausdrücke des kleinen landwirtschaftlichen Betriebes der
Eltern waren nur der Mundart entlehnt. Die Jauche, der Odel, wurde mit
der „schufen", einer Gelee mit sehr langem Stiel, aus dem Odelfaß geschöpft.
Heu und Gras wurde Rind und Pferd in die Raufen (Raafe) gegeben;
„Kurzfutter" bekamen sie in den Barrn, mundartlich Boorn. Freudig wird
im Bauernhaus die Geburt eines Katheders, eines Mockels oder Mockeles,
begrüßt. Nun gibt's Mockelemilch und .„kließ-Klöße". Ist das Kalb abgesetzt,
so gibt's wieder mehr Milch. Hat die Bauersfrau genug Sahne oder Rahm
beisammen, so buttert sie. sie „rührt aus"; mitunter ist sie mit der Butter
nicht zufrieden, sie ist „grietzlich". hält nicht zusammen. Aus der Buttermilch
wird Quark, Streichmatz, hergestellt, der sehr begehrt ist: Quark macht stark.

Jauche und Dünger (Odel und Dung) sind für den Landwirt höchst
wichtig. Unter dem Zuruf: Wiste, hott links, rechts, wird beides aufs Feld


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[0166] Altes und mundartliches Sprachgut der voqtländischen Heimat einhundert Jahren! Noch sehe ich die Mutter vor ihrem Wäschevorrat in der Lade knien. „Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, die lang ich vergessen geglaubt!" Der Haustüre gegenüber steht die Pumpe, die Plumpen oder Pflumpf. Mir fällt da ein spaßiges Verschen des vogtlündischen Dialektdichters Louis Riedel ein, das ich vor Jahren auf einer Ansichtskarte in einem Wirtshause las: In der väterlichen Scheune, der Schei. war die Schupfen der Lagerraum für die Feuerung, die Bansen der für Heu und Grund, die Tennloh unterm Dach der fürs Getreide und nach dem Ausdreschen, dem Drusch, der fürs Stroh. Vom Hannebalken schmettert der Hahn sein Kikeriki in den jungen Morgen hinein. Unter ihren Hennen aber hat die Hausfrau einige, die glucksen oder gatzen. Darüber ist sie nicht gerade erbaut; weiß sie es auch nicht ans den Fastnachtsspielen des Hans Sachs, — der Vogtländer würde sie Fosnetspiele nennen — so kennt sie es hinlänglich aus Erfahrung, daß Hühner, die gatzen, wenig Eier legen. In der Scheune stand die „Holmbänk" zur Herstellung des Häcksels ans den Halmen und die Flachsbreche und -Hechel. Wer die Leiden des Flachses unter den eisernen Stahlspitzen gesehen hat, der hat volles Verständnis für den mundartlichen Ausdruck des Durchhechelns von Menschen. An der Wand hängen die Siebe, die Reiter, mit denen der Bauer die Spreu (Spraal) von den Körnern trennt. Und treibt der Wind den Staub auf der Straße auf und wirbelt ihn hoch, so ist das eine Windspraal. In der Scheune finden wir die Dreschflegel, die Drischeln. Sehr derb sagt der Vogtländer: Nimm deinen Nischel (Kopf) weg, daß ich dir keins mit der Drischel versetz. Sehr gern bringt der Bauer einen Taubenschlag, den Tauben- höller, an der Scheune an. Die technischen Ausdrücke des kleinen landwirtschaftlichen Betriebes der Eltern waren nur der Mundart entlehnt. Die Jauche, der Odel, wurde mit der „schufen", einer Gelee mit sehr langem Stiel, aus dem Odelfaß geschöpft. Heu und Gras wurde Rind und Pferd in die Raufen (Raafe) gegeben; „Kurzfutter" bekamen sie in den Barrn, mundartlich Boorn. Freudig wird im Bauernhaus die Geburt eines Katheders, eines Mockels oder Mockeles, begrüßt. Nun gibt's Mockelemilch und .„kließ-Klöße". Ist das Kalb abgesetzt, so gibt's wieder mehr Milch. Hat die Bauersfrau genug Sahne oder Rahm beisammen, so buttert sie. sie „rührt aus"; mitunter ist sie mit der Butter nicht zufrieden, sie ist „grietzlich". hält nicht zusammen. Aus der Buttermilch wird Quark, Streichmatz, hergestellt, der sehr begehrt ist: Quark macht stark. Jauche und Dünger (Odel und Dung) sind für den Landwirt höchst wichtig. Unter dem Zuruf: Wiste, hott links, rechts, wird beides aufs Feld

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/166>, abgerufen am 01.07.2024.