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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Das belgische AriegszielunddieFriedenscrklärungdesReichstages

gesorgt wird, daß die uns nach Volkstum und Sprache so nahe stehenden
Flamen nicht wieder von den Wallonen in den Hintergrund gedrängt werden.
Es ist unsere Pflicht, als germanische Vormacht die Gelegenheit zu benutzen,
die Flamen so in den Sattel zu setzen, daß sie in Zukunft reiten können. Wenn
Zitelmann in seinem Bestreben, möglichst einem Ausgleich mit der offiziellen
belgischen Regierung das Wort zu reden, meint, es sei das beste, die Durch¬
führung der Verwaltungstrennung der flämischen und wallonischen Gebiete mög¬
lichst den Belgiern selbst zu überlassen, so bin ich im Gegenteil der Ansicht, auf
dem inzwischen mit Erfolg beschrittenen Wege weiterzugehen und noch vor dem
Ende des Krieges ein von Wallonien scharf getrenntes nationales Flandern
als vollendete Tatsache zu schaffen. Man muß sich freilich hüten, die Flamen
heute schon für ohne weiteres deutschfreundlicher zu halten als die Wallonen.
Doch kann gar kein Zweifel sein, daß die Flamen mit der Zeit für das
Bündnis mit Deutschland, daß sie von der Bevormundung durch die Frans-
quillons erlöst hat. zu gewinnen sein werden, wenn wir sie nicht ungeschickt vor
den Kopf stoßen. Auch der Freiherr von Bisstng sagt in seiner Denkschrift:
"Wir haben bei den Flamen viele offene und noch sehr viele versteckte Freunde,
die bereit sind, sich dem großen Kreis der deutschen Weltinteressen anzuschließen."
Den ausführlichsten Überblick über den Stand der flämischen Bewegung gibt
von den in diesem Aufsatze erwähnten Schriften die von Meister. Viele
Flamenführer trauen heute noch nicht so recht dem Bestand der deutschen Vor¬
herrschaft in Belgien; sie wollen für den Fall des Sieges der Entente nicht
kompromittiert sein, um nicht ihre Sache unheilbar verdächtig zu machen. Wenn
der Krieg entschieden ist, werden sie alle am Siege der flämischen Sache mit¬
arbeiten. Die entschiedenen Klerikalen, die in Flandern die Mehrheit des Volkes
hinter sich haben, können nicht rückhaltlos Flaminganten sein, solange der
wallonische Erzbischof Mercier die belgische Kirche in unfreundlicher Haltung
gegen die Deutschen verharren läßt. Man muß aber nicht denken, daß der
flämische Klerus an sich verwelscht und rettungslos deutschfeindlich wäre. Es
wird bei geschickter Politik gar nicht schwer sein, nicht nur den nationalen,
sondern auch den religiösen Gegensatz der flämischen Katholiken gegen das
kirchenfeindliche Frankreich auszuspielen. Bis jetzt hat die Universität Gent
noch keine katholisch-theologische Fakultät. Wahrscheinlich ist daran der Wider¬
spruch von Mecheln schuld. Haben doch gewisse Mechelner Klerikale gegen die
Gründung der Universität unter deutscher Verwaltung überhaupt Stellung ge¬
nommen und dann in unnatürlichem Bunde mit Antwerpener Freimaurern
auch die Verwaltungstrennung bekämpft. Das sind Schwierigkeiten, die bei
geschickter Politik später nicht fortdauern werden, wenn insbesondere die nächste
Sedisvakanz in Mecheln dazu benutzt wird, der flämischen Kirche auch einen
flämischen Oberhirten zu geben. Auch die katholische Fakultät in Gent muß
baldmöglichst geschaffen werden. Denn mit der Kirche werden wir das Volk
von Flandern am sichersten gewinnen.


Das belgische AriegszielunddieFriedenscrklärungdesReichstages

gesorgt wird, daß die uns nach Volkstum und Sprache so nahe stehenden
Flamen nicht wieder von den Wallonen in den Hintergrund gedrängt werden.
Es ist unsere Pflicht, als germanische Vormacht die Gelegenheit zu benutzen,
die Flamen so in den Sattel zu setzen, daß sie in Zukunft reiten können. Wenn
Zitelmann in seinem Bestreben, möglichst einem Ausgleich mit der offiziellen
belgischen Regierung das Wort zu reden, meint, es sei das beste, die Durch¬
führung der Verwaltungstrennung der flämischen und wallonischen Gebiete mög¬
lichst den Belgiern selbst zu überlassen, so bin ich im Gegenteil der Ansicht, auf
dem inzwischen mit Erfolg beschrittenen Wege weiterzugehen und noch vor dem
Ende des Krieges ein von Wallonien scharf getrenntes nationales Flandern
als vollendete Tatsache zu schaffen. Man muß sich freilich hüten, die Flamen
heute schon für ohne weiteres deutschfreundlicher zu halten als die Wallonen.
Doch kann gar kein Zweifel sein, daß die Flamen mit der Zeit für das
Bündnis mit Deutschland, daß sie von der Bevormundung durch die Frans-
quillons erlöst hat. zu gewinnen sein werden, wenn wir sie nicht ungeschickt vor
den Kopf stoßen. Auch der Freiherr von Bisstng sagt in seiner Denkschrift:
„Wir haben bei den Flamen viele offene und noch sehr viele versteckte Freunde,
die bereit sind, sich dem großen Kreis der deutschen Weltinteressen anzuschließen."
Den ausführlichsten Überblick über den Stand der flämischen Bewegung gibt
von den in diesem Aufsatze erwähnten Schriften die von Meister. Viele
Flamenführer trauen heute noch nicht so recht dem Bestand der deutschen Vor¬
herrschaft in Belgien; sie wollen für den Fall des Sieges der Entente nicht
kompromittiert sein, um nicht ihre Sache unheilbar verdächtig zu machen. Wenn
der Krieg entschieden ist, werden sie alle am Siege der flämischen Sache mit¬
arbeiten. Die entschiedenen Klerikalen, die in Flandern die Mehrheit des Volkes
hinter sich haben, können nicht rückhaltlos Flaminganten sein, solange der
wallonische Erzbischof Mercier die belgische Kirche in unfreundlicher Haltung
gegen die Deutschen verharren läßt. Man muß aber nicht denken, daß der
flämische Klerus an sich verwelscht und rettungslos deutschfeindlich wäre. Es
wird bei geschickter Politik gar nicht schwer sein, nicht nur den nationalen,
sondern auch den religiösen Gegensatz der flämischen Katholiken gegen das
kirchenfeindliche Frankreich auszuspielen. Bis jetzt hat die Universität Gent
noch keine katholisch-theologische Fakultät. Wahrscheinlich ist daran der Wider¬
spruch von Mecheln schuld. Haben doch gewisse Mechelner Klerikale gegen die
Gründung der Universität unter deutscher Verwaltung überhaupt Stellung ge¬
nommen und dann in unnatürlichem Bunde mit Antwerpener Freimaurern
auch die Verwaltungstrennung bekämpft. Das sind Schwierigkeiten, die bei
geschickter Politik später nicht fortdauern werden, wenn insbesondere die nächste
Sedisvakanz in Mecheln dazu benutzt wird, der flämischen Kirche auch einen
flämischen Oberhirten zu geben. Auch die katholische Fakultät in Gent muß
baldmöglichst geschaffen werden. Denn mit der Kirche werden wir das Volk
von Flandern am sichersten gewinnen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/149>, abgerufen am 01.07.2024.