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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Das belgische Rriegsziel unddieFriedonserklärungdes Reichstages

möglich, daß gewisse Kapitalisten, denen die politischen Zustände eines an
Deutschland angeschlossenen Belgien nicht nach Wunsch sind, es vorziehen aus¬
zuwandern. Das muß ihnen natürlich freistehen, doch muß Deutschland dafür
sorgen, daß das in Belgien investierte Kapital dieser Optanten so gut wie
englisches oder französisches enteignet werde, damit unsere Feinde nicht einen
wirtschaftlichen Einfluß im Lande behalten, der geeignet wäre, das politische
Verhältnis zwischen Deutschland und Belgien dauernd zu vergiften. In diesem
Punkte sollten wir, wie ich bereits in den "Grenzboten" betont habe (1916,
Ur. 51), endgültig aus unseren Erfahrungen in Elsaß-Lothringen gelernt
haben. Wir brauchen nicht zu fürchten, uns mit der notwendigen Enteignung
feindlichen Kapitals, der wir ja beim Friedensschluß einwandfreie rechtliche
Unterlagen verschaffen können, einer Vergewaltigung schuldig zu macheu, und
dem Geiste der Fnedenserklärung des Reichstages zuwider zu handeln. Lassen
wir den feindlichen Kapitalisten ihre wirtschaftliche Macht, so werden wir eben
das, was wir wollen, einen Frieden der Verständigung und Versöhnung mit
Belgien, niemals erreichen. Wissen wir aber gleich bei Friedensschluß die
Felsblöcke brutaler wirtschaftlicher Abhängigkeiten von unseren Feinden in
Belgien zu beseitigen, so werden sich die Gemüter bald darüber beruhigen,
und der Weg zur politischen Verständigung wird viel leichter gangbar sein.
Das wird in der Literatur über die belgische Frage nicht überall einwandfrei
erkannt. Um fo lieber berufe ich mich hier auf das völlig übereinstimmende
Urteil des Freiherrn von Bissing. Viele treten im übrigen für den An¬
schluß Belgiens an das deutsche Zollgebiet ein. Zitelmann läßt die Frage
offen, ob Zollanschluß oder ein auf die beiderseitigen Bedürfnisse zu¬
geschnittener Handelsvertrag vorzuziehen sei. Mir will dieser Ausweg bis
auf weiteres günstiger erscheinen. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß Belgien
eines Tages den Vorteil engen wirtschaftlichen Anschlusses an das Reich ein¬
sieht und dann selber um Aufnahme in den Zollverband bittet. Dann käme
diese Aufnahme unter günstigeren Umständen zustande, als wenn jetzt wir die
Veranlassung geben. Auch besteht die Möglichkeit, daß der von unserm Feinden
zu erwartende Wirtschaftskrieg gegen uns sich gegen Belgien nicht mit der
gleichen Schärfe wenden wird, wenn dieses ein selbständiges Zollgebiet bleibt.
Davon aber könnten auch wir indirekt Vorteil haben. Es ist nur gut, wenn
wir den Anschluß Belgiens auch auf wirtschaftlichem Gebiete vorläufig nicht
enger gestalten, als es für unsere Sicherung notwendig ist. Das Weitere
findet sich später.*)

Ist uns die militärische, politische und wirtschaftliche Sicherung ungefähr
in der umschriebenen Weise gewährleistet, so brauchen wir den Belgiern um so
weniger in ihre inneren Verhältnisse hweinzuregieren, wenn nur für das eine



*) Vgl. hierzu auch Joh. Ziekursch: Was soll aus Belgien werden? Der deutsche
Krieg. Politische Flugschriften. Herausgeg. von Ernst Jacks, Ur. "1. De. Verlagsanstalt,
Stuttgart-Berlin. Preis 50 Pf.
Das belgische Rriegsziel unddieFriedonserklärungdes Reichstages

möglich, daß gewisse Kapitalisten, denen die politischen Zustände eines an
Deutschland angeschlossenen Belgien nicht nach Wunsch sind, es vorziehen aus¬
zuwandern. Das muß ihnen natürlich freistehen, doch muß Deutschland dafür
sorgen, daß das in Belgien investierte Kapital dieser Optanten so gut wie
englisches oder französisches enteignet werde, damit unsere Feinde nicht einen
wirtschaftlichen Einfluß im Lande behalten, der geeignet wäre, das politische
Verhältnis zwischen Deutschland und Belgien dauernd zu vergiften. In diesem
Punkte sollten wir, wie ich bereits in den „Grenzboten" betont habe (1916,
Ur. 51), endgültig aus unseren Erfahrungen in Elsaß-Lothringen gelernt
haben. Wir brauchen nicht zu fürchten, uns mit der notwendigen Enteignung
feindlichen Kapitals, der wir ja beim Friedensschluß einwandfreie rechtliche
Unterlagen verschaffen können, einer Vergewaltigung schuldig zu macheu, und
dem Geiste der Fnedenserklärung des Reichstages zuwider zu handeln. Lassen
wir den feindlichen Kapitalisten ihre wirtschaftliche Macht, so werden wir eben
das, was wir wollen, einen Frieden der Verständigung und Versöhnung mit
Belgien, niemals erreichen. Wissen wir aber gleich bei Friedensschluß die
Felsblöcke brutaler wirtschaftlicher Abhängigkeiten von unseren Feinden in
Belgien zu beseitigen, so werden sich die Gemüter bald darüber beruhigen,
und der Weg zur politischen Verständigung wird viel leichter gangbar sein.
Das wird in der Literatur über die belgische Frage nicht überall einwandfrei
erkannt. Um fo lieber berufe ich mich hier auf das völlig übereinstimmende
Urteil des Freiherrn von Bissing. Viele treten im übrigen für den An¬
schluß Belgiens an das deutsche Zollgebiet ein. Zitelmann läßt die Frage
offen, ob Zollanschluß oder ein auf die beiderseitigen Bedürfnisse zu¬
geschnittener Handelsvertrag vorzuziehen sei. Mir will dieser Ausweg bis
auf weiteres günstiger erscheinen. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß Belgien
eines Tages den Vorteil engen wirtschaftlichen Anschlusses an das Reich ein¬
sieht und dann selber um Aufnahme in den Zollverband bittet. Dann käme
diese Aufnahme unter günstigeren Umständen zustande, als wenn jetzt wir die
Veranlassung geben. Auch besteht die Möglichkeit, daß der von unserm Feinden
zu erwartende Wirtschaftskrieg gegen uns sich gegen Belgien nicht mit der
gleichen Schärfe wenden wird, wenn dieses ein selbständiges Zollgebiet bleibt.
Davon aber könnten auch wir indirekt Vorteil haben. Es ist nur gut, wenn
wir den Anschluß Belgiens auch auf wirtschaftlichem Gebiete vorläufig nicht
enger gestalten, als es für unsere Sicherung notwendig ist. Das Weitere
findet sich später.*)

Ist uns die militärische, politische und wirtschaftliche Sicherung ungefähr
in der umschriebenen Weise gewährleistet, so brauchen wir den Belgiern um so
weniger in ihre inneren Verhältnisse hweinzuregieren, wenn nur für das eine



*) Vgl. hierzu auch Joh. Ziekursch: Was soll aus Belgien werden? Der deutsche
Krieg. Politische Flugschriften. Herausgeg. von Ernst Jacks, Ur. »1. De. Verlagsanstalt,
Stuttgart-Berlin. Preis 50 Pf.
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[0148] Das belgische Rriegsziel unddieFriedonserklärungdes Reichstages möglich, daß gewisse Kapitalisten, denen die politischen Zustände eines an Deutschland angeschlossenen Belgien nicht nach Wunsch sind, es vorziehen aus¬ zuwandern. Das muß ihnen natürlich freistehen, doch muß Deutschland dafür sorgen, daß das in Belgien investierte Kapital dieser Optanten so gut wie englisches oder französisches enteignet werde, damit unsere Feinde nicht einen wirtschaftlichen Einfluß im Lande behalten, der geeignet wäre, das politische Verhältnis zwischen Deutschland und Belgien dauernd zu vergiften. In diesem Punkte sollten wir, wie ich bereits in den „Grenzboten" betont habe (1916, Ur. 51), endgültig aus unseren Erfahrungen in Elsaß-Lothringen gelernt haben. Wir brauchen nicht zu fürchten, uns mit der notwendigen Enteignung feindlichen Kapitals, der wir ja beim Friedensschluß einwandfreie rechtliche Unterlagen verschaffen können, einer Vergewaltigung schuldig zu macheu, und dem Geiste der Fnedenserklärung des Reichstages zuwider zu handeln. Lassen wir den feindlichen Kapitalisten ihre wirtschaftliche Macht, so werden wir eben das, was wir wollen, einen Frieden der Verständigung und Versöhnung mit Belgien, niemals erreichen. Wissen wir aber gleich bei Friedensschluß die Felsblöcke brutaler wirtschaftlicher Abhängigkeiten von unseren Feinden in Belgien zu beseitigen, so werden sich die Gemüter bald darüber beruhigen, und der Weg zur politischen Verständigung wird viel leichter gangbar sein. Das wird in der Literatur über die belgische Frage nicht überall einwandfrei erkannt. Um fo lieber berufe ich mich hier auf das völlig übereinstimmende Urteil des Freiherrn von Bissing. Viele treten im übrigen für den An¬ schluß Belgiens an das deutsche Zollgebiet ein. Zitelmann läßt die Frage offen, ob Zollanschluß oder ein auf die beiderseitigen Bedürfnisse zu¬ geschnittener Handelsvertrag vorzuziehen sei. Mir will dieser Ausweg bis auf weiteres günstiger erscheinen. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß Belgien eines Tages den Vorteil engen wirtschaftlichen Anschlusses an das Reich ein¬ sieht und dann selber um Aufnahme in den Zollverband bittet. Dann käme diese Aufnahme unter günstigeren Umständen zustande, als wenn jetzt wir die Veranlassung geben. Auch besteht die Möglichkeit, daß der von unserm Feinden zu erwartende Wirtschaftskrieg gegen uns sich gegen Belgien nicht mit der gleichen Schärfe wenden wird, wenn dieses ein selbständiges Zollgebiet bleibt. Davon aber könnten auch wir indirekt Vorteil haben. Es ist nur gut, wenn wir den Anschluß Belgiens auch auf wirtschaftlichem Gebiete vorläufig nicht enger gestalten, als es für unsere Sicherung notwendig ist. Das Weitere findet sich später.*) Ist uns die militärische, politische und wirtschaftliche Sicherung ungefähr in der umschriebenen Weise gewährleistet, so brauchen wir den Belgiern um so weniger in ihre inneren Verhältnisse hweinzuregieren, wenn nur für das eine *) Vgl. hierzu auch Joh. Ziekursch: Was soll aus Belgien werden? Der deutsche Krieg. Politische Flugschriften. Herausgeg. von Ernst Jacks, Ur. »1. De. Verlagsanstalt, Stuttgart-Berlin. Preis 50 Pf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/148>, abgerufen am 01.07.2024.