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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Gichtig, sein, aber freiwillig im Heere oder in der Marine des Deutschen
Deiches dienen dürfen. Wer nicht dient, hätte eine angemessene Heeressteuer
!n zahlen, wie denn überhaupt das Land für alle dort auch zu seinem eigenen
Schutze auf seinem Boden geschaffenen militärischen Einrichtungen heranzuziehen
wäre. Bei Zitelmann finden sich für die Regelung dieser Angelegenheiten
bereits eingehendere Vorschlüge, ebenso über die militärische Nutznießung und
Überwachung der belgischen Eisenbahnen und Wasserstraßen und über das
Recht, im Interesse Belgiens oder des Reiches oder beider Teile über das
Land den Belagerungszustand zu verhängen.

Hand in Hand mit der militärischen Sicherung in Belgien muß die
politische gehen. Damit das Land verhindert werde, eine dem Reiche schädliche
auswärtige Politik zu machen, wird man es zweckmäßigerweise verhindern
müssen, überhaupt auswärtige Politik zu treiben. Außer einem Gesandten in
Berlin wird Belgien keine eigenen Gesandten mehr beglaubigen dürfen, viel¬
mehr werden die deutschen Botschaften und Gesandtschaften die Vertretung
Belgiens mit übernehmen, doch so, wie Al. Meister sehr geschickt vorschlägt,
daß Belgien diesen überall einen eigenen Attachö meent. Eine Zustimmung
Belgiens zu der gemeinsamen deutsch-belgischen auswärtigen Politik darf aber
nicht als erforderlich angesehen werden, damit Belgien nicht etwa in der Lage
ist. die Politik des Reiches lahmzulegen. Nur für gewisse Fälle, z. B. wenn
etwa Deutschland über Gebietsabtretungen auf Kosten Belgiens verhandeln
wollte, müßte Belgiens Zustimmung nötig sein, damit das Land nicht auf
Gnade und Ungnade an Deutschland ausgeliefert ist. Völkerrechtliche Verträge
unpolitischen Inhalts, z. B. über Rechtshilfe. Vereinheitlichung des internationalen
Privatrechts. Post, Telegraphie, Seuchenschutz. Münzwesen, soll Belgien nach
Zitelmann auch fernerhin allein abschließen dürfen.

Zur militärischen und politischen Sicherung muß endlich noch die wirt¬
schaftliche treten. Ein feindlich von uns losgelöstes Belgien würde uns den
Hafen von Antwerpen sperren, es würde unseren Handel boykottieren und
deutsche Kaufleute auf seinem Boden rechtlich benachteiligen. Die belgische
Landwirtschaft. Industrie und Kohlenförderung sollen nicht feindlich gegen uns
verwendet werden, sondern wir möchten sie in lebendiger Wechselwirkung mit
unserer wirtschaftlichen Arbeit zum Gedeihen beider Länder schaffen sehen. An
Kohle insbesondere ist Belgien sehr reich. Nicht nur das wallonische Gebiet
um Lüttich sowie um Mons und Charleroi ist mit ihr gesegnet: neuerdings
hat man ganz ungeahnte Steinkohlenfelder im sogenannten Kemperland zwischen
Antwerpen und Maastricht aufgefunden, mit denen die deutsche Industrie noch
für Jahrhunderte versorgt wäre, wenn man es eben verhindert, daß ihr der
Zugang zu ihnen versperrt wird. Nicht versäumen darf man beim Friedens¬
schluß, das feindliche englische und französische Kapital aus den belgischen
Unternehmungen zu entfernen. Dasselbe gilt von dem Kapital der belgischen
Optanten, die etwa nach Frankreich oder England auswandern. Es wäre doch


Gichtig, sein, aber freiwillig im Heere oder in der Marine des Deutschen
Deiches dienen dürfen. Wer nicht dient, hätte eine angemessene Heeressteuer
!n zahlen, wie denn überhaupt das Land für alle dort auch zu seinem eigenen
Schutze auf seinem Boden geschaffenen militärischen Einrichtungen heranzuziehen
wäre. Bei Zitelmann finden sich für die Regelung dieser Angelegenheiten
bereits eingehendere Vorschlüge, ebenso über die militärische Nutznießung und
Überwachung der belgischen Eisenbahnen und Wasserstraßen und über das
Recht, im Interesse Belgiens oder des Reiches oder beider Teile über das
Land den Belagerungszustand zu verhängen.

Hand in Hand mit der militärischen Sicherung in Belgien muß die
politische gehen. Damit das Land verhindert werde, eine dem Reiche schädliche
auswärtige Politik zu machen, wird man es zweckmäßigerweise verhindern
müssen, überhaupt auswärtige Politik zu treiben. Außer einem Gesandten in
Berlin wird Belgien keine eigenen Gesandten mehr beglaubigen dürfen, viel¬
mehr werden die deutschen Botschaften und Gesandtschaften die Vertretung
Belgiens mit übernehmen, doch so, wie Al. Meister sehr geschickt vorschlägt,
daß Belgien diesen überall einen eigenen Attachö meent. Eine Zustimmung
Belgiens zu der gemeinsamen deutsch-belgischen auswärtigen Politik darf aber
nicht als erforderlich angesehen werden, damit Belgien nicht etwa in der Lage
ist. die Politik des Reiches lahmzulegen. Nur für gewisse Fälle, z. B. wenn
etwa Deutschland über Gebietsabtretungen auf Kosten Belgiens verhandeln
wollte, müßte Belgiens Zustimmung nötig sein, damit das Land nicht auf
Gnade und Ungnade an Deutschland ausgeliefert ist. Völkerrechtliche Verträge
unpolitischen Inhalts, z. B. über Rechtshilfe. Vereinheitlichung des internationalen
Privatrechts. Post, Telegraphie, Seuchenschutz. Münzwesen, soll Belgien nach
Zitelmann auch fernerhin allein abschließen dürfen.

Zur militärischen und politischen Sicherung muß endlich noch die wirt¬
schaftliche treten. Ein feindlich von uns losgelöstes Belgien würde uns den
Hafen von Antwerpen sperren, es würde unseren Handel boykottieren und
deutsche Kaufleute auf seinem Boden rechtlich benachteiligen. Die belgische
Landwirtschaft. Industrie und Kohlenförderung sollen nicht feindlich gegen uns
verwendet werden, sondern wir möchten sie in lebendiger Wechselwirkung mit
unserer wirtschaftlichen Arbeit zum Gedeihen beider Länder schaffen sehen. An
Kohle insbesondere ist Belgien sehr reich. Nicht nur das wallonische Gebiet
um Lüttich sowie um Mons und Charleroi ist mit ihr gesegnet: neuerdings
hat man ganz ungeahnte Steinkohlenfelder im sogenannten Kemperland zwischen
Antwerpen und Maastricht aufgefunden, mit denen die deutsche Industrie noch
für Jahrhunderte versorgt wäre, wenn man es eben verhindert, daß ihr der
Zugang zu ihnen versperrt wird. Nicht versäumen darf man beim Friedens¬
schluß, das feindliche englische und französische Kapital aus den belgischen
Unternehmungen zu entfernen. Dasselbe gilt von dem Kapital der belgischen
Optanten, die etwa nach Frankreich oder England auswandern. Es wäre doch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/147>, abgerufen am 01.07.2024.